LG Cottbus

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Zitieren als:
LG Cottbus, Beschluss vom 16.02.2005 - 7 T 497/04 - asyl.net: M7492
https://www.asyl.net/rsdb/M7492
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftbefehl, Zustellung, Minderjährige, Anhörung, sofortige Beschwerde, Frist
Normen: FEVG § 11 Abs. 2; FEVG § 5 Abs. 1 S. 1;
Auszüge:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 02.10.2004 ist gem. §§ 7 Abs. 1 und 2 FEVG statthaft und zulässig.

Nach §§ 3 S. 2 FEVG; 22 Abs. 1 S. 1 FGG ist die sofortige Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen einzulegen, wobei der Fristlauf gem. § 22 Abs. 1 S. 2 FGG im Zeitpunkt der Bekanntmachung der Verfügung an den Beschwerdeführer beginnt. Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde begann hier am 23.11.2004. An diesem Tag wurde der Beschluss des Amtsgerichts Guben vom 02.10.2004 dem Betroffenen durch Zustellung an seinen Verfahrensbevollmächtigten bekanntgegeben. Aus den Akten ist nicht ersichtlich, dass der Beschluss dem Betroffenen zu einem früheren Zeitpunkt in der durch § 16 Abs. 2 oder 3 FGG vorgeschriebenen Weise bekannt gemacht worden ist.

Die Bekanntmachung an den Betroffenen erfolgte insbesondere nicht durch die Zustellung des Beschlusses vom 02.10.2004 an die Antragstellerin. Dieser wurde der Beschluss nach Lage der Akten zwar ausgehändigt. Die Antragstellerin bezeichnete sich in dem Empfangsnachweis auch als Zustellungsbevollmächtigte. Für eine tatsächliche Bevollmächtigung zur Entgegennahme des Beschlusses durch den Betroffenen gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Es ist auch keine Norm ersichtlich, nach der die Antragstellerin von Gesetzes wegen als in dieser Weise bevollmächtigt anzusehen ist. Nach §§ 6 Abs. 2 S. 1, Abs. 2 lit a) FEVG war der Beschluss des Amtsgerichts Guben vom 02.10.2004, mit dem die Freiheitsentziehung angeordnet wurde, vielmehr in jedem Fall dem Betroffenen persönlich durch das Gericht bekanntzugeben.

Die sofortige Beschwerde ist auch begründet. Die Anordnung der Zurückschiebungshaft durch den Beschluss des Amtsgerichts Guben vom 02.10.2004 war rechtswidrig.

Der Betroffene ist vor der Anordnung der Zurückschiebungshaft nicht angehört worden. Das Amtsgericht hätte von der Anhörung des Betroffenen jedoch nach Lage der Akten nicht absehen dürfen.

Gem. §§ 11 Abs. 2, S. 1;5 Abs. 1,S. 1 FEVG ist auch vor der Anordnung der Zurückschiebungshaft im Wege der einstweiligen Anordnung der Betroffene grundsätzlich anzuhören. Die vorherige mündliche Anhörung gewährleistet das rechtliche Gehör im Sinn des Art. 103 GG und trägt entscheidend zur Sachverhaltsermittlung bei (BVerfG InfAuslR 1996,198); auch im Verfahren der einstweiligen Anordnung gehört die vorherige Anhörung der Betroffenen zu den durch Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG zum Verfassungsgebot erhobenen Grundsätzen (für den Fall der Unterbringung: BayObLG NJW-RR 2001, 654 m.w.N.).

Nach § 11 Abs. 2 S. 2 FEVG kann die vorherige Anhörung der Person, der die Freiheit entzogen werden soll, zwar bei Gefahr im Verzug zunächst unterbleiben. Die Voraussetzungen für einen zulässigen Verzicht auf die Anhörung sind jedoch nicht dargetan. Aus dem Inhalt der Akte erschließt sich nicht, dass eine Anhörung des Betroffenen deswegen nicht möglich gewesen ist, weil Gefahr im Verzug bestand. Es ist nicht ersichtlich, dass sich die zuständige Richterin um die voherige Anhörung des Betroffenen bemüht hätte.

Die Verfahrensweise des Amtsgerichtes verletzt Art. 104 Abs. 1 S. 1 GG. Dieser Verstoß kann nicht durch eine unverzügliche Nachholung der Anhörung geheilt werden.

Er drückt der angeordneten Haft bis zur Anhörung den Makel der rechtswidrigen Freiheitsentziehung auf. Dies hat das Bayerische Oberlandesgericht für den Fall der Unterbringung entschieden (BayObLG a.a.O.; BVerfG NJW 1990, 2309 und NVwZ 1996, Beilage Nr. 7, 49); nichts anderes kann im Fall der Anordnung von Zurückschiebungshaft gelten.

Die Auslagenentscheidung beruht auf § 16 S. 1 FEVG. Nach Einschätzung der Kammer bestand kein begründeter Anlass zur Beantragung von Haft zur Sicherung der Zurückschiebung. Die Erforderlichkeit der Anordnung von Zurückschiebungshaft gegen den minderjährigen Betroffenen ist im Haftantrag nicht nachvollziehbar dargelegt.

In Anlehnung an die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Köln (Beschluss vom 11.09.2002, 16 Wx 164/02, NVwZ 03, Beilage 18, 64; Beschluss vom 05.02.2003, 16 Wx 247/02, NVwZ 03, Beilage I 6, 48) oblag es der Antragstellerin, in ihrem Antrag ausführlich darzulegen, dass weniger einschneidende Mittel als die Anordnung von Zurückschiebungshaft nicht vorhanden waren oder als ungeeignet erschienen. Die Anordnung von Zurückschiebungshaft gegen Minderjährige kommt - wegen der Schwere des Eingriffs - nur nach einer besonderen Verhältnismäßigkeitsprüfung, die auf das Alter des Betroffenen abstellt, in Betracht. Wie die Prüfung durch die Antragstellerin im Fall des 17 jährigen Betroffenen tatsächlich ausgegangen wäre, ist nicht erheblich. Entscheidend ist, dass es die Antragstellerin ganz unterlassen hat, im Haftantrag auf die Erforderlichkeit der Haft trotz der Minderjährigkeit des Betroffenen einzugehen. Auch im Verlauf des Beschwerdeverfahrens hat sie keinerlei Ausführungen zu dieser Problematik gemacht.