LG Göttingen

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Zitieren als:
LG Göttingen, Beschluss vom 05.12.2005 - 11 T 15/05 - asyl.net: M7726
https://www.asyl.net/rsdb/M7726
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Festnahme, Untersuchungshaft, Haftbefehl, Richtervorbehalt, einstweilige Anordnung
Normen: FreihEntzG § 11
Auszüge:

II. Die Beschwerde hat bezogen auf die Hauptsache Erfolg. Die Freiheitsentziehung in der Zeit zwischen der Aufhebung des strafrechtlichen Untersuchungshaftbefehls und dem späteren Erlass der Abschiebungshaftanordnung war rechtswidrig, weil es an einer Rechtsgrundlage für die Freiheitsentziehung gefehlt hat.

1. Jede mit der Abschiebung in Zusammenhang stehende Freiheitsentziehung bedarf der vorherigen richterlichen Anordnung (OLG Braunschweig, Beschl. v. 25.10.2005 - 6 W 11/05; Beschl. v. 4.2.2004 - 6 W 32/03, abgedruckt in InfAuslR 2004, 166). Soll einem Ausländer die Freiheit allein auf Grund ausländerrechtlicher Regelungen entzogen werden, bedarf es für eine staatliche Freiheitsentziehung zumindest einer einstweiligen richterlichen Anordnung gem. § 11 FreihEntzG. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht eine einstweilige Freiheitsentziehung anordnen (hier: bis zur endgültigen Entscheidung über den Abschiebungshaftantrag), sofern dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Voraussetzungen für die Haftanordnung vorliegen, darüber aber nicht rechtzeitig entschieden werden kann. Auch eine einstweilige Anordnung bedarf allerdings grundsätzlich der vorherigen Anhörung des Be-troffenen; nur bei Gefahr im Verzug kann sie auch ohne Anhörung ergehen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 FreihEntzG).

An einer derartigen, durch Beschluss zu treffenden (§ 6 Abs. 1 FreihEntzG) einstweiligen Anordnung fehlt es hier jedoch. Ihre Voraussetzungen waren im vorliegenden Fall auch nicht gegeben. Eine einstweilige Anordnung im Sinne des § 11 FreihEntzG kommt nur dann in Betracht, wenn die sofortige Freiheitsentziehung geboten erscheint, jedoch hinzunehmende Gründe vorliegen, die einer endgültigen Entscheidung entgegenstehen. Ein hinzunehmender Grund lag hier jedoch nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, warum die Anhörung des Betroffenen durch den Abschiebungshaftrichter und die Entscheidung über den Haftantrag der Ausländerbehörde nicht spätestens vor Beginn der strafrechtlichen Haftverhandlung erfolgt sind.

2. Der Feststellungsantrag des Betroffenen ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt zurückzuweisen, dass das Amtsgericht nur formell fehlerhaft gehandelt, die Freiheitsentziehung aber nicht auf dem Verfahrensmangel (verspätete Anhörung und Haftentscheidung) beruht habe. Zwar hat das OLG Braunschweig in seinem Beschluss vom 25. Oktober 2005 - 6 W 11/05 (vorausgehend der Beschluss der Kammer vom 27. Juni 2005 - 11 T 10/05) entschieden, dass eine fehlerhafte Haftanordnung dann nicht auf den in Betracht kommenden Verfahrensmängeln beruht, wenn sich der Betroffene bei zutreffender Anwendung des formellen Rechts gleichermaßen in Gewahrsam befunden hätte. Davon ist vorliegend aber schon deshalb nicht auszugehen, weil der Amtsgericht seine Haftanordnung vom 21. Dezember 2004 später wieder mit der Begründung aufgehoben hat, die Ausländerbehörde habe es versäumt, schon während der Zeit der Untersuchungshaft Maßnahmen für die Beschaffung von Passersatzpapieren für den Betroffenen einzuleiten.