VG Darmstadt

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Zitieren als:
VG Darmstadt, Urteil vom 21.04.2005 - 5 E 403/04.A(3) - asyl.net: M7772
https://www.asyl.net/rsdb/M7772
Leitsatz:
Schlagwörter: Verordnung Dublin II, Dubliner Übereinkommen, Abschiebungsanordnung, Abschiebungsandrohung, unbeachtlicher Asylantrag, Tenor, Ablehnungsbescheid, Bundesamt, Drittstaatenregelung
Normen: AsylVfG § 31; AsylVfG § 29 Abs. 3 S. 1; AsylVfG § 34a; AsylVfG § 35
Auszüge:

Die Klage hat hingegen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abschiebungsanordnung richtet. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass Belgien aufgrund des Dubliner Übereinkommens für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In diesen Fällen ist der in Deutschland gestellte Asylantrag unbeachtlich (§ 29 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG). Unstreitig ist auch, dass die Klägerin bereit war, freiwillig das Bundesgebiet zu verlassen und an ihrer Überstellung nach Belgien konstruktiv mitgewirkt hat.

Streitig ist allein die Frage, ob das Bundesamt berechtigt war, die Abschiebung der Klägerin anzuordnen oder ob es aufenthaltsbeendende Maßnahmen auf den Erlass einer Abschiebungsandrohung beschränken musste.

Letzteres trifft zu.

Die Regelung des § 34 a AsylVfG ist zwar nach ihrem Wortlaut einschlägig, denn die Klägerin soll in einen sicheren Drittstaat, aus dem sie eingereist war, abgeschoben werden. Aus der Gesetzessystematik ergibt sich allerdings, dass der Anwendungsbereich auf diejenigen sicheren Drittstaaten beschränkt ist, die nicht zugleich Vertragsparteien des Dubliner Übereinkommens sind. Denn § 29 Abs. 3 AsylVfG bestimmt, dass ein Asylantrag unbeachtlich ist, wenn auf Grund eines völkerrechtlichen Vertrages ein anderer Vertragsstaat, der ein sicherer Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) ist, für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. In diesem Fall bestimmen sich die vom Bundesamt zu erlassenden aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nach § 35 AsylVfG. Ausdrücklich heißt es in § 35 Satz 2:

"In den Fällen des § 29 Abs. 3 Satz 1 droht es [= das Bundesamt] die Abschiebung in den anderen Vertragsstaat an."

§ 35 AsylVfG trifft somit eine Spezialregelung gegenüber § 34 a AsylVfG für den Anwendungsfall, dass der sichere Drittstaat zugleich Vertragsstaat des Dubliner Übereinkommens ist (wie hier: VG Darmstadt, 4. Kammer, Urt. v 21.03.2005 - 4 E 1709/04.A [3]; VG Wiesbaden, Urt. v. 18.08.2004 - 5 E 1231/04.A [V]).

Diese Auslegung ist nach In-Kraft-Treten der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist vom 18.02.2003 (ABl. L 50 S. 1) auch Europarechtlich geboten. Denn Art. 19 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung sieht ausdrücklich den Fall der freiwilligen Ausreise vor:

"Die Frist für die Durchführung der Überstellung ist anzugeben, und gegebenenfalls der Zeitpunkt und der Ort zu nennen, zu dem bzw. an dem sich der Antragsteller zu melden hat, wenn er sich auf eigene Initiative in den zuständigen Mitgliedstaat begibt." (Hervorhebung durch das Gericht)

Die Verordnung, die in allen Mitgliedstaaten unmittelbar gilt, sieht folglich gerade vor, dem Antragsteller auch die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise ohne Verwaltungszwang einzuräumen. Dann aber ist der Erlass einer Abschiebungsanordnung, die diese Möglichkeit ausschließt, mit EU-Recht nicht vereinbar.