Eine Ordnungsverfügung zur Konkretisierung und zwangsweisen Durchsetzung von Mitwirkungspflichten bei der Passbeschaffung, die auf Grundlage des Mustertextes des Erlasses des IM NRW vom 24.3.2003 (7 S., M3471) erlassen worden ist, ist rechtswidrig (Das VG setzt sich ausführlich mit den verschiedenen Punkten der Ordnungsverfügung auseinander und hält diese im Ergebnis für rechtswidrig).(Leitsatz der Redaktion)
Ausweislich eines Aktenvermerks des Antragsgegners (Bl. 33 der Beiakten) weigerte sich die Antragstellerin bereits im Asylverfahren, sich mit Kopftuch fotografieren zu lassen. Weitere Aktenblätter in arabischer Schrift tragen den Stempel "Mitarbeit verweigert". Laut weiteren Aktenvermerks vom 16. Mai 2003 verweigerte die Antragstellerin an diesem Tag gegenüber dem Antragsgegner das Ausfüllen eines Antrags zur Beschaffung von Passersatzpapieren.
Die darauf hin erlassene Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 6. Juni 2003 enthält folgenden Tenor:
"1. Sie sind gemäß § 40 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG) vom 09. 07. 1990 (BGBl. I S. 1354) in der zurzeit gültigen Fassung bzw. gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) in der Fassung vom 27. 06. 1993 (BGBl. I S 1361) verpflichtet, der Ausländerbehörde T1 einen gültigen Pass bzw. Passersatz vorzulegen. Sie werden hiermit aufgefordert, dieser Vorlagepflicht bis zum 07.07.2003 nachzukommen.
2. Sollten Sie über ein solches Dokument nicht verfügen, wird hiermit gemäß § 70 Abs. 4 Satz 1 AuslG in Verbindung mit § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG angeordnet, dass Sie sofort nach Zustellung dieser Verfügung bei der zuständigen konsularischen Vertretung ihres Heimatlandes, dem Generalkonsulat der Botschaft der Islamischen Republik Iran, Eichendorffstr. 54, 60320 Frankfurt/Main, während der Geschäftszeiten persönlich vorsprechen und einen zur Rückkehr in Ihre Heimat berechtigenden Pass bzw. Passersatz (Heimreisedokument) beantragen. Das ausgestellte Heimreisedokument ist noch in der unter Ziffer 1 genannten Frist der Ausländerbehörde zu übergeben.
3. Für den Fall, dass Sie binnen der genannten Frist der Ausländerbehörde weder ein Heimreisedokument noch einen von Botschaft bestätigten Nachweis beibringen, dass Sie dort persönlich vorgesprochen und ein Heimreisedokument beantragt haben, wird Ihnen gemäß § 70 Nr. 4 Satz 2 AuslG die zwangsweise Vorführung bei der Botschaft bzw. dem Konsulat Ihres angegebenen Heimatstaates angedroht. Die Vorführungsandrohung erstreckt sich örtlich auch auf die Möglichkeit, mit den diplomatischen Vertretern ihres Heimatstaates außerhalb des Vertretungssitzes einen Termin an anderen Ort in Nordrhein-Westfalen oder in anderen Bundesländern wahrzunehmen.
4. Sollten Sie den aus Ziffern 1 und 2 resultierenden Pflichten nicht nachkommen, wird Ihnen auferlegt, bei der Ausländerbehörde T1 alle von der konsularischen Vertretung ihres Heimatstaates geforderten Unterlagen und Prüfungsmittel für die Ausstellung eines Reisedokumentes (ausgefüllter Passersatzpapierantrag (s. Anlage), vier Passbilder - angefertigt mit Kopfbedeckung - sowie alle ggf. in Ihrem Besitz befindlichen iranischen Originaldokumente) bis zum 07. 07. 2003 vorzulegen. Die Beschaffung eines Heimreisedokumentes wird andernfalls von Amts wegen betrieben.
In diesem Zusammenhang wird Ihnen die Duldung ggf. notwendiger Maßnahmen erkennungsdienstlicher Art (z.B. Fotos in der von der ausländischen Mission geforderten Form, Fingerabdrücke) auferlegt, die zur Identifizierung und Passbeschaffung notwendig sind oder hierzu beitragen können. Bei nicht freiwilliger Erfüllung oder fristgerecht erklärter Duldung der Maßnahmen wird Ihnen nach Ablauf der o.g. Frist die zwangsweise Durchführung der erforderlichen Maßnahmen angedroht.
5. Für den Fall, dass die Vertretung Ihres angeblichen Heimatstaates die Ausstellung eines Heimreisedokumentes ablehnt, weil Sie nicht dessen Staatsangehörigkeit besitzen oder die Staatsangehörigkeit zumindest nicht zweifellos angenommen werden kann, wird Ihnen die zwangsweise Vorführung bei Vertretungen weiterer Staaten - auch in Aussenterminen - deren Staatsangehörigkeit Sie vermutlich besitzen können, angedroht.
Ziffer 4 der Verfügung gilt entsprechend auch für die Beweiserhebung und -führung im
Verhältnis zu anderen Staaten.
6. Gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vom 21.01.1960 i.d. F. der Bekanntgabe vom 19.03.1991 (BGBl. I S 686) wird die sofortige Vollziehung der Verfügung zu Ziffer 3 bis 5 angeordnet."
1. Der sinngemäße Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung analog § 80 Abs. 5 VwGO wegen einer drohenden faktischen Vollziehung durch den Antragsgegner ist bezüglich der in Ziffer 1 und Ziffer 2 getroffenen Anordnungen in der Ordnungsverfügung vom 6. Juni 2003 zulässig und begründet.
1.2 Der Antrag ist begründet, da dem Widerspruch der Antragstellerin vom 2. Juli 2003 gegen die in den Ziffern 1 und 2 der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 6. Juni 2003 enthaltenen Regelungen aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 1 VwGO zukommt.
Dieser Verwaltungsakt ist nicht bereits kraft gesetzlicher Regelung sofort vollziehbar. Es fehlt auch an einer behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der Ziffer 6 der Verfügung wird die sofortige Vollziehbarkeit ausschließlich für die Regelungen der Ziffern 3 bis 5 - und nicht für die hier in Frage stehende(n) Regelung(en) der Ziffer 1 - angeordnet.
2. Soweit sich der Antrag auf die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung bzgl. der in den Ziffern 3 bis 5 der Ordnungsverfügung enthaltenen Regelungen richtet, hat er ebenfalls Erfolg.
Durch die genannten Regelungen sollen die in den Ziffern 1 und 2 enthaltenen Verpflichtungen zwangsweise durchgesetzt werden.
Da diese jedoch - wie unter 1. dargelegt - durch die Erhebung des Widerspruchs suspendiert worden sind, besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der an die Nichterfüllung dieser Verpflichtungen anknüpfenden bzw. durch sie bedingten weiteren Regelungen.
3. Die unter Verwendung einer Musterverfügung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. März 2003 (14.1 /VI 2.3) ergangene Ordnungsverfügung begegnet weiteren rechtlichen Bedenken.
3.1. Soweit Ziffer 1 Satz 2 der Ordnungsverfügung zur Erfüllung der Passvorlageverpflichtung auffordert, konkretisiert diese Regelung die bereits auf Grund der § 40 Abs. 1 AuslG bzw. § 15 Abs. 2 Nr. 4 AsylVfG bestehende Pflicht, einen gültigen Nationalpass, Passersatz oder Ausweisersatz zu besitzen und auf Verlangen der Ausländerbehörde vorzulegen und wandelt die allgemeine und damit jeden Ausländer treffende gesetzliche Verpflichtung zu einer individuellen Verpflichtung. Zudem konkretisiert sie diese auf die Vorlage des Passes oder Passersatzpapiers an eine bestimmte Ausländerbehörde. Dazu bedarf der Antragsgegner einer Ermächtigungsgrundlage bzw. Verwaltungsaktsbefugnis, die dem AuslG nicht zu entnehmen ist.
Nach Auffassung des Gerichts ergibt sich die Befugnis, die öffentlich-rechtliche Passpflicht im Falle der Nichtbefolgung mit dem Instrument des Verwaltungsaktes zu konkretisieren, aktualisieren und der Vollstreckbarkeit zuzuführen, aus der gefahrenabwehrrechtlichen Generalermächtigung des § 14 Abs. 1 OBG (vgl. auch dazu Beschluss vom 19. November 1999 - 24 L 3441/99 -; dort auch zu den Gegenmeinungen; ferner Beschlüsse des Gerichts vom 15. August 2000 - 24 L 2482/00 - 7 vom 5. März 2001 - 24 L 89/01 -; vom 10. Januar 2003 - 24 L 4859/02 -; vom 19. März 2003 - 24 L 367/03 -; vom 16. Juli 2003 - 24 L 2404/03 -; vom 11. November 2002 - 24 L 2529/02 -, InfAuslR 2003, 63 ff.; der Bay. VGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - 10 B 99.3200 -, NVwZ Beil. 11/2001, S. 4, 5, sieht hingegen wohl auch die VA-Befugnis in § 40 Abs. 1 AuslG verankert).
Der Rückgriff auf § 14 OBG hätte jedoch - genauso wie bei einer Ableitung der Verwaltungsaktsbefugnis aus § 40 Abs. 1 AuslG - einer individuellen Begründung dafür bedurft, warum der Erlass eines - die bereits bestehende allgemeine gesetzliche Verpflichtung konkretisierenden - Verwaltungsaktes erforderlich war. Eine solche behördliche Entscheidung über die Individualisierung der gesetzlichen Pflicht wäre als Ermessensentscheidung zu treffen gewesen und hätte in der Begründung auf das individuelle Vorverhalten und damit auf die Notwendigkeit einer späteren Vollstreckung Bezug nehmen müssen (vgl. dazu auch Bay.VGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - 10 B 99.3200 -, NVwZ Beil. 11/2001, S. 5).
3.2 Soweit Ziffer 2 Satz 1 die persönliche Vorsprache und die Antragstellung der Antragstellerin verlangt, kann lediglich die in der Verpflichtung zur Vorsprache mitenthaltene Aufforderung, bei der konsularischen Vertretung des Heimatstaates persönlich zu erscheinen (= Vorladung, vgl. § 10 Abs. 1 PolG), auf § 70 Abs. 4 Satz 1 AuslG gestützt werden.
Eine sofortige Erfüllung der Verpflichtung ist jedoch weder in § 70 Abs. 4 Satz 1 AuslG noch in § 70 Abs. 1 Satz 1 AuslG vorgesehen. Die dem Ausländer obliegenden Mitwirkungspflichten sind danach "unverzüglich" zu erfüllen (zu der Unterscheidung zwischen einer sofortigen und einer unverzüglichen Mitwirkung vgl. auch Renner, Ausländerrecht - Kommentar, 7. Auflage, 1999, § 70 Rn. 5).
Die weiter gehende Verpflichtung dort vorzusprechen, ergibt sich aus dem Wortlaut des § 70 Abs. 4 Satz 1 AuslG nicht. Soweit mit dem Terminus "vorsprechen" mehr als ein persönliches Erscheinen des Ausländers gemeint ist, bleibt offen, auf welche Ermächtigungsgrundlage sich dieses stützen könnte.
3.3 Soweit der Antragsgegner der Antragstellerin in Ziffer 3 Satz 1 für den Fall, dass sie binnen der genannten Frist der Ausländerbehörde weder ein Heimreisedokument noch einen von der Botschaft bestätigten Nachweis über die persönliche Vorsprache und die Beantragung eines Heimreisedokuments beibringe, "gemäß § 70 Nr. 4 Satz 2 AuslG die zwangsweise Vorführung bei der Botschaft bzw. dem Konsulat Ihres angegebenen Heimatstaates" androht, erscheint zunächst einmal fraglich, ob die zwangsweise Vorführung der Antragstellerin an die dort genannten Bedingungen geknüpft werden darf.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Vorführung bei einer entfernt gelegenen Botschaft um eine Freiheitsentziehung im Sinne der § 40 Abs. 1 BGSG i.V. m. §§ 1, 2 Freiheitsentziehungsgesetz (FeVG) handeln kann.
3.4 Die in Ziffer 4 Satz 1 der Ordnungsverfügung getroffene Anordnung erscheint zu unbestimmt ( § 37 VwVfG). Der Antragstellerin drohen nach der Formulierung dieser Regelung die aufgezeigten Konsequenzen, soweit sie nicht kumulativ alle in den Ziffer 1 und 2 der Verfügung aufgeführten Verpflichtungen erfüllt. Sobald also eine der Pflichten nicht erfüllt wird, könnte dies bedeuten, dass die aufgezeigten weiteren Folgen eintreten sollen. Die vom Antragsteller gewählte Formulierung ist daher zumindest mehrdeutig und lässt die Antragstellerin darüber im Unklaren, welche Voraussetzungen sie erfüllen muss, um die angedrohten Konsequenzen zu vermeiden.
Zudem ist zweifelhaft, auf welche Ermächtigungsgrundlage sich die verschiedenen Vorlageverpflichtungen stützen. Der Rückgriff auf die Generalermächtigung des § 14 OBG würde zunächst das Bestehen einer allgemeinen gesetzlichen Verpflichtung bzgl. des abverlangten Handelns voraussetzen.