OLG Hamm

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Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 04.10.2005 - 15 W 375/05 - asyl.net: M7647
https://www.asyl.net/rsdb/M7647
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftverlängerung, Sechs-Monats-Frist, Abschiebungshindernis, Vertretenmüssen, Passbeschaffung, Auslandsvertretung, Täuschung, Kausalzusammenhang, Türkei, Türken
Normen: AufenthG § 62 Abs. 3 S. 2; WienKoÜbk Art. 36 Abs. 1 lit.a
Auszüge:

In der Sache ist die weitere Beschwerde begründet, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht, § 27 FGG.

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Haftgrund des § 62 Abs.2 S.1 Nr.5 AufenthG bejaht. Da die sofortige weitere Beschwerde insoweit keine Rügen erhebt, sieht der Senat von einer weiteren Begründung in diesem Punkt ab.

Das Landgericht ist weiter davon ausgegangen, dass § 62 Abs.3 S.2 AufenthG einer Verlängerung der Haft über 6 Monate hinaus nicht entgegen steht, da der Betroffene seine Abschiebung verhindere.

Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Ein Verhindern im Sinne des § 62 Abs.3 S.2 AufenthG ist, wie vom Landgericht nicht verkannt, anzunehmen, wenn ein von dem Ausländer zu vertretendes Handeln oder (pflichtwidriges) Unterlassen vorliegt, das ursächlich für die Nichtdurchführbarkeit der Abschiebung ist. Insoweit ist jedoch weitestgehend anerkannt, dass ein Verhindern im Sinne des Gesetzes grundsätzlich nicht in der Wahrnehmung förmlicher Rechtspositionen gesehen werden kann, also in der Stellung von Anträgen, Klageerhebungen o.ä. (vgl. OLG Frankfurt/M. OLGZ 1994, 509, 511 m.w.N.). Die Kontaktaufnahme zur eigenen Auslandsvertretung und die Kommunikation mit ihr ist ein derartiges Recht, da sie in Art.36 Abs.1 lit.a) WienKoÜbk ausdrücklich gewährleistet ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann ein Verhindern daher nicht schon darin gesehen werden, dass der Betroffene sich mit dem Generalkonsulat in Verbindung gesetzt und hiermit möglicherweise eine der Ursachen für dessen Verfahrensweise gesetzt hat. Dies gilt auch dann, wenn die Verfahrensweise des Generalkonsulats fragwürdig sein mag.

Eine Zurückverweisung der Sache an das Landgericht kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Sache aus anderen Gründen zur Entscheidung reif ist. Voraussetzung für die Verlängerung der Haft über sechs Monate hinaus ist nämlich, dass das Verhalten des Ausländers für das Unterbleiben der Abschiebung ursächlich bleibt. Hieran fehlt es, wenn weitere Umstände hinzutreten, die unabhängig von dem Verhalten des Betroffenen die Durchführung der Abschiebung verhindern (KG InfAuslGR 2005, 112f). Von einer derartigen Konstellation muss hier -bezogen auf den Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung- ausgegangen werden.

Der Beteiligte zu 2) hat selbst dargelegt, dass sich das Generalkonsulat nunmehr weigert, dem Betroffenen Papiere ohne eine vorhergehende Entscheidung des zuständigen Ministeriums der Türkei auszustellen. Dass diese Haltung noch durch eine mögliche Täuschung des Betroffenen hinsichtlich der Rechtsfolgen der von ihm nach deutschem Recht erhobenen Rechtsbehelfe beeinflusst ist, lässt sich nicht feststellen. Vielmehr sprechen der Vortrag des Beteiligten zu 2) hinsichtlich des Kontakts zwischen den deutschen Behörden und dem Generalkonsulat, die vorliegende Korrespondenz sowie die Art der von den türkischen Behörden angeforderten Unterlagen dafür, dass der türkischen Seite durchaus bewusst ist, dass die Ausreisepflicht des Betroffenen nach deutschem Recht vollziehbar ist. Insbesondere die Art der angeforderten Unterlagen legt den Schluss nahe, dass die türkischen Behörden überprüfen wollen, ob die Entscheidungen der deutschen Behörden und Gerichte den Anforderungen entsprechen, die der EuGH (NVwZ 2000, 1029) aus Art. 14 des Assoziationsratsbeschlusses EWG-Türkei Nr.1/80 hergeleitet hat. Da sich der Betroffene ein derartiges Verhalten der türkischen Behörden nicht zurechnen lassen muss, bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die türkische Seite hierdurch gegen ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen gegenüber der Bundesrepublik Deutschland (etwa gegen Sinn und Zweck des Art.7 S.2 des Niederlassungsabkommens vom 25.06.1927) verstößt.