VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 28.12.2005 - 24 C 05.2694 - asyl.net: M7809
https://www.asyl.net/rsdb/M7809
Leitsatz:

Begehrt ein Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Passlosigkeit, muss er seine Bemühungen zur Erlangung eines Passes nachweisen; dabei muss er in der Regel auch ohne Aufforderung durch die Ausländerbehörde tätig werden; auf der anderen Seite muss die Behörde dem Ausländer Hinweise geben, welche Maßnahmen der Ausländer noch ergreifen kann; insoweit trägt die Ausländerbehörde die Beweislast; es ist dem Ausländer nicht zuzumuten, rechtliche Schritte gegen die Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates (hier: Pakistan) einzuleiten.

 

Schlagwörter: D (A), Ausreisehindernis, Verschulden, Passlosigkeit, Passbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Darlegungslast, Beweislast, Auslandsvertretung, Pakistan, illegale Einreise, allgemeine Erteilungsvoraussetzungen, Passpflicht, offensichtlich unbegründet, abgelehnte Asylbewerber, Duldung, Erwerbstätigkeit, Vertretenmüssen, Prozesskostenhilfe
Normen: AufenthG § 25 Abs. 5; AufenthG § 5 Abs. 3; AufenthG § 10 Abs. 3; BeschVerfV § 10; BeschVerfV § 11
Auszüge:

Begehrt ein Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG wegen Passlosigkeit, muss er seine Bemühungen zur Erlangung eines Passes nachweisen; dabei muss er in der Regel auch ohne Aufforderung durch die Ausländerbehörde tätig werden; auf der anderen Seite muss die Behörde dem Ausländer Hinweise geben, welche Maßnahmen der Ausländer noch ergreifen kann; insoweit trägt die Ausländerbehörde die Beweislast; es ist dem Ausländer nicht zuzumuten, rechtliche Schritte gegen die Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates (hier: Pakistan) einzuleiten.

(Leitsatz der Redaktion)

 

1. Gegenstand der Beschwerde ist der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. September 2005, mit welchem die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde.

2. Die Beschwerde ist begründet, da die Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe vorliegen.

a) Grundlage eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis kann vorliegend allein § 25 Abs. 5 AufenthG sein. Nach Satz 1 und 2 dieser Regelung soll einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist, sobald die Abschiebung seit 18 Monaten ausgesetzt ist.

(1) Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

(2) Offen ist nur, ob § 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG der Erteilung einer Erlaubnis entgegensteht, weil den Kläger ein Verschulden am Bestehen des Ausreisehindernisses trifft. Hiervon muss dann ausgegangen werden, wenn er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht erfüllt hat (§ 25 Abs. 5 Satz 4 AuslG). Im Falle des Klägers kann dies nicht mit hinreichender Sicherheit, welche jede Wahrscheinlichkeit des Erfolgs seiner Klage und damit die Gewährung von Prozesskostenhilfe ausschließen würde (vgl. Kopp/ Schenke, a.a.O., RdNr. 8 zu § 166 VwGO), festgestellt werden.

(3) Nach Auffassung des Senats bestehen hier auf beiden Seiten Pflichten, deren Erfüllung nachgewiesen werden muss. Letztlich müssen sich Ausländer und Behörde gemeinsam darum kümmern, dass eine Ausreise in das Heimatland ermöglicht wird. Der Umfang der konkreten Pflichten im Einzelfall kann sachgerecht nur anhand der besonderen Umstände des jeweiligen Sachverhalts abschließend geklärt und festgelegt werden. Den Ausländer trifft dabei eine Mitwirkungspflicht sowie eine Initiativpflicht, deren Erfüllung er nachzuweisen hat. Auf der anderen Seite besteht für die Ausländerbehörde eine Hinweispflicht sowie eine Anstoßpflicht, deren Erfüllung sie nachzuweisen hat. Die den am Verfahren Beteiligten obliegenden Pflichten stehen schließlich in einem Verhältnis zur Wechselseitigkeit (s. hierzu Beschluss des BayVGH vom 19. Dezember 2005, Az. 24 C 05.2856).

(4) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es dem Senat im Rahmen des vorliegenden Verfahrens nicht möglich festzustellen, dass der Kläger verschuldet an der Ausreise gehindert ist, weil er zumutbare Anforderungen zur Beseitigung des Ausreisehindernisses nicht ergriffen hat.

Nicht zu folgen vermag der Senat in diesem Zusammenhang der im Bescheid vom 4. Juli 2005 geäußerten Auffassung, es wäre dem Kläger möglich und zumutbar gewesen, rechtliche Schritte gegen die pakistanische Botschaft zu ergreifen. Es bestehen bereits gravierende Zweifel daran, ob eine entsprechende Möglichkeit für den Kläger überhaupt bestanden hätte. Daneben geht der Senat davon aus, dass es dem Kläger auch nicht zumutbar ist, rechtliche Schritte gegen sein Heimatland bzw. dessen Vertretung zu ergreifen. Selbst wenn man hierzu eine andere Auffassung vertreten sollte, so wäre es doch notwendig gewesen, dem Kläger die bestehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten konkret aufzuzeigen.

Zusammenfassend geht der Senat damit davon aus, dass einiges dafür spricht, dass der Kläger seinen Mitwirkungspflichten in wesentlichem Umfang nachgekommen ist. Er hat zum Teil auch eigene Initiativen zur Beschaffung von Heimreisedokumenten gezeigt. Ob darüber hinaus mehr hätte von ihm erwartet werden können, muss im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Jedenfalls hat die Beklagte zwar ihre Hinweispflicht wahrgenommen, vom Kläger aber keine weiteren Schritte angefordert und diesen auch nicht weiter angestoßen, entsprechende Aktivitäten zu ergreifen. Dies spricht eher dafür, dass die Unmöglichkeit der Ausreise nicht dem Kläger angelastet werden kann.

Die Vorgabe des § 10 Abs. 3 AufenthG steht dem Anspruch des Klägers gleichfalls nicht zwingend entgegen. Nach Satz 1 dieser Vorschrift kann ein Aufenthaltstitel weiterhin nach Maßgabe des Abschnitts 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt werden. Satz 2 der Vorschrift ist nicht einschlägig, da der Asylantrag des Klägers - jedenfalls ausdrücklich - nicht nach § 30 Abs. 3 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Dies ist weder dem Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Blatt 21 der Behördenakte) noch dem Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 14. Juni 1999 (Blatt 78 der Behördenakte) zu entnehmen.