OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 17.02.2005 - 11 PA 345/04 - asyl.net: M7407
https://www.asyl.net/rsdb/M7407
Leitsatz:

Es ist Yeziden nicht generell unzumutbar, bei der türkischen Auslandsvertretung einen Pass zu beantragen.

 

Schlagwörter: Reiseausweis, Türkei, Jesiden, Zumutbarkeit, Erlasslage, Wehrpflicht, zwingende Gründe
Normen: AufenthV § 5 Abs. 1; AufenthV § 6
Auszüge:

Es ist Yeziden nicht generell unzumutbar, bei der türkischen Auslandsvertretung einen Pass zu beantragen.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Beschwerde der Kläger gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat im Ergebnis den Antrag der Kläger auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt. Der Vortrag der Kläger im Beschwerdeverfahren führt zu keiner anderen Bewertung.

a) Der Senat kann offen lassen, ob der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts und der von ihm zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung, dass das Fehlen der erforderlichen Aufenthaltsgenehmigung der Verlängerung der Reisedokumente entgegenstehe, auch für den vorliegenden Fall zu folgen ist. Da es sich um ein Verpflichtungsbegehren der Kläger handelt, ist maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Tatsachenentscheidung. Zugrunde zu legen ist mithin nunmehr die zum 1. Januar 2005 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des Zuwanderungsgesetzes vom 25.11.2004 (BGBl. I 2004, S. 2945). Die in Art. 1 dieser Verordnung enthaltene Aufenthaltsverordnung (AufenthV) hat die bisher geltende Verordnung zur Durchführung des Ausländergesetzes (DVAuslG) abgelöst. § 5 Abs. 1 AufenthV bestimmt, dass einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, ein Reiseausweis für Ausländer (früher Reisedokument) ausgestellt werden kann. § 6 Nr. 1 AufenthV erfordert hierfür ­ insoweit übereinstimmend mit dem früheren § 15 DVAuslG -, dass der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis besitzen muss.

§ 6 Nr. 2 AufenthV regelt aber nunmehr ausdrücklich, dass ein Reiseausweis auch dann ausgestellt werden darf, wenn dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis oder Niederlassungserlaubnis erteilt wird, sobald er als Inhaber des Reiseausweises für Ausländer die Passpflicht erfüllt. Aus dieser Regelung wird deutlich, dass die Ausstellung eines Reiseausweises (früher Reisedokument) auch dann möglich ist, wenn zwar eine Aufenthaltserlaubnis (die nach den Regelungen im Aufenthaltsgesetz teilweise an die Stelle der bisherigen Aufenthaltsbefugnis getreten ist) noch nicht vorliegt, diese aber nach Vorlage eines Passes erteilt wird.

b) Dem Begehren der Kläger steht jedoch entgegen, dass es ihnen zunächst zumutbar ist, sich um die Ausstellung eines türkischen Passes unmittelbar beim türkischen Generalkonsulat zu bemühen bzw. zu belegen, dass derartige Bemühungen erfolglos geblieben sind.

Welche Anforderungen an die Zumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist es im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Reisedokuments regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Nationalpasses durch seinen Heimatstaat verweist und die Erteilung eines Reisedokuments (Reiseausweises für Ausländer) erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind. Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Heimatstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind vom Ausländer darzulegen und nachzuweisen. Dabei ist bei den Anforderungen an den Nachweis zu differenzieren. Je gewichtiger die vom Ausländer plausibel vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 29.2.1996 ­ 11 S 2744/95 -, InfAuslR 1996, 304).

Es ist dem Senat nicht ersichtlich, warum die Kläger sich nicht erneut unmittelbar beim türkischen Generalkonsulat um die Ausstellung von Pässen bemühen können. Die Rechtsprechung des Senats zur politischen Verfolgung von Yeziden steht dem nicht (mehr) entgegen. Zwar hat der Senat in der Vergangenheit yezidische Glaubenszugehörige aus der Türkei landesweit als gruppenverfolgt angesehen. Ob an dieser Rechtsprechung aufgrund der zwischenzeitlich in der Türkei erfolgten politischen Veränderungen weiter festzuhalten ist, bedarf allerdings einer erneuten Klärung, nachdem einige Verwaltungsgerichte eine Gruppenverfolgung mittlerweile unter Auswertung aktueller Erkenntnisse verneint haben und der Senat deswegen auch in mehreren Fällen die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen hat. Dass in der Person der Kläger keine sonstigen individuellen Gründe vorliegen, die eine Vorsprache als unzumutbar erscheinen lassen, wird daran deutlich, dass die Kläger zu 1) und 2) nach 2001 das Generalkonsulat der Türkei aufgesucht haben.

Dass die Kläger zu 5) und 6) sich mittlerweile im wehrpflichtigen Alter befinden, steht einer Vorsprache beim türkischen Generalkonsulat aller Voraussicht nach nicht entgegen.