VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 04.10.2005 - 2 K 4550/04.A - asyl.net: M7646
https://www.asyl.net/rsdb/M7646
Leitsatz:
Schlagwörter: Iran, Glaubwürdigkeit, Nachfluchtgründe, exilpolitische Betätigung, Überwachung im Aufnahmeland, Mitglieder, SPI, Socialist Party of Iran
Normen: GG Art. 16a; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die Klage hat keinen Erfolg.

Einer Anerkennung als Asylberechtigter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG steht bereits entgegen, dass er sich wegen der Einreise aus einem so genannten "sicheren Drittstaat" nicht auf das Recht auf Asyl berufen kann.

Einer Anerkennung als asylberechtigt steht darüber hinaus entgegen, dass der Kläger den Iran nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auf Grund politischer Verfolgung verlassen und sich auch nach seiner Ausreise nicht in asylerheblicher Weise exilpolitisch betätigt hat.

Für die Annahme einer Verfolgung im Fall der Rückkehr reicht nicht jede öffentlich zur Schau getragene Kritik, sondern nur ein nach außen hin in exponierter Weise für eine regimefeindliche Organisation erfolgtes Auftreten aus. Ausgangspunkt für die hiernach notwendige Differenzierung zwischen unbeachtlicher, öffentlich zur Schau getragener Kritik einerseits und beachtlichem exponiertem Auftreten in der Öffentlichkeit für eine regimefeindliche Organisation andererseits bildet die Erkenntnis, dass der iranische Geheimdienst in der Bundesrepublik Deutschland die regimefeindlichen/regimekritischen Aktivitäten iranischer (Exil-)Organisationen intensiv beobachtet und sich bemüht, die Mitglieder und/oder Anhänger dieser Organisationen sowie die Teilnehmer von Demonstrationen oder sonstigen öffentlichen Aktionen zu fotografieren und zu erfassen (Bundesamt für Verfassungsschutz, Auskunft an das VG Leipzig vom 23. August 2000; Auswärtiges Amt, Auskunft an das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht vom 28. Januar 2003; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 27. August 2003 "Prozess wegen Spionage für Iran - Ehemaliger Vize-Konsul informierte Teheran über Oppositionelle").

Dies schließt es von vorneherein aus, der - üblichen - Mitgliedschaft iranischer Asylsuchender in Exilorganisationen von im Iran verbotenen oppositionellen Parteien, der Teilnahme an Veranstaltungen dieser Organisationen, der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen und das hierbei übliche Tragen von Plakaten und sowie Rufen von Parolen, der Teilnahme an sonstigen regimekritischen Veranstaltungen, der - ebenfalls typischen - Betreuung von Büchertischen und dem Verteilen von Informations- und Propagandamaterial in Fußgängerzonen eine Bedeutung für die Feststellung einer Verfolgungsgefahr beizumessen. Hieran ändert auch die mehrfache Teilnahme an Demonstrationen nichts, da die Erhöhung der Quantität niedrig profilierter Tätigkeiten allein nicht zu einer Qualitätsänderung der Gesamtaktivität führt. Gerade der, der über einen längeren Zeitraum im Rahmen zahlreicher Veranstaltungsteilnahmen nach außen hin deutlich macht, dass er lediglich "dabei ist", liefert gegenüber dem iranischen Nachrichtendienst den Beweis, dass von ihm allenfalls Unzufriedenheit, nicht aber - gegebenenfalls im Zusammenwirken mit anderen - eine ernst zu nehmende Gefahr für das Mullah- Regime in Teheran ausgeht.

Dies gilt auch für Aktivitäten, die der Kläger für die SPI (Socialist Party of Iran) ausgeübt hat. Bei dieser Gruppierung handelt es sich um eine im Exil gegründete, linksextremistische Oppositionsgruppe, die aus dem Comitee for the Defence of Struggle hervorgegangen ist, aber noch nicht lange existiert. Sie hat aber im Iran selbst überhaupt keine Relevanz und ist daher eine reine Exilangelegenheit. Auch kommt ihr keinerlei Bedeutung innerhalb des iranischen exiloppositionellen Spektrums zu. Daher besteht keine Gefährdung von Personen, die sich für diese Partei innerhalb des oben geschilderten Rahmens exilpoitisch betätigen, soweit sie dies nicht an exponierter Stelle tun (vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Institutes vom 16. August 2004, Az. 522 i/br).

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass es am 17. Juni 2003 einen Übergriff auf das Hamburger Konsulat des Iran gegeben hat, welcher der SPI zugeschrieben wird. Zwar dürfte eine Gefährdung derjenigen Personen bestehen, die seinerzeit an diesen Übergriffen als Täter oder Drahtzieher beteiligt waren (vgl. Gutachten des Deutschen Orient-Institutes vom 16. August 2004, a.a.O., Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz vom 3. Februar 2004, Az. 4C23-280-S-460 069; Gutachten der Universität Mainz vom 30. August 2004).

Dies ist jedoch beim Kläger nicht der Fall, da er erst nach dem Übergriff vom 17. Juni 2003, nämlich am 21. September 2003, eingereist ist. Eine besondere Gefährdung seiner Person wegen des von anderen verübten Übergriffs besteht nicht.