VG Braunschweig

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Zitieren als:
VG Braunschweig, Urteil vom 22.11.2005 - 7 A 417/04 - asyl.net: M7728
https://www.asyl.net/rsdb/M7728
Leitsatz:
Schlagwörter: Angola, FLEC, Sippenhaft, MPLA, Glaubwürdigkeit, Folteropfer
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Im Übrigen ist die Klage begründet, weil der Kläger gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich Angolas hat. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, weil der Kläger nach Überzeugung des Gerichts jeweils glaubhaft die langjährige und herausgehobene politische Betätigung seines ermordeten Vaters als FLEC-Repräsentant/-Funktionär dargestellt, die mehrjährige Drangsalierung zunächst seines Vaters, sodann anderer Familienangehöriger substantiiert geschildert und insbesondere in der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht die an diese politische Betätigung seines Vaters anknüpfende Ermordung seiner Eltern durch angolanische "Sicherheitskräfte", die dabei möglicherweise mit MPLA-Mitgliedern zusammenarbeiteten, detailliert beschrieben und damit insgesamt substantiiert hat.

Zudem finden die klägerischen Angaben in den am Körper des Klägers nachweislich vorhandenen Verletzungsspuren (vgl. die Fotos in dem zur Akte genommenen Umschlag; Bl. 42 der GA) eine weitere erhebliche Unterstützung.

Demnach hat bereits der Kläger selbst in Anknüpfung an die exponierte politische Betätigung seines Vaters massive Beeinträchtigungen seiner körperlichen Unversehrtheit wie auch seiner Freiheit erlitten. Bei Berücksichtigung der Ermordung der Eltern des Klägers sowie des bisher nicht weiter aufgeklärten "Verschwindens" der von angolanischen "Sicherheitskräften" festgenommenen Brüder des Klägers, noch dazu am Tag der Ermordung der Eltern des Klägers bzw. im unmittelbaren Anschluss danach, ist das Gericht davon überzeugt, dass der Kläger unter dem Gesichtspunkt der so genannten Sippenhaft im Falle seiner Rückkehr nach Angola mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einer erheblichen Gefährdung seiner durch § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG geschützten Rechtsgüter ausgesetzt wäre. Da zwischenzeitlich ferner ein Bruder des Klägers von angolanischen Amtswaltern bzw. ihnen faktisch nahe stehenden Personen (MPLA) getötet worden ist, geht das erkennende Gericht davon aus, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr, insbesondere seiner Abschiebung, nach Angola dort gleichermaßen einer Gefahr für seine körperliche Unversehrtheit und für sein Leben ausgesetzt wäre.

Soweit die Beklagte aus dem Gespräch zwischen dem untersuchenden Amtsarzt und dem Kläger einen Widerspruch herzuleiten versucht, ist ihr insoweit entgegenzuhalten, dass ausweislich der amtsärztlichen Protokollierung (Bl. 52 der GA) die Verständigung zwischen dem Amtsarzt und dem Kläger schon aus sprachlichen Gründen erschwert war. Jedenfalls ergeben sich daraus für das Gericht keine Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Schilderung des Klägers in ihrer Glaubhaftigkeit zu relativieren.