ein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von Chaldäern, da diese sich wegen drohender Übergriffe auf zwingende Gründe berufen können, die der Rückkehr in den Irak entgegenstehen.
ein Widerruf der Flüchtlingsanerkennung von Chaldäern, da diese sich wegen drohender Übergriffe auf zwingende Gründe berufen können, die der Rückkehr in den Irak entgegenstehen.
(Leitsatz der Redaktion)
Der Bescheid des Bundesamtes vom 5. Oktober 2004, mit dem die Abschiebungsschutzberechtigung der Kläger widerrufen worden ist, war aufzuheben, da er sich als rechtswidrig und die Kläger in deren Rechten verletzend erweist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar geht der Bescheid zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Abschiebungsschutzes nach § 51 Abs. 1 AuslG a.F. seit 1.1.2005: § 60 Abs. 1 AufenthG nicht mehr vorliegen (§ 53 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG). Gleichwohl war von einem Widerruf abzusehen, da sich die Kläger auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen können, um eine Rückkehr in ihren Heimatstaat, den Irak, abzulehnen (§ 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG).
Ungeachtet der danach vorliegenden Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erweist sich der ergangene Bescheid vom 5. Oktober 2004 als rechtswidrig, weil gemäß § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG von einem Widerruf abzusehen war.
Wie bereits unter 1. ausgeführt, liegt bei ihnen auf Grund der Änderung der innenpolitischen Verhältnisse im Irak eine staatliche Verfolgung wegen Asylantragstellung und Auslandsaufenthaltes nicht mehr vor. Gleichwohl hat sich für sie die Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung als Mitglieder der Religionsgemeinschaft der Mandäer gegenüber dem Zeitpunkt ihrer Ausreise erhöht, so dass ihnen zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe eine Rückkehr in den Irak unzumutbar machen.
Zur Situation, wie sie die Kläger vor ihrer Ausreise im Irak angetroffen haben und wie sie sich aus der Sicht der Kläger jetzt darbietet, haben diese in der mündlichen Verhandlung überzeugende, einprägsame und nachvollziehbare Angaben gemacht. So waren die Kläger bereits zum Zeitpunkt ihres Aufenthalts im Irak wegen ihrer mandäischen Religionszugehörigkeit Schikanen und Benachteiligungen von Moslems ausgesetzt und konnten sich gegenüber solchen Benachteiligungen auch nicht unter den Schutz des Staates Irak stellen. Ungeachtet der Tatsache, dass diese von den Klägern im Erstverfahren bereits teilweise geschilderten Belastungen im täglichen Leben nicht zur Zuerkennung des Abschiebungsschutzes geführt haben, sondern die zu befürchtende staatliche Verfolgung wegen Auslandsaufenthalts und Asylbeantragung, setzen sich diese Gründe in den den Klägern mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohenden Belastungen bei einer jetzigen Rückkehr in den Irak fort. Die Kläger haben hinsichtlich der Situation in ihrer Familie nachdrücklich und überzeugend geschildert, dass sich keine Familienangehörigen mehr im Irak befinden, vielmehr zwei Mitglieder ihrer Familie erst jüngst Opfer gewalttätiger Anschläge bzw. Morde geworden sind. Dabei haben die Kläger glaubhaft machen können, dass Hintergrund zumindest der Ermordung des Bruders des Klägers zu1) gewesen sei, dass dieser sich geweigert habe, von seinem Glauben abzulassen und Moslem zu werden.
Diese Ausführungen der Kläger sind vor dem Hintergrund der zum Verfahren eingeholten bzw. beigezogenen Auskünfte nachvollziehbar und glaubhaft. So führt das Auswärtige Amt in dem Lagebericht vom 2.11.2004 aus, dass die Gruppe der Mandäer/Sabäer im Südirak eine besonders gefährdete Stellung einnimmt. Ihnen gegenüber komme es zu Zwangsbekehrungen und Entführungen vor allem von Mädchen durch extremistische islamistische Gruppierungen. Auch würden die Mandäer anders als die Christen von islamistischen Kreisen als eine Religionsgemeinschaft verstanden, die nicht durch den Islam geduldet sei und daher als Heiden anzusehen seien, gegen die Gewalt und Entführung legitim sei. Darüber hinaus hätten die Mandäer auf politischer Ebene wenig Rückendeckung und könnten sich nur in geringem Maße an andere ethnisch-religiöse Gruppen anlehnen. In die gleiche Richtung geht die Auskunft des UNHCR vom 22. November 2004, die davon berichtet, dass verschiedene Organisationen in der zurückliegenden Zeit mehrfach von Übergriffen und wachsendem Druck insbesondere auf weibliche Angehörige der mandäischen Religionsgemeinschaft sowie Zwangskonversionen zum Islam berichtet hätten. Auch unter der Herrschaft Saddam Hussein hätten die Mandäer nach Auskunft der Gesellschaft für bedrohte Völker Verfolgung erleiden müssen. Es sei daher vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass sich die Lebensumstände der mandäischen Minderheit auch nach dem Sturz des Regimes des Saddam Hussein keineswegs gebessert hätten. Ebenso wie das Auswärtige Amt weist UNHCR darauf hin, dass die Mandäer von der islamischen Religionsgemeinschaft nicht als eine der im Koran erwähnten Schriftreligionen anerkannt seien und somit nicht unter dem Schutzgebot der islamischen Gesellschaft ständen. Angesichts der derzeit im Irak herrschenden katastrophalen Sicherheitssituation seien sie besonders schutzlos, was u.a. auch damit zusammenhänge, dass nach ihren religiösen Regeln jede Form von Gewalt und insbesonders Töten oder Tragen von Waffen strikt untersagt sei. Dabei gehen die Auskunftsstellen von unterschiedlichen Größenverhältnissen aus. Während das Auswärtige Amt davon ausgeht, dass noch rd. 80.000 Mandäer im Irak leben, spricht der UNHCR von rd. 30.000 und das Deutsche Orient-Institut in seiner Auskunft vom 31.1.2005 von noch 15.000 Personen. Letztere Auskunft geht schließlich deutlich davon aus, dass sich die Lage der Mandäer seit dem Sturz des Regimes des Saddam Hussein klar zu deren Nachteil verändert habe. Wie bereits die beiden genannten anderen Auskünfte sieht auch der Gutachter des Deutschen Orient-Instituts, dass die Mandäer nach moslemischer Vorstellung unrein und damit in den Augen der Moslems jeglichen Schutzes bar seien. Ihre Angehörigen müssten nach traditioneller islamischer Auffassung den Islam annehmen oder getötet werden. So lange im Irak das nachbarschaftliche Verhältnis einigermaßen normal gewesen sei und sei es auch nur durch den Zwang der strikten Diktatur Saddam Husseins -, sei dies nicht so deutlich zum Ausdruck gekommen wie es theoretisch sich anhöre. Diese Situation sei nunmehr vorbei, so dass Raublust und Mordgier in religiösem Gewande, andererseits auch puritanischer Fanatismus sich ungehindert austoben könnten. Die Mandäer seien gegenwärtig als durchaus insgesamt gefährdete Gruppe anzusehen.
Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände muß davon ausgegangen werden, dass im Falle der Kläger nach § 73 Abs. 1 Satz 3AsylVfG von einem Widerruf - zumindest derzeit - abzusehen ist. Als Mandäer droht ihnen im Irak momentan aus religiösen Gründen durch Akteure i.S. des § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG, gegen die der derzeit im Aufbau befindliche irakische Staat ihnen keinen Schutz gewähren kann (vgl. auch VG Regensburg, Urteil vom 25. November 2004 RN 8 K 04.30383), Verfolgungsmaßnahmen.