Die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG setzt voraus, dass Mittel in Höhe der Regelleistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zuzüglich den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Krankenversicherung zur Verfügung stehen; ein Aufschlag wegen unregelmäßigen Bedarfs ist seit dem Inkrafttreten des SGB II nicht mehr erforderlich; das verfügbare Einkommen wird nicht um den Freibetrag nach § 30 SGB II gemindert.
Die Sicherung des Lebensunterhalts nach § 2 Abs. 3 S. 1 AufenthG setzt voraus, dass Mittel in Höhe der Regelleistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende zuzüglich den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Krankenversicherung zur Verfügung stehen; ein Aufschlag wegen unregelmäßigen Bedarfs ist seit dem Inkrafttreten des SGB II nicht mehr erforderlich; das verfügbare Einkommen wird nicht um den Freibetrag nach § 30 SGB II gemindert.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Klägerin wird durch die Ablehnung ihres Antrages auf Erteilung eines Visums gemäß § 6 Abs. 4 AufenthG aufgrund der verweigerten Zustimmung der Beigeladenen in ihren Rechten verletzt; ihr steht ein Anspruch auf Erteilung des begehrten Visums zu (§ 113 Abs. 5 VwGO).
Die Klägerin erfüllt die Voraussetzungen des Ehegattennachzuges gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG, denn ihr Ehemann verfügt seit Februar 2001 über eine Aufenthaltsberechtigung im Sinne des Ausländergesetz 1990, die gemäß § 101 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Niederlassungserlaubnis fortgilt.
Für den danach bestehenden Zuzugsanspruch wird auch die Regelvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt. Danach setzt die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraus, dass der Lebensunterhalt gesichert ist. Nach der gesetzlichen Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ist der Lebensunterhalt eines Ausländers gesichert, wenn er ihn einschließlich ausreichenden Krankenversicherungsschutzes ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel bestreiten kann, wobei Kindergeld nicht als öffentliche Mittel in diesem Sinne betrachtet wird (§ 2 Abs. 3 Satz 2 AufenthG).
Der Standard des notwendigen Lebensunterhaltes im Sinne des Aufenthaltsgesetzes wird durch das Gesetz nicht näher bestimmt. Die ausdrücklich vom Gesetzgeber beabsichtigte Ausrichtung der Legaldefiniton des § 2 Abs. 3 AufenthG an der bisher geltenden Auslegung zu § 7 Abs. 2 AuslG spricht dafür, für die Bestimmung der konkreten Höhe des finanziellen Bedarfs die durch die obergerichtliche Rechtsprechung zum Ausländergesetz von 1990 entwickelten Grundsätze zugrunde zu legen. Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass der notwendige Bedarf in Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 3 AuslG jedenfalls dann nicht als hinreichend gesichert anerkannt werden kann, wenn nicht zumindest der Lebensunterhalt in Höhe der sozialhilferechtlichen Regelsätze (§§ 12 und 22 BSHG) durch eigene Mittel abgedeckt wird, denn nur für diesen Fall wird das gesetzgeberische Ziel erreicht, die zum Lebensunterhalt zählenden Bedürfnisse ohne Inanspruchnahme öffentlicher Mittel erfüllen zu können.
Seit dem Inkrafttreten des SGB II wird die notwendige Sicherung des Lebensunterhaltes für erwerbsfähige Hilfsbedürftige durch die Regelleistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gemäß § 20 SGB II bzw. das den Familienangehörigen zustehende Sozialgeldes gemäß § 28 SGB II nebst den angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung (§ 19 Nr. 1 SGB II) bestimmt. Die Regelleistungen des SGB II umfassen - wie bereits der notwendige Lebensunterhalt gemäß § 12 BSHG, der allerdings durch laufende und einmalige Leistungen gedeckt wurde - insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Bedarf des täglichen Lebens sowie in vertretbarem Umfang auch Beziehungen zur Umwelt und eine Teilnahme am kulturellen Leben (§ 20 Abs. 1 SGB II). Die zur Deckung dieses Bedarfs gemäß § 20 Abs. 2 und 3 SGB II gewährten Regelleistungen sieht der Bundesgesetzgeber als zur Sicherung des Existenzminimums ausreichend an, so dass der bisherigen Auslegungspraxis entsprechend diese Regelsätze auch im Rahmen der gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vorzunehmenden Bedarfsermittlung als maßgeblich betrachtet werden können. Die bisherige 20prozentige Erhöhung der Regelsätze des BSHG ist nicht mehr erforderlich, da der gesondert ermittelte unregelmäßige Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 1 a BSHG durch die erhöhten Regelsätze des SGB II mit abgedeckt ist (so bereits OVG Berlin, Beschluss vom 10. März 2005 - OVG 2 M 70.04; ebenso Funke-Kaiser in: GK-AufenthG 1, Stand Dezember 2004, § 2 Rdn. 43).
Die von der Beigeladenen geforderte Minderung des tatsächlich verfügbaren Einkommens des Ehemanns der Klägerin um die bei Berechnung eines Anspruchs auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende gemäß § 30 SGB II dem erwerbstätigen Hilfeempfänger zugebilligten Freibeträge hält die Kammer nicht für gerechtfertigt. Damit geht die Beigeladene über die maßgebliche Frage der gebotenen Prognose hinaus, ob die Familie nach dem begehrten Zuzug in der Lage sein wird, ihren notwendigen Unterhaltsbedarf ohne die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu decken. Durch die Beigeladene wird dem gegenüber als Maßstab zugrunde gelegt, ob der Familie nach dem Zuzug theoretisch ein Anspruch auf Leistungen gemäß SGB II zustehen könnte. Die damit angenommene Parallelität der für § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erforderlichen prognostischen Betrachtung mit der Berechnung eines Anspruches auf Grundsicherung für Arbeitssuchende gemäß §§ 20 ff SGB II ist gesetzlich nicht vorgegeben und erscheint auch im Wege der Auslegung den §§ 2 Abs. 3 und 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nicht zu entnehmen.
Durch die hierdurch bewirkte Gleichstellung der Prognosentscheidung mit der Berechnung eines Anspruches auf Leistungen gemäß SGB II wäre zwar das Ziel der Regelvoraussetzung, die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu verhindern, umfassend gewährleistet. Diese geht aber über den Wortlaut der Regelvoraussetzung hinaus und erscheint zudem im Hinblick auf den gemäß Art. 6 GG und Art. 8 EMRK gebotenen Schutz von Ehe und Familie bedenklich. Die fiktive Minderung der tatsächlich verfügbaren Eigenmittel um die nach § 30 SGB II zugebilligten Freibeträge würde zu einer ganz erheblichen Beschränkung der Familiennachzugsmöglichkeiten führen.