VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 22.11.2005 - 22 K 720/04.A - asyl.net: M7621
https://www.asyl.net/rsdb/M7621
Leitsatz:

§ 60 Abs. 7 AufenthG wegen posttraumatischer Belastungsstörung, da die im Einzelfall zur Vermeidung einer Gesundheitsverschlechterung erforderliche Gesprächstherapie im Kosovo nicht zur Verfügung steht.

 

Schlagwörter: Serbien und Montenegro, Kosovo, Krankheit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, medizinische Versorgung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

§ 60 Abs. 7 AufenthG wegen posttraumatischer Belastungsstörung, da die im Einzelfall zur Vermeidung einer Gesundheitsverschlechterung erforderliche Gesprächstherapie im Kosovo nicht zur Verfügung steht.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Klägerin. hat einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG.

Die Klägerin leidet aufgrund der geschilderten Erlebnisse und Vorkommnisse im Kosovo an einer chronifizierten Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), verbunden mit einer depressiven Begleitsymptomatik, starken Angststörungen und Suizidgedanken und -wünschen.

Der Gutachter nimmt bei einer Rückkehr der Klägerin und Nichtdurchführung einer Psychotherapie durch eine Therapeutin eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes an. Die nach Auffassung der Kammer im Kosovo mögliche Behandlung mit Medikamenten und supportiven Gesprächen hält er für ungeeignet, um dieser Verschlechterung zu begegnen.

Im Kosovo ist die erforderliche psychotherapeutische Behandlung nach der neuesten Auskunftslage jedenfalls zur Zeit nicht gewährleistet. Dies ergibt sich aus dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 4. November 2004 und der Auskunft von UNMIK "Zur Erreichbarkeit angemessener medizinischer Versorgung zur Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen im Kosovo" vom Januar 2005. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes werden Posttraumatische Behandlungsstörungen [sic!] im öffentlichen Gesundheitswesen in der Regel rein medikamentös behandelt. Zwar gebe es einzelne privat praktizierende Fachärzte für Psychiatrie, die Posttraumatische Belastungsstörungen auch durch andere Behandlungsformen zu therapieren in der Lage seien. Die Behandlungsplätze seien jedoch sehr begrenzt. Die Kosten müsse der Patient selbst tragen, was angesichts der prekären Einkommenssituation für viele sehr schwierig sei. Ähnlich sieht UNMIK die Lage im Kosovo. Eine angemessene Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen sei im öffentlichen Gesundheitswesen nicht gewährleistet. Auch auf der zweiten Stufe des Gesundheitssystems; der der Nichtregierungsorganisationen, erwiesen sich die Institutionen als unzureichend, was ihre Eignung zur Behandlung von Personen mit Posttraumatischen Belastungsstörungen angehe. Die Nichtregierungsorganisationen seien gezwungen, die Versorgung mit psychologisch ungeschultem Personal oder wenig qualifiziertem sonstigem Personal zu gewährleisten. Zwar verfüge die größte Nichtregierungsorganisation über vier Psychiater in Teilzeitbeschäftigung und einen Psychologen. Sie arbeite jedoch an sieben Standorten, an denen jeweils die Versorgung von 300.000 Einwohnern sicherzustellen sei. Die erforderliche Behandlung von Posttraumatischen Belastungsstörungen sei deshalb für die Mehrheit der Betroffenen nicht verfügbar. Die Betroffenen seien nicht in der Lage, psychotherapeutische oder verhaltenstherapeutische Behandlung zu erlangen, selbst wenn sie über ausreichende finanzielle Mittel zum Erwerb von Medikamenten verfügen.

Danach ist zwar eine medikamentöse Behandlung psychisch Kranker möglich. Wo sie ausreicht, um eine wesentliche Verschlechterung des Gesundheitszustandes zu verhindern, ist eine Abschiebung möglich (vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 16. Dezember 2004 - 13 A 1140/04 - und vom 30. Dezember 2004 - 13 A 1250/04).

Anders liegt der Fall der Klägerin. Bei ihr käme es ohne gesicherte psychotherapeutische Behandlung bei einer Rückkehr in den Kosovo zu erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Eine derartige Behandlung ist aber nach der dargelegten übereinstimmenden Auffassung des Auswärtigen Amtes und vor UNMIK nicht gesichert. Hinzu kommt, dass bei der Klägerin nach Auffassung des Gutachters nicht damit zu rechnen ist, dass bei einer Rückkehr in den Kosovo bei ihr das für die Vermeidung der wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes erforderliche Sicherheitsgefühl entstehen kann.