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VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Beschluss vom 29.08.2005 - 5 G 1234/05(3) - asyl.net: M7771
https://www.asyl.net/rsdb/M7771
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Erlaubnisfiktion, Fiktionswirkung, Erlaubnisfiktion, Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt
Normen: AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 81 Abs. 3; VwGO § 80 Abs. 5
Auszüge:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist zulässig. Soweit er auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 27.05.2005 gegen die mit Bescheid des Antragsgegners vom 17.05.200 erfolgte Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gerichtet ist, ist er gemäß § 80 Abs. 5 VwGO statthaft. Das Begehren des Antragstellers richtet sich auf die Wiedererlangung seines fiktiven Aufenthaltsrechtes gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG. Gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Das ist hier der Fall, auch wenn der Antragsteller die Verlängerung erst nach Ablauf seiner bisherigen Aufenthaltserlaubnis beantragt hat. Denn das vorläufige Aufenthaltsrecht geht nach der Neuregelung auch nach verspäteter Antragstellung regelmäßig nicht verloren.

Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Bestimmung, wonach das Fortbestehen des Aufenthaltstitels allein davon abhängt, dass der Ausländer denselben oder einen anderen Aufenthaltstitel beantragt, sondern folgt auch der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte des Gesetzes.

Gesehen und differenziert geregelt hat der Gesetzgeber die Problematik eines verspätet gestellten Antrages nämlich in den Fällen, in denen der bisherige Aufenthalt erlaubnisfrei war, nach Ablauf des Befreiungsgrundes aber erlaubnispflichtig wurde (§ 81 Abs. 3 AufenthG). § 81 Abs. 3 Satz 1 AufenthG behandelt dabei die rechtzeitig gestellten Anträge auf eine Aufenthaltserlaubnis, § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG regelt die vorläufigen Aufenthaltsrechte bei verspätet gestellten Anträgen. Die Tatsache der differenzierten Behandlung in § 81 Abs. 3 AufenthG und der Nichtdifferenzierung in den Fällen der bereits förmlich erteilten Aufenthaltserlaubnis in § 81 Abs. 4 AufenthG indiziert, dass alle Fälle - die rechtzeitig gestellten Verlängerungsanträge ebenso wie die verspätet gestellten Verlängerungsanträge - gleich behandelt werden sollten. Diese Schlussfolgerung drängt sich erst recht bei Heranziehung der Gesetzesgenese auf. Denn eine Differenzierung zwischen rechtzeitig und verspätet gestellten Anträgen war in der ursprünglichen Regierungsvorlage des § 81 Abs. 4 (BT-Drs. 15/420, S. 30) ausdrücklich vorgesehen und wurde später durch den Vermittlungsausschuss gestrichen (vgl. BT-Drs. 15/3479, S. 11, Nr. 52 b) bb).

Auch die teleologische Betrachtungswiese ergibt nichts anderes. Denn es erscheint sachlich kaum verständlich, solchen säumigen Ausländern kein vorläufiges Aufenthaltsrecht - nicht einmal den Duldungsstatus - zuzuerkennen, die schon viele Jahre im Bundesgebiet gelebt haben und hier integriert sind, hingegen säumige Ausländer mit vorläufigen Aufenthaltsrechten auszustatten, die nur über den vergleichsweise schwachen Aufenthaltsstatus des visumsfrei eingereisten Touristen verfügen und nun eine Verlängerung ihres Aufenthaltsrechts anstreben, das nach wie vor nur selten erreichbar ist. Insofern kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber verspätet gestellten Verlängerungsanträgen jedenfalls dann die Fortbestehensfunktion hat zukommen lassen wollen, wenn der zeitliche Zusammenhang zwischen Ablauf der bisherigen Aufenthaltserlaubnis und Verlängerungsantrag nah ist und kein Missbrauch vorliegt.

Davon ist hier auszugehen. Denn die Verspätung betrug ganze 11 Tage; dies lässt einen Missbrauch nicht erkennen. Somit hat auch der verspätet gestellte Verlängerungsantrag die Fortbestehensfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst (vgl. hierzu mit ähnlichen Bedenken und Schlussfolgerungen: Dienelt, InfAuslR 2005, 136 ff.; a. A. Funke-Kaiser, GK-AufenthG, § 81 Rdnr. 40 mit wenig überzeugenden Gegenargumenten).

Der Widerspruch gegen die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entfaltet gemäß § 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG keine aufschiebende Wirkung. Gleiches gilt hinsichtlich der im angefochtenen Bescheid vom 17.05.2005 enthaltenen Abschiebungsandrohung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 VwGO i. V. mit § 16 HessAGVwGO.