OVG Nordrhein-Westfalen

Merkliste
Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.10.2005 - 13 A 3802/05.A - asyl.net: M7609
https://www.asyl.net/rsdb/M7609
Leitsatz:
Schlagwörter: Nichtbetreiben des Verfahrens, Fortsetzungsantrag, Verwirkung, Prozessbevollmächtigte, Verschulden, Zurechenbarkeit
Normen: AsylVfG § 81
Auszüge:

Die mit dem Zulassungsantrag geltend gemachten Rügen der Abweichung des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bzw. eines Verfahrensfehlers, insbesondere der Verletzung des Grundrechts aus Art. 19 Abs. 4 GG, greifen nicht durch und bedürfen keiner weiteren Ausführungen, weil der zugrundeliegende Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, auf den sich das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. September 2005 bezieht, wegen Verwirkung unzulässig ist.

In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass es gerechtfertigt ist, bei bestimmten Umständen die Anrufung eines Gerichts nach langer Zeit als verwirkt und als unzulässig anzusehen.

Als Zeitraum, nach dessen Ablauf von der Unzulässigkeit eines Rechtsmittels auszugehen ist, wird üblicherweise eine Frist von einem Jahr nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung angenommen, die beispielsweise auch in §§ 58 Abs. 2, 60 Abs. 3 VwGO genannt ist (vgl. Kopp/Schenke/VwGO, 14. Aufl., § 74 Rdnr. 20; GK-AsylVfG, Stand: September 2005, § 81 Rdnr. 174 f.).

Diese Erwägungen zur Rechtssicherheit gelten in besonderem Maße auch für Verfahren der vorliegenden Art, weil asylverfahrensrechtliche Streitigkeiten im Interesse der Beteiligten generell auf eine zügige abschließende Entscheidung dazu, ob eine Asylberechtigung zu bejahen ist oder Abschiebungshindernisse bestehen, ausgelegt sind und speziell auch der § 81 AsylVfG, von dem das Verwaltungsgericht Gebrauch gemacht hat, dem Zweck einer schnellen abschließenden Asylentscheidung dient.

Nach diesen Kriterien war/ist der Antrag des Klägers auf Fortführung des Verfahrens vom 25. Mai 2005, der am letzten Mai-Wochenende 2005 beim Verwaltungsgericht Köln eingegangen ist, wegen Verwirkung unzulässig, auch wenn der nach einer Verfahrensbeendigung nach § 81 AsylVfG zu stellende Fortsetzungsantrag grundsätzlich an keine Frist gebunden ist. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 18. Februar 2004, dass das Verfahren nach § 81 AsylVfG erledigt ist, ging dem Prozessbevollmächtigten des Klägers nach eigenem Bekunden am 2. März 2004 zu. Als in Asylverfahren versierter Anwalt hätte dieser erkennen können und müssen, dass nach der gesetzlichen Beendigungsfiktion für das Verfahren eine relativ kurzfristige Reaktion geboten war, um die Fortsetzung des Verfahrens zu erreichen und die Wirkung der Rücknahmefiktion nicht zum Tragen kommen zu lassen. Zwar reicht regelmäßig ein bloßer Zeitablauf für die Annahme der Verwirkung eines Rechtsmittels nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Januar 1972 - 2 BvR 255/67 -, a. a. O.).

Zu bedenken ist aber, dass mit dem Bescheid des (früheren) Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 20. November 2002, auf den sich die Klage des Klägers vom 27. November 2002 bezog, die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und eine Abänderung des Bundesamtsbescheids vom 24. Juli 2000 zu § 53 AuslG abgelehnt worden war, und dass auch im Interesse des Klägers irgendwann Rechtssicherheit in Gestalt eines endgültigen Abschlusses des Verfahrens bestehen musste. Vor diesem Hintergrund war es daher für den Kläger bzw. seinen Prozessbevollmächtigten, dessen Verschulden sich der Kläger gemäß §§ 173 VwGO, 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. April 1982 - 2 BvL 26/81 -, a. a. O.), vernünftigerweise geboten, zur Wahrung des vermeintlichen Asylanspruchs bzw. zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses (heute: Abschiebungsverbots) gegen die fiktive Verfahrensbeendigung vorzugehen und nicht über mehrere Monate hinweg untätig zu bleiben. Angesichts dieser Umstände ist die Stellung des Antrags auf Fortsetzung des Verfahrens ca. 1 1/4 Jahre nach dem Bekanntwerden der Verfahrensbeendigung auf Grund der gesetzlichen Rücknahmefiktion nach § 81 AsylVfG offenbar wesentlich von dem Bestreben getragen, eine abschließende Asylentscheidung zu verzögern und Zeit zu gewinnen, und daher als missbräuchlich anzusehen.