VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 22.11.2005 - 5 K 19/05.A - asyl.net: M7610
https://www.asyl.net/rsdb/M7610
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für iranische Staatsangehörige wegen Planung und Durchführung einer Demonstration.

 

Schlagwörter: Iran, Demonstrationen, Glaubwürdigkeit, Drittstaatenregelung, Luftweg, Studenten, Strafverfahren, Festnahme
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 26a
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für iranische Staatsangehörige wegen Planung und Durchführung einer Demonstration.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Kläger haben Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Deshalb haben die Kläger glaubhaft gemacht, dass sie ihre Heimat verlassen haben, nachdem sie zuletzt an einer Demonstration am 05.10.2002 teilgenommen hatten, mit der die Herrschaft der Schriftgelehrten und des Revolutionsführers in Frage gestellt wurde und die von den Sicherheitskräften aufgelöst wurde, wobei viele Teilnehmer und Freunde der Klägerin festgenommen wurden und nachdem ihre Wohnung in der Folge durchsucht und nach ihnen gefahndet wurde. Damit haben sie den Iran aus begründeter Furcht vor politischer Verfolgung verlassen.

Denn eine nach außen wirksame aktive politische Betätigung, die erkennbar den Sturz des Regimes oder des islamischen Systems zum Ziel hat, wird im Iran mit strafrechtlichen Maßnahmen strikt verfolgt. Als Begründung für diese Maßnahmen werden die Art. 183 bis 196 des iran. StGB herangezogen, die die "Feindschaft gegen Gott" ("Mohareb") und die "Korruption (Verderben schaffen) auf Erden" ("Mofzed bil Arz") bestrafen (Lagebericht des AA vom 29.08.2005, S. 15). Für Personen, deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solche - insbesondere das Prinzip der "Herrschaft der Rechtsgelehrten" - richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten, besteht das Risiko, wegen Spionage belangt zu werden (Lagebericht des AA vom 29.08.2005, S. 16).

Die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verurteilung der Kläger nach diesen Bestimmung liegen an sich nicht vor, weil jedenfalls die Art. 183 und 186 iran. StGB erfordern, dass der Kampf gegen das System "bewaffnet" geführt werden muss, was vorliegend für die Kläger nicht festgestellt werden kann. Auch haben die Kläger vor ihrer Ausreise keine intensiven Auslandskontakte unterhalten. Allerdings erheben die Gerichte in der Praxis bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten, z.B. Spionage für das Ausland, Sexualdelikte, Korruption. Oft sind die Strafen in Bezug auf die vorgeworfene Tat unverhältnismäßig (Lagebericht des AA vom 29.08.2005, S. 21).

Diese den Klägern drohenden asylerheblichen Maßnahmen knüpfen an deren politische Überzeugung an. Da eine Wiederholung dieser Gefahr für den Fall ihrer Rückkehr in den Iran nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist, liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG bei beiden vor.