VG Oldenburg

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Zitieren als:
VG Oldenburg, Beschluss vom 25.04.2005 - 11 B 1383/05 - asyl.net: M7823
https://www.asyl.net/rsdb/M7823
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Wohnsitzauflage, Asylberechtigte, Konventionsflüchtlinge, Erlasslage, Genfer Flüchtlingskonvention, EMRK, Europäische Menschenrechtskonvention, Europäisches Fürsorgeabkommen
Normen: AufenthG § 25 Abs. 1; AufenthG § 25 Abs. 2; AufenthG § 12 Abs. 2 S. 2; GFK Art. 26
Auszüge:

Die Antragsteller haben nämlich nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen mit der für die (teilweise) Vorwegnahme der Hauptsache erforderlichen hohen Wahrscheinlichkeit im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch darauf zusteht, die Auflage "keine Wohnsitznahme außerhalb der Stadt V." aufzuheben oder zu ändern.

Die streitige Beschränkung fand ihre Rechtsgrundlage ursprünglich in § 14 Abs. 2 S. 1 AuslG, dessen Regelung in dem ab 1. Januar 2005 geltenden § 12 Abs. 2 S. 2 AufenthG übernommen wurde. Danach konnte früher eine Aufenthaltsbefugnis und kann nunmehr eine Aufenthaltserlaubnis nach den AufenthG mit einer Wohnsitzauflage verbunden werden. Beide Bestimmungen räumen der Ausländerbehörde ein Ermessen ein, dass auch in Fällen wie diesem durch Erlasse des Nds. Innenministeriums (zunächst vom 15. Juli 1998, Nds. MBl. S. 1062, dann vom 16. Oktober 2002, Nds. MBl. S. 938, vom 16. November 2004 - 45.2-12230.1-8 - und nunmehr Nr. 12.2 Vorl. Nds. VV-AufenhtG vom 31. März 2005) gebunden wird. Die früheren Erlasse sahen vor, dass jede Aufenthaltsbefugnis für Ausländer, die Sozialhilfe und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz beanspruchen können, mit der Auflage versehen werden muss, den Wohnsitz im Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde zu nehmen. Nr. 12.2.1.1 Vorl. Nds. VV-AufenhtG erweitert dies auf alle Fälle der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG und den Bezug der in Nr. 2.3.1.1 Vorl. Nds. VV-AufenhtG bezeichneten Leistungen nach dem SGB II oder VII. Bedenken gegen das insoweit durch die oberste Ausländerbehörde antizipierte Ermessen im Hinblick auf höherrangiges Recht bestehen nicht. An der räumlichen Beschränkung von Aufenthaltsrechten derjenigen Ausländer, die Sozialleistungen beziehen, besteht ein öffentliches Interesse. Die Belastung öffentlicher Kassen, die mit der Aufnahme, Unterbringung und Versorgung von Ausländern verbunden sind, sollen möglichst gleichmäßig und gerecht auf die Länder und Kommunen verteilt werden. Durch Wohnsitzauflagen soll ferner eine Binnenwanderung hilfebeziehender Ausländer verhindert und einer mehrfachen Inanspruchnahme von Sozialleistungen vorgebeugt werden. Schließlich soll der Zuzug leistungsbedürftiger Ausländer in Ballungszentren vermieden werden. Die das Ermessen leitenden Erlasse tragen dem Verhältnismäßigkeitsprinzip Rechnung. Denn insbesondere die neueren Fassungen sehen vor, dass Wohnsitzauflagen geändert oder gestrichen werden können, etwa zur Herstellung der Familieneinheit, bei Erwerbstätigkeit (die den Lebensunterhalt sichert) oder in speziellen Lebenssituationen. Damit lässt sich auch in besonderen Fällen ein angemessener Interessenausgleich finden. Die Erlasse vom 15. Juli 1998 und vom 16. Oktober 2002 verstoßen auch sonst nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen die Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -, die europäische Menschenrechtskonvention - EMRK - oder das europäische Fürsorgeabkommen - EFA - einschließlich entsprechender Zusatzprotokolle (Nds. OVG, Beschluss vom 6. Juni 2001 - 9 LB 1404/01 - und Urteil vom 27. Mai 2003 - 7 LB 207/02 - Asylmagazin 7-8/2000, S. 46, 47; VG Oldenburg, Urteil vom 2. Oktober 2002 - 11 A 1807/00 -; VG Lüneburg, Urteil vom 26. August 2003 - 3 A 191/01 -; VG Dresden, Urteil vom 7. November 2001 - A 14 K 1427/01 - InfAuslR 2002, 242 ; VG Osnabrück, Urteil vom 24. November 1999 - 5 A 193/99 - InfAuslR 2000, 140; a.A.: VG Schleswig, Urteil vom 27. Mai 2003 - 14 A 16/03 - und VG Frankfurt, Gerichtsbescheid vom 22. September 2004 - 1 E 1962/03 (V) - unter Verkennung des Vorrangs der unter dem Vorbehalt nationaler Beschränkungen stehenden Freizügigkeitsregelung in Art. 26 GFK gegenüber Ansprüchen auf Inländergleichbehandlung). Diese Einschätzung gilt auch für die ab dem 31. März 2005 geltenden Ermessensleitlinien in Nr. 12.2 Vorl. Nds. VV-AufenhtG.

Dem lässt sich nicht mit Erfolg entgegenhalten, das AufenthG habe zu einer Angleichung der Rechtsstellung von Asylberechtigen und Konventionsflüchtlingen nach § 60 Abs. 1 AufenthG (vormals § 51 Abs. 1 AuslG) geführt. Denn anders als bei den zuvor geltenden Erlassen, die Wohnsitzauflagen nur bei Aufenthaltsbefugnissen (u.a. von Konventionsflüchtlingen) vorsahen, sind nunmehr gem. Nr. 12.2.1.1 Vorl. Nds. VV-AufenthG Wohnsitzauflagen in allen Fällen von Aufenthaltserlaubnissen nach Kapitel 2 Abschnitt 5 AufenthG, also auch bei Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 1 AufenthG für Asylberechtigte, möglich. Eine sich hierdurch ergebende Ungleichbehandlung zu nach altem Recht behandelten Asylberechtigten findet ihren Rechtfertigungsgrund darin, dass im Ausländerrecht bis zum 31. Dezember 2004 eine deutliche Besserstellung von Asylberechtigten gegenüber Konventionsflüchtlingen gesetzlich vorgegeben war. Folglich sind (fortgeltende) Wohnsitzauflagen nicht generell im Hinblick auf höherrangiges Recht, sondern allenfalls dann zu beanstanden, wenn die Belange des betroffenen Ausländers im Einzelfall keine ordnungsgemäße Berücksichtigung gefunden haben.