Hat das Oberverwaltungsgericht über den vor Ablauf der Frist zur Begründung der zugelassenen Berufung gestellten (ordnungsgemäßen) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht vorab entschieden, darf es die Berufung nicht wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist als unzulässig verwerfen.
(Leitsatz des Gerichts)
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Der Kläger rügt zu Recht als Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), dass das Oberverwaltungsgericht die Berufung nicht als unzulässig hätte verwerfen dürfen, ohne zuvor über den innerhalb der Berufungsbegründungsfrist gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts entschieden zu haben und ggf. Wiedereinsetzung nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu gewähren.
Das Oberverwaltungsgericht hat jedenfalls nicht genügend beachtet, dass der Kläger innerhalb der Berufungsbegründungsfrist durch den am 14. Juni 2002 beim Oberverwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 13. Juni 2002 Prozesskostenhilfe und die Beiordnung seiner Prozessbevollmächtigten beantragt und hierzu eine Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie einen Bescheid über die Gewährung von Sozialhilfe eingereicht hatte. Ohne über diesen - ordnungsgemäß begründeten und vollständigen - Antrag vorab zu entscheiden, hätte das Oberverwaltungsgericht die Berufung nicht als unzulässig verwerfen dürfen (a.A. OVG Koblenz, Beschluss vom 5. Mai 1999 - 10 A 10234/99 - AuAS 1999, 197; ähnlich für gerichtskostenfreie Verfahren ohne Anwalts- und Begründungszwang VGH Mannheim Beschluss vom 22. Mai 2001 - 7 S 646/01 - NVwZ-RR 2001, 802; vgl. demgegenüber zum sozialgerichtlichen Verfahren BVerfG, Kammer-Beschluss vom 18. Dezember 2001 - 1 BvR 391/01 - FamRZ 2002, 531). Da auch für die Berufungsbegründung Vertretungszwang durch einen Rechtsanwalt besteht (§ 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO und zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht zuletzt etwa Beschluss vom 20. Juli 2000 - BVerwG 1 B 37.00 - (juris)), hätte das Oberverwaltungsgericht zunächst über den formell ordnungsgemäßen Prozesskostenhilfeantrag nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der vollständigen Einreichung des Gesuchs entscheiden und die Erfolgsaussichten in der Hauptsache prüfen müssen. Nur so konnte es den nach seinen Angaben auf Prozesskostenhilfe angewiesenen Kläger in die Lage versetzen, sich durch einen ihm beigeordneten Rechtsanwalt im Berufungsverfahren - und damit auch zur Abgabe der Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 6 Satz 1 VwGO - vertreten zu lassen (oder - nach einer etwaigen Ablehnung des Antrags - selbst zu entscheiden, ob er die Berufung zurücknimmt oder das Verfahren unter Beantragung von Wiedereinsetzung in die abgelaufene Begründungsfrist auf eigene Kosten fortsetzt [vgl. BVerfG, Kammer-Beschluss vom 8. Januar 1996 - 2 BvR 306/94 - (juris)]). Wäre das Oberverwaltungsgericht so vorgegangen, dann hätte es hier Prozesskostenhilfe - im Hinblick auf den vorgelegten Sozialhilfebescheid und den erfolgreichen Antrag auf Zulassung der Berufung - bewilligen und dem Kläger mit Rücksicht hierauf nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist gewähren müssen (vgl. zuletzt Beschluss vom 17. April 2002 - BVerwG 3 B 137.01 - DVBl 2002, 1050 zur Gewährung von Wiedereinsetzung in die Einlegungs- und Begründungsfrist m.w.N.; vgl. etwa auch BVerfG, Kammer-Beschlüsse vom 26. September 2002 - 1 BvR 1419/01 - NVwZ 2003, 341 = DVBl 2003, 130 und vom 23. September 1992 - 2 BvR 871/92 - NJW 1993, 720). Denn der unbemittelte Kläger, der während des Laufs der Rechtsmittelfrist (oder - wie hier - Rechtsmittelbegründungsfrist) ein formell ordnungsgemäßes Prozesskostenhilfegesuch eingereicht hat, hat alles getan, was von ihm zur Wahrung der Frist erwartet werden kann (vgl. Beschluss vom 21. Januar 1999 - BVerwG 1 B 3.99 - Buchholz 310 § 166 VwGO Nr. 38 unter Hinweis auf BGH, NJW-RR 1993, 451 m.w.N.). Solange das Oberverwaltungsgericht über den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren nicht entschieden hatte, durfte es danach die Berufung nicht aus formalen Gründen als unzulässig verwerfen und dem Kläger damit endgültig die Berufungsinstanz verschließen.