OVG Rheinland-Pfalz

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Zitieren als:
OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 04.10.2005 - 7 A 10700/05.OVG - asyl.net: M7547
https://www.asyl.net/rsdb/M7547
Leitsatz:

Albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo ist die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unzumutbar

 

Schlagwörter: Einbürgerung, Anspruchseinbürgerung, Serbien und Montenegro, Albaner, Kosovo, Entlassung, Staatsangehörigkeit, Zumutbarkeit, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Untätigkeitsklage
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 2a S. 4; StAG § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 6; StAG § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3; StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 4; VwGO § 75
Auszüge:

Albanischen Volkszugehörigen aus dem Kosovo ist die Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit unzumutbar

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Untätigkeitsklage ist zulässig, da die Beklagte ohne zureichenden Grund nicht über das Begehren der Klägerin entschieden hat. Dabei kann auf sich beruhen, ob sich die Beklagte (nunmehr) zur Rechtfertigung der Aussetzung ihrer Entscheidung darauf berufen kann, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanerkennung der Klägerin widerrufen und das Verwaltungsgericht die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen hat. Ebenso wenig kommt es vorliegend auf die Auslegung und das Verständnis des § 73 Abs. 2 a Satz 4 AsylVfG im Verhältnis zu § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG an.

Ungeachtet der Frage, ob von einer Entlassung der Klägerin aus ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit unter den Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG abzusehen ist, liegen hierfür die Tatbestandsvoraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG vor.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG zu, dessen Voraussetzungen nach dem ansonsten übereinstimmenden Vorbringen der Beteiligten - mit Ausnahme des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG - gegeben sind.

Vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG ist jedoch - wie erwähnt - nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG abzusehen. Der Klägerin kann die Durchführung eines Entlassungsverfahrens aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit nicht zugemutet werden, da dies darauf hinausliefe, von ihr zu fordern, den Verlust ihrer bisherigen Staatsangehörigkeit mit Hilfe einer Bestechung herbeizuführen. Das Einfordern einer solchen Verhaltensweise, um die Einbürgerungsvoraussetzungen in den deutschen Staatsverband erfüllen zu können, widerspricht, was keiner weiteren Darlegung bedarf, rechtsstaatlichen Grundsätzen.

Maßgeblich für die Einschätzung des Senats ist die Stellungnahme der deutschen Botschaft Belgrad vom 6. April 2005, die für diplomatische Verhältnisse ungewöhnlich klare Aussagen enthält. So heißt es unter Ziffer 3, auch der Botschaft sei aus zahlreichen Beschwerden bekannt, dass ethnisch albanische Personen serbisch-montenegrinischer Staatsangehörigkeit aus dem Kosovo ungeachtet der Rechtslage von der Gewährung konsularischer Dienstleistungen seitens serbisch-montenegrinischer Auslandsvertretungen de facto ausgeschlossen sind. Anträge würden entweder überhaupt nicht beantwortet, aus offenkundig vorgeschobenen Gründen abgelehnt oder verschleppt. Sofern entsprechende Anträge von Kosovaren in Einzelfällen innerhalb zumutbarer Fristen bearbeitet und positiv beschieden worden seien, beruhe dies nach Einschätzung der Botschaft auf Bestechung. Die zahlreichen Fälle der Vorlage gefälschter Entlassungsbescheinigungen seitens kosovarischer Einbürgerungsbewerber dürften nicht zuletzt vor diesem Hintergrund zu sehen sein.

Im Ergebnis verbleibt es daher bei der Einschätzung des Senats, dass die Klägerin als albanischstämmige Volkszugehörige aus dem Kosovo ihre Entlassung aus der serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigkeit derzeit nur durch eine Verhaltensweise erlangen könnte, die ihr in einem Rechtsstaat nicht angesonnen werden kann, also unzumutbar ist.