OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 08.11.2005 - 12 ME 397/05 - asyl.net: M7732
https://www.asyl.net/rsdb/M7732
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Duldung, Beschäftigung, Vertretenmüssen, Passlosigkeit, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, freiwillige Ausreise, Nebenbestimmungen, Auflage, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: BeschVerfV § 10; BeschVerfV § 11; AufenthG § 4 Abs. 3; AufenthG § 61 Abs. 1
Auszüge:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts, durch den dieses dem Begehren der Antragsteller, in Deutschland geduldeten pakistanischen Staatsangehörigen, entsprochen hat, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes vorläufig die rechtlichen Voraussetzungen für die Ausübung einer Beschäftigung sicherzustellen, bleibt ohne Erfolg.

Dabei besteht der Kern der Streitigkeit von vornherein lediglich in der Frage, ob den Antragstellern die begehrte Beschäftigungserlaubnis nach § 11 BeschVerfV zu versagen ist, weil bei ihnen aus von ihnen zu vertretenden Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 10 BeschVerfV (i.V.m. §§ 39 bis 41 AufenthG) vorliegen, insbesondere die Bundesagentur für Arbeit ihre Zustimmung hierzu unter dem 2. Februar 2005 für den Antragsteller zu 1. (Bl. 476 der Beiakte F) und unter dem 21. März 2005 für die Antragstellerin zu 2. (Bl. 358 der Beiakte H) erteilt hat (und deshalb hier auch nicht gemäß § 65 Abs. 2 VwGO zum Verfahren beizuladen ist), ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Auch hat die Antragsgegnerin in dem Eilverfahren gegenüber dem Verwaltungsgericht sinngemäß erklärt, sie übe das ihr nach § 10 BeschVerfV zustehende Erteilungsermessen dahingehend aus, dass die begehrten Beschäftigungserlaubnisse erteilt werden sollten, wenn ein Versagungsgrund im Sinne des § 11 BeschVerfV nicht durchgreife (vgl. den Vermerk auf Blatt 51 R der Gerichtsakte).

Für den derart eingegrenzten streitigen Sachverhalt ist zwar im Hinblick auf die von § 11 BeschVerfV vorausgesetzten Mitwirkungspflichten der betroffenen Ausländer unbestritten, dass diese alle für die Beseitigung einer Passlosigkeit erforderlichen und zumutbaren Handlungen vorzunehmen haben (vgl. nur: VG Karlsruhe, Beschl. v. 15.4.2005, a.a.O.; Stiegeler, Asylmagazin 6/2005, S. 7). Gleichwohl verhilft es der Beschwerde der Antragsgegnerin nicht zum Erfolg, wenn diese in der Begründung ihres Rechtsmittels geltend macht, die Antragsteller hätten während ihres gesamten 10-jährigen Aufenthaltes in Deutschland keine ausreichenden eigenen Bemühungen zur Beschaffung von pakistanischen Pässen unternommen und hätten dieses Verhalten auch aktuell - ungeachtet ihrer Mitwirkung bei der von der Antragsgegnerin in die Wege geleiteten Passersatzpapierbeschaffung - nicht geändert. Denn die Antragsgegnerin vernachlässigt dabei, dass das Verwaltungsgericht die grundsätzliche Mitwirkungsverpflichtung der betroffenen Ausländer im Hinblick auf eine Beschaffung von Pass- bzw. Passersatzpapieren nicht in Zweifel gezogen, sondern diese vielmehr ausdrücklich hervorgehoben hat (S. 9 BA).

Das Verwaltungsgericht hat nur für den konkreten Fall und für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes das Eingreifen eines Versagungsgrundes nach § 11 BeschVerfV wegen der Besonderheit verneint, dass den Antragstellern bereits im Dezember 2003 einmal auf Betreiben der Antragsgegnerin pakistanische Pässe ausgestellt worden waren und die Antragsteller auch in dem aktuell von der Antragsgegnerin betriebenen Passersatzpapierbeschaffungsverfahren die erforderlichen Mitwirkungshandlungen vorgenommen haben. Der Einwand der Antragsgegnerin, die Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren entbinde die Antragsteller nicht von der Verpflichtung zu eigenen zumutbaren Anstrengungen zur Beschaffung von Pässen, geht in dieser konkreten zur Entscheidung stehenden Fallgestaltung fehl. Denn dem Tatbestand des § 11 BeschVerfV unterfällt nur ein Verhalten, das die Abschiebung verhindert, auf die Möglichkeit bzw. die Voraussetzungen einer freiwilligen Ausreise kommt es anders als bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 5 AufenthG nicht an (VG Sigmaringen, Beschl., v. 25.8.2005 - 8 K 1287/05 -, Juris; Leineweber, InfAuslR 2005, 302, 305; Stiegeler, a.a.O., 7). Weiterhin ist für das Eilverfahren davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 11 BeschVerfV nur durch ein gegenwärtig an den Tag gelegtes schuldhaftes Mitwirkungspflichtversäumnis erfüllt werden, das kausal zu einem Abschiebungshindernis führt (in diesem Sinne: VG Sigmaringen, Beschl. v. 25.8.2005, a.a.O.; Leineweber, a.a.O., 304; Stiegeler, a.a.O., 7). In Anbetracht dessen sieht es der Senat hier als entscheidend an, dass die Antragsgegnerin nach dem aktuellen Verhalten der Antragsteller derzeit jedenfalls die Möglichkeit hat, Passersatzpapiere zu beschaffen und sodann die Abschiebung der Antragsteller durchzuführen.