VG Meiningen

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Zitieren als:
VG Meiningen, Urteil vom 20.09.2005 - 2 K 20124/04 Me - asyl.net: M7558
https://www.asyl.net/rsdb/M7558
Leitsatz:

Keine Verfolgung vietnamesischer Staatsangehöriger allein wegen illegalen Verbleibens im Ausland; zur Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung und zur Überwachung des Internets.

 

Schlagwörter: Vietnam, Folgeantrag, Änderung der Sachlage, subjektive Nachfluchtgründe, exilpolitische Betätigung, Auslandsaufenthalt, Situation bei Rückkehr, Administrativhaft, Rückübernahmeabkommen, unerlaubte Ausreise, Strafverfahren, Internet, Überwachung im Aufnahmeland, Ausnahmefall, Abschiebungshindernis, Zuwanderungsgesetz, Entscheidungszeitpunkt
Normen: AsylVfG § 71 Abs. 1; VwVfG § 51 Nr. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 28 Abs. 2; VStGB Art. 274; AufenthG § 60 Abs. 7; AsylVfG § 77
Auszüge:

Keine Verfolgung vietnamesischer Staatsangehöriger allein wegen illegalen Verbleibens im Ausland; zur Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung und zur Überwachung des Internets.

(Leitsatz der Redaktion)

 

1. Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid verletzt die Rechte des Klägers (§ 113 Abs. 1 VwGO), der Verpflichtungsantrag war erfolgreich.

2. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens war rechtswidrig. Die Beklagte hätte auf Grund des Asylfolgeantrages ein neues Asylverfahren durchführen müssen.

2.3. Die geltend gemachten neuen Gründe sind auch grundsätzlich geeignet, die Sach- und Rechtslage anders zu beurteilen als im ersten Verfahren. Es ist nicht von vorneherein ausgeschlossen, dass die genannten exilpolitischen Tätigkeiten zu der begehrten Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG oder eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG führen könnte. Die Möglichkeit einer günstigeren Entscheidung auf Grund der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe genügt (Thür. OVG, Urt. v. 2. 8. 2001, Az. : 3 KO 279/99; ThürOVG Urt. v. 6. 3. 2002, Az: 3 KO 428/99). Nicht erforderlich ist es, dass bei der Prüfung, ob ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist, bereits der materielle Anspruch selbst festgestellt wird (VGH Mannheim, Urt. v. 16. 3. 2000, AuAS 2000, 152). Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Bundesamts, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ziff. 1 VwVfG nur dann vorliegen, wenn feststeht, dass die Sach- und Rechtslage anders zu beurteilen ist als im ursprünglichen Verfahren. Diese Auffassung verkennt, dass im Falle des Vorliegens von Wiederaufgreifensgründen nach § 51 Abs. 1 VwVfG und bei Erfüllung der formellen Voraussetzungen von § 51 Abs. 2 und 3 VwVfG die Behörde darüber zu entscheiden hat, ob sie das Verfahren erneut aufgreift, und, wenn sie dies tut, in einem weiteren Schritt eine neue Entscheidung in der Sache zu treffen hat. Aus dieser Systematik kann nicht entnommen werden, dass ein Wiederaufgreifen des Verfahrens voraussetzt, dass tatsächlich eine andere Entscheidung als bisher zu treffen ist, dies muss lediglich möglich erscheinen. Das Bundesverwaltungsgericht (U. v. 10.02.1998, NVwZ 1998, 861) hat diese Frage zwar ausdrücklich offen gelassen, macht aber in der gleichen Entscheidung Ausführungen dazu, wie mit der einwöchigen Ausreisepflicht zu verfahren ist, wenn das Gericht im Gegensatz zum Bundesamt Gründe des § 51 Abs. 1 VwVfG für gegeben hält, die Klage aber dennoch als (einfach) unbegründet abweist. Es muss also den Fall geben, in dem ein weiteres Verfahren durchzuführen ist, auch wenn sich später herausstellen sollte, dass weder der Asylantrag noch der Antrag auf Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG begründet sind.

Ein weiteres Asylverfahren ist lediglich in den Fällen nicht durchzuführen, wo bezogen auf den betreffenden Zeitraum entweder keine neue Sachlage vorgetragen wird oder aber der Sachvortrag zwar eine neue Sachlage darstellt, diese aber von vorneherein ganz offensichtlich nicht geeignet ist, die Rechtslage zu Gunsten des Asylbewerbers zu verändern.

Dabei bleibt § 28 Abs. 2 AsylVfG an dieser Stelle außer Betracht, da die Prüfung, ob die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AsylVfG zu treffen ist, nach § 28 Abs. 2 AsylVfG nur dann nicht mehr getroffen werden kann, wenn "im übrigen die Voraussetzungen für die Durchführung eines Folgeverfahrens" vorliegen.

3. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass ein weiteres Asylverfahren durchzuführen gewesen wäre, muss es in der Sache selbst entscheiden (vgl. BVerwG, Urteil v. 10.02.1998, Az: 9 C 28/97, NVwZ 1998, 861 = DVBl. 1998, 725).

Diese Entscheidung führt zum Erfolg der Klage im Verpflichtungsteil.

3.1. Mit der Klage wird die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung begehrt, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen.

3.1.1. Dies resultiert allerdings nicht aus einer möglichen Bestrafung auf Grund seines Aufenthaltes in Deutschland. Das illegale Verbleiben im Ausland stellt einen Verstoß gegen Art. 274 des vietnamesischen Strafgesetzbuches (VStGB) dar.

Es ist aber nicht "beachtlich wahrscheinlich" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. BVerwGE 91, 150), dass gegen aus Deutschland zurückkehrende Asylbewerber tatsächlich wegen des Verstoßes gegen Art. 274 VStGB vorgegangen wird (ständige Rechtsprechung des Gerichts unter Bezug auf die Rechtsprechung des Thür. OVG [z.B. Urteil vom 14.2.1995, Az.: 3 KO 138/94; Urteil vom 22.10.1996, Az. 3 KO 143/94] und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts [Urteil vom 15.03.1994, DVBl. 1994, S. 927], jeweils zur gleichen Vorschrift des Art. 89 des früheren VStGB). Es handelt sich lediglich um eine Ordnungsvorschrift ohne politische Tendenz. Dafür ist vor allem die Überlegung maßgeblich, dass der Verzicht auf die Anwendung einer Strafvorschrift (dazu weiter unten) auf den Charakter der Norm selbst zurückwirkt, so dass sie die politische Zielsetzung verliert, weil sie nicht mehr mit politischer Zielsetzung angewandt wird (Thür. OVG, Urteil vom 22.10.1996, Az. 3 KO 143/94). Art. 89 VStGB-alt wurde aber ebenso wie Art. 274 VStGB auf aus Deutschland zurückkehrende Asylbewerber schon lange nicht mehr angewandt (Dr. Gerhard Will, Schreiben vom 2. 6. 2001 an das VG Stuttgart). Insoweit ist Straffreiheit bilateral garantiert (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Situation in der Sozialistischen Republik Vietnam vom 12.2.2005, Ziff. IV.2; Auswärtiges Amt, Schreiben vom 4. 12. 2000 an das VG Meiningen). Im Briefwechsel vom 21.7.1995 zwischen dem Vize-Außenminister der Sozialistischen Republik Vietnam und dem Bundesminister des Innern anlässlich der Unterzeichnung des Abkommens zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Sozialistischen Republik Vietnam über die Rückübernahme von vietnamesischen Staatsangehörigen (Rückübernahmeabkommen) hat die Sozialistische Republik Vietnam in völkerrechtlich verbindlicher Weise erklärt, "dass sie entsprechend ihrer humanen Politik auf eine Strafverfolgung von Rückkehrern in Deutschland verzichtet." Das Gericht hat keine Anhaltspunkte dafür, dass entgegen dieser Zusage auf Rückkehrer aus Vietnam in den letzten Jahren noch Strafvorschriften wegen unerlaubter Ausreise und unerlaubten Aufenthalts im Ausland angewandt wurden.

3.1.2. Es ist auch zu bedenken, ob nicht eine Bestrafung nach den "Vorschriften über die administrative Haft" (Regierungsverordnung Nr. 31-CP vom 14. 4. 1997) - so genannte Verwaltungshaft - erfolgen könnte. Auch eine solche Bestrafung wird aber von der bilateral garantierten Straffreiheit umfasst (ebenso OVG Münster, Beschluss v. 26. 1. 1999, Az.: 1 A 76/99.A; Thür. OVG, Urt. v. 2. 8. 2001, Az. : 3 KO 279/99; Thür. OVG, Urt. v. 6. 3. 2002, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 19 = EzAR 212 Nr. 13).

3.1.3. Grundsätzlich kann auch eine exilpolitische Tätigkeit von vietnamesischen Staatsangehörigen in Deutschland dazu führen, dass im Falle der Rückkehr nach Vietnam eine Bestrafung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erfolgen wird.

Insgesamt kommt das Gericht zu der Auffassung, dass in Vietnam weiterhin politische Verfolgung stattfindet und die genannten Strafvorschriften grundsätzlich in asylerheblicher Weise Anwendung finden (Thür. OVG, Urt. v. 22. 10. 1996, Az.: 3 KO 143/94; Urt. v. 2. 8. 2001, Az. : 3 KO 279/99; Thür. OVG Urt. v. 6. 3. 2002, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 19 = EzAR 212 Nr. 13). Mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit kommt eine solche Bestrafung allerdings nur dann in Betracht, wenn sich der vietnamesische Staatsangehörige während seinen Aufenthalts öffentlich und nachhaltig und in besonders exponierter Weise politisch-oppositionell gegen das in Vietnam herrschende Regime betätigt bzw. geäußert hat (Thür. OVG Urt. v. 22. 10. 1996, Az.: 3 KO 143/94) und sie damit besonders hervorgetreten sind

(Thür. OVG, Urt. v. 2. 8. 2001, Az. : 3 KO 279/99; Thür. OVG Urt. v. 6. 3. 2002, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 19 = EzAR 212 Nr. 13). Denn nur dann ist damit zu rechnen, dass seine Betätigung vietnamesischen Behörden auf Grund deren Erkenntnismöglichkeiten überhaupt zur Kenntnis gelangt. Zu diesen Betätigungen können auch Veröffentlichungen in exilpolitischen Zeitschriften gehören (vgl. amnesty international, Schreiben vom 22.11.2003 an das VG Darmstadt).

Damit besteht dann die beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Bestrafung nicht, wenn nur eine einfache exilpolitische Betätigung in Form von Mitgliedschaft in Organisationen und Beteiligung an Demonstrationen festzustellen ist (Thür. OVG, Urt. v. 2. 8. 2001, Az. : 3 KO 279/99; Thür. OVG Urt. v. 6. 3. 2002, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 3, 19 = EzAR 212 Nr. 13). Zu diesen einfachen Tätigkeiten gehört auch eine nur örtliche oder regionale nicht besonders hochrangige Funktion in exilpolitischen Organisationen sowie Tätigkeiten in "Organisationskomitees" für einzelne Diskussionsveranstaltungen, Demonstrationen, Infotische u.ä. Auch die bloße Teilnahme an einer Vielzahl von Veranstaltungen führt nicht zu einem "Qualitätssprung": Sie führt nicht im Sinne einer Kumulation zu einer Exponiertheit (Thür. OVG a.a.O.).

Veröffentlichungen exilpolitischer Art im Internet werden von vietnamesischen Sicherheitsorganen routinemäßig überwacht, wobei es gleich ist, auf welchem Server die jeweilige Website liegt (Auswärtiges Amt, Schreiben vom 06. 01. 2005 an das VG Meiningen und vom 17. 04. 2000 an das VG Frankfurt/Main; ähnlich: Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Situation in der Sozialistischen Republik Vietnam vom 12. 2. 2005, II.1 b). Auch derartige Veröffentlichungen sind deshalb in die Betrachtungen einzubeziehen. Sie haben sogar besondere Bedeutung. Oppositionelle Äußerungen im Internet werden vom vietnamesischen Staat zunehmend verfolgt und teilweise mit hohen Haftstrafen geahndet (amnesty international, Jahresberichte 2003 und 2004 bezogen auf Täter in Vietnam; Gerhard Will, Gutachten vom 10. 9. 2002 ASYLIS/JURIS VIE00050115 zu allen Internetaktivitäten). Das ergibt sich auch daraus, dass Internet-Cafés neuerdings zunehmend unter Überwachungsdruck stehen (Gerhard Will a.a.O.).

3.1.4. Nach alledem kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass beim Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AsylVfG vorliegen.

3.2. Die Verpflichtung der Beklagten, hinsichtlich des Klägers festzustellen, dass die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, ist nicht durch § 28 Abs. 2 AsylVfG ausgeschlossen.

3.2.1. Die allgemeinen Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 AufenthG liegen vor:

3.2.2. Die Vorschrift ist insoweit auslegungsbedürftig, als zu klären ist, wann der "Regelfall" vorliegt. Nach der Begründung des Gesetzentwurfs für die Einführung des § 28 Abs. 2 AsylVfG (Bundestagsdrucksache 22/03 Seite 262) wird nach der Neuregelung "das kleine Asyl" ausgeschlossen, wenn der Folgeantrag auf selbst geschaffene Nachfluchtgründe gestützt wird. Ausdrücklich vermerkt die Begründung, dass eine Schutzlücke für die Betroffenen dadurch nicht entstehe, weil Artikel 16a GG und § 60 Abs. 1 AufenthG nicht die alleinigen Rechtsgrundlagen für einen Schutz vor Abschiebung darstellen. Im Falle konkreter Gefahren könne der erforderliche Schutz im Rahmen der Prüfung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt gewährleistet werden, ohne den aufenthaltsrechtlichen Schutz zu verfestigen. Die Begründung verweist in diesem Zusammenhang auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 07.03.2000 - 43844/98 und den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 21.06.2000, Az: 2 BVR 1989/97 und weist darauf hin, dass gegebenenfalls selbst die Ausländerbehörde in diesen Fällen verpflichtet sei, eine Ermessensprüfung nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG nachzuholen.

Bei der Beurteilung, ob der Regelfall des § 28 Abs.2 AsylVfG vorliegt, ist deshalb, ausgehend von dem Willen des Gesetzgebers, keine Schutzlücke entstehen zu lassen, im Falle einer konkreten Gefahr zu prüfen, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG besteht. Wenn ein solches Abschiebungsverbot besteht, liegt der Regelfall des § 28 Abs. 2 AsylVfG zumeist vor (zu einer weiteren Ausnahme unten 3.2.3.); liegt hingegen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG nicht vor, würde die vom Gesetzgeber nicht gewollte, im Übrigen auch verfassungsrechtlich bedenkliche Schutzlücke entstehen, so dass ein Fall außerhalb der Regel des § 28 Abs. 2 AsylVfG vorliegt.

Da damit vorliegend ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gegeben ist, liegt nach dem Vorgesagten grundsätzlich der Regelfall des § 28 Abs. 2 AsylVfG vor.

3.2.3. Im vorliegenden Fall ist der Regelfall dennoch ausgeschlossen. Ein solcher Regelfall liegt nämlich auch in den Fällen nicht vor, in denen der Asylbewerber bereits vor Inkrafttreten des § 28 Abs. 2 AsylVfG am 01.01.2005 die Voraussetzung des § 51 Abs. 1 AuslG in seiner Person erfüllt hatte. § 28 Abs. 2 AsylVfG geht nämlich ersichtlich davon aus, dass der Ausländer nach unanfechtbarem Abschluss des früheren Asylverfahren in Kenntnis seiner Ausreisepflicht und unter der Androhung der zwangsweisen Abschiebung das Risiko selbst geschaffener Nachfluchtgründe bewusst auf sich nimmt. Mit der Vorschrift "wird der bislang bestehende Anreiz genommen, nach unverfolgter Ausreise und abgeschlossenen Asylverfahren auf Grund neu geschaffener Nachfluchtgründe ein Asylverfahren zu betreiben, und damit zu einem dauerhaften Aufenthalt zu gelangen" (Begründung des Gesetzentwurfs, a.a.O.). Unbeschadet der Tatsache, dass der Gesetzgeber offensichtlich ausschließlich von dem Bild ausgegangen ist, dass ein Asylbewerber Nachfluchtgründe nur deshalb schafft, um ein Bleiberecht zu erreichen und denjenigen Asylbewerber, der aus tiefer Überzeugung ein von ihm abgelehntes politisches System in seiner Heimat bekämpft, völlig außer Acht lässt, ist jedenfalls zu berücksichtigen, dass der Asylbewerber, der vor Inkrafttreten des § 28 Abs. 2 AsylVfG Nachfluchtgründe, wie vorliegend durch exilpolitische Tätigkeit schafft, diese Möglichkeit der Abschätzung seines Risikos nicht treffen konnte. Der Asylbewerber durfte davon ausgehen, das seine nach deutschem Recht legale, grundrechtlich geschützte oppositionelle Betätigung nicht zu einer Abschiebung in die Heimat führen konnte, wenn die Voraussetzung des § 60 Abs. 1 AufenthG bzw. der insoweit gleich lautenden Vorschrift des § 51 Abs. 1 AuslG vorlagen. In derartigen Fällen ist deshalb ebenfalls ein Fall außerhalb der Regel des § 28 Abs. 2 AsylVfG gegeben.

Im Gegensatz zur Auffassung des Bundesamtes verstößt das auch nicht gegen den Grundsatz, dass bei Verpflichtungsklagen auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung abzustellen ist, was im vorliegenden Verfahren wie eingangs ausgeführt, auch aus § 77 AsylVfG zu entnehmen ist. Das Gericht wendet vielmehr vorliegend § 28 Abs. 2 AsylVfG an, kommt nur bei der Beurteilung, ob dessen Voraussetzungen vorliegen, für einen bestimmten Teilbereich der Fälle aus früherer Zeit zu dem Ergebnis, dass diese von § 28 Abs. 2 AsylVfG nicht erfasst werden.