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VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 21.09.2005 - 6 K 4323/04.A - asyl.net: M7650
https://www.asyl.net/rsdb/M7650
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Kabul, nichtstaatliche Verfolgung, Abschiebungshindernis, Krankheit, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, psychische Erkrankung, posttraumatische Belastungsstörung, fachärztliche Stellungnahmen, Glaubwürdigkeit, Suizidgefahr, allgemeine Gefahr, extreme Gefahrenlage, Versorgungslage
Normen: GG Art. 16a Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Der Kläger hat nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch aus Art. 16 a Abs. 1 Grundgesetz (GG) auf die von ihm begehrte Anerkennung als Asylberechtigter, weil er nicht politisch Verfolgter im Sinne dieser Vorschrift ist, sodass er insoweit durch die ablehnende Entscheidung des Bundesamtes nicht in seinen Rechten verletzt wird (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Als staatliche oder quasi-staatliche Herrschaftsgewalt im Raum Kabul (vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 20. März 2003 - 20 A 4329/97.A -; so auch Hess. VGH, Urteile vom 10. Februar 2005 - 8 UE 642/02.A - und - 8 UE 185/02.A -, der eine staatliche bzw. quasi-staatliche Gebietsgewalt der afghanischen (Übergangs-) Regierung bejaht) kommt insoweit nur die durch die internationalen Streitkräfte (ISAF) gestützte Regierung unter dem Präsidenten Karzai in Betracht, in der alle wichtigen Volksgruppen Afghanistans vertreten sind (vgl. Lageberichte des Auswärtigen Amtes (AA) vom 6. August 2003, S. 6, 16, vom 22. April 2004, vom 3. November 2004 und vom 21. Juni 2005).

Für Aktivitäten dieser Regierung, die als politische Verfolgung anzusehen wären, gibt es keinerlei Anhaltspunkte (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juni 2004 - 20 A 1792/04.A -, amtlicher Umdruck S. 3).

Soweit die von dem Kläger geschilderten Drangsalierungen durch moslemische Jugendliche aus der Nachbarschaft in dem Stadtteil Kabuls, in dem der Kläger nach der Tötung seiner Eltern gewohnt haben will, als wahr unterstellt werden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Vielmehr ginge es insoweit um etwaige Repressalien seitens eines Teils der Bevölkerung, die der gegenwärtigen Regierung nicht zurechenbar wären, und damit keine im Falle der Rückkehr des Klägers in sein Heimatland diesem (unmittelbar) drohende politische Verfolgung. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger - sollten ihm tatsächlich insoweit Drangsalierungen drohen (was allerdings vor dem Hintergrund, dass es an konkreten Anhaltspunkten dafür fehlt, wie die Jugendlichen, von denen der Kläger nach seinem Vortrag Repressalien befürchtet, von einer etwaigen Rückkehr des Klägers nach Afghanistan erfahren sollen, unwahrscheinlich ist) - Hilfe in Kabul nicht erlangen könnte oder die Regierung Karzai nicht willens wäre, ihm Schutz zu gewähren, sind weder glaubhaft vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG in der Person des Klägers ist nicht festzustellen.

Die Gefahr, dass sich eine vorhandene Krankheit eines Asylklägers in seinem Heimatland verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind, kann zwar ein Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG begründen (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. September 1997 - 9 C 48.96 -, amtlicher Umdruck S. 7; BVerwG, Urteil vom 25. November 1997 - 9 C 58.96 -, Leitsatz 2 und amtlicher Umdruck S. 6, 8; BVerwG, Urteil vom 27. April 1998 - 9 C 13.97 -, 1. Satz des Leitsatzes und amtlicher Umdruck S. 6; BVerwG, Urteil vom 21. September 1999 - 9 C 8.99 -, amtlicher Umdruck S. 6/7 (jeweils zu § 53 Abs. 6 AuslG a.F.)).

Die insoweit von dem Kläger - zum Teil durch den ihn behandelnden Therapeuten - gemachten Angaben sind jedoch nicht geeignet, die hinreichend wahrscheinliche konkrete Gefahr einer mit Leibes- oder gar Lebensgefahr verbundenen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes auf Grund einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) anzunehmen.