OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Urteil vom 08.12.2005 - 8 LB 119/03 - asyl.net: M7752
https://www.asyl.net/rsdb/M7752
Leitsatz:

Die unentgeltliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch einen berufserfahrenen Volljuristen verstößt nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz.

 

Schlagwörter: Rechtsberatungsgesetz, Negativattest, Rechtsbesorgung, unerlaubte Rechtsbesorgung, geschäftsmäßige Rechtsbesorgung, Erlaubnis, Volljurist, allgemeine Handlungsfreiheit
Normen: RBerG Art. 1 § 1 Abs. 1; GG Art. 2 Abs. 1
Auszüge:

Die unentgeltliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch einen berufserfahrenen Volljuristen verstößt nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Wie das Bundesverfassungsgericht in den jeweils auf Verfassungsbeschwerden des Klägers ergangenen Beschlüssen vom 29. Juli 2004 (- 1 BvR 737/00 -, NJW 2004, 2662 f.) und 20. Oktober 2004 (- 1 BvR 130/03 -, WM 2004, 2363 f.) entschieden hat, ist einer ausufernden und nicht mehr verfassungskonformen Anwendung des Art. 1 § 1 RBerG, die zu einem Verbot auch der unentgeltlichen geschäftsmäßigen Rechtsbesorgung führt, durch eine restriktive Auslegung des Begriffs der "Geschäftsmäßigkeit" in Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG entgegen zu treten. Es muss "in Erwägung gezogen werden, ob der Begriff der "Geschäftsmäßigkeit" unter Berücksichtigung der durch das Rechtsberatungsgesetz geschützten Interessen und des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 GG von Verfassungs wegen im konkreten Fall eine Auslegung erfordert, die die unentgeltliche Rechtsbesorgung durch einen berufserfahrenen Juristen nicht erfasst" (Beschl. v. 29.7.2004 und v. 20.10.2004, a.a.O.). Werden die durch das Rechtsberatungsgesetz geschützten Rechtsgüter durch die in Rede stehenden rechtsbesorgenden Tätigkeiten überhaupt nicht berührt, so haben die Gerichte vor dem Hintergrund, dass das Rechtsberatungsgesetz "in einem Umfeld sozialer Verhältnisse und gesellschaftspolitischer Anschauungen steht, mit deren Wandel sich auch der Norminhalt wandeln kann, unter Anwendung der allgemein anerkannten Auslegungsmethoden - zu denen auch die telelogische Reduktion gehört - zu prüfen, ob die gesetzliche Regelung zwischenzeitlich lückenhaft geworden ist. Am Wortlaut einer Norm braucht der Richter dabei nicht Halt zu machen" (Beschl. v. 29.7.2004 und v. 20.10.2004, a.a.O.).

In Anwendung und Fortführung dieser Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 RBerG im Wege der teleologischen Reduktion seines Wortlauts um den Halbsatz zu ergänzen, dass die unentgeltliche Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten durch einen berufserfahrenen Volljuristen - wie den Kläger im vorliegenden Verfahren - nicht "geschäftsmäßig" erfolgt, d.h. ohne besondere Genehmigung erlaubt ist.