VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Beschluss vom 18.08.2005 - 8 L 683/05 - asyl.net: M7832
https://www.asyl.net/rsdb/M7832
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Härtefall, Härtefallersuchen, Härtefallkommission, Rechtsschutzgarantie, Ausländerbehörde
Normen: AufenthG § 23a; GG Art. 19 Abs. 4
Auszüge:

Insbesondere und vor allem ist die Abschiebung der Antragsteller nicht etwa deshalb aus rechtlichen Gründen unmöglich, weil ihnen - was sie im vorliegenden Verfahren allein geltend machen und mit ihrer Klage 8 K 1272/05 verfolgen - gegenüber dem Antragsgegner ein Anspruch auf Erteilung von Aufenthaltsbefugnissen auf der Grundlage von § 23 a AufenthG zustünde. Das ist nämlich ersichtlich nicht der Fall, weil § 23 a AufenthG dem betroffenen Ausländer kein subjektiv-öffentliches Recht vermittelt. Der gegenüber dem Antragsgegner - im Übrigen nur mit der Klage 8 K 1272/05 und dem vorliegenden Antrag - geltend gemachte Erteilungsanspruch kann schon deshalb, abgesehen von allen weiteren Zweifelsfragen, dem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht zum Erfolg verhelfen. Nach § 23 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG darf die oberste Landesbehörde bzw. nach Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift i. V. m. § 7 Abs. 1 der Verordnung zur Einrichtung einer Härtefallkommission nach § 23 a des Aufenthaltsgesetzes und zur Regelung des Verfahrens (Härtefallkommissionsverordnung - HFKVO -) anordnen, dass einem Ausländer, der vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von den im Aufenthalts§ 6 Abs. 3 HFKVO ersucht hat, einen Aufenthaltstitel zu erteilen, dieser sich jedoch im Rahmen des ihm nach § 23 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG, § 7 Abs. 2 Satz 2 HFKVO eingeräumten Ermessens dazu entschieden hat, dem Ersuchen nicht zu entsprechen; sie vertreten hierzu die Auffassung, trotz der Regelung in § 23 a Abs. 1 Satz 4 AufenthG, wonach die Befugnis zur Aufenthaltsgewährung ausschließlich im öffentlichen Interesse steht und keine eigenen Rechte des Ausländers begründet, müsse jedenfalls nach einem Ersuchen der Härtefallkommission die negative Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde mit Blick auf Art. 19 Abs. 4 GG einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden können. Diese Auffassung geht im Ansatz fehl.

Mit § 23 a AufenthG wollte der Gesetzgeber aus politischen Erwägungen der im öffentlichen Raum wiederholt vorgebrachten Forderung nach einer "Härtefallklausel" Rechnung tragen - vgl. Schönenbroicher, Rechtsstaat auf Abwegen? - Die neue "Härtefallklausel" des Ausländerrechts, in ZAR 2004, 351 ff. - und in besonders gelagerten Härtefällen bei Vorliegen dringender humanitärer oder persönlicher Gründe, die er bei der Regelung des Systems der Aufenthaltsgewährung nicht berücksichtigen konnte, die Möglichkeit schaffen, dass Ausländern abweichend von den im Aufenthaltsgesetz geregelten Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltsrechts eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Dass mit dieser außerhalb des Rechtsregimes der ausländerrechtlichen Vorschriften über die Gewährung eines Aufenthaltsrechts geschaffenen Möglichkeit, Ausländern gleichsam extra legem die "Wohltat" einer Aufenthaltserlaubnis zukommen zu lassen, keine anspruchsbegründenden subjektiv-öffentlichen Rechte des Ausländers verknüpft sind, legt § 23 a Abs. 1 Satz 4 AufenthG unmissverständlich fest. Damit hat es sein Bewenden. Denn es ist Sache des (Verfassungs- und des) Gesetzgebers, dem Individuum subjektive, an Normen ausgerichtete Rechte einzuräumen; rein faktische Betroffenheiten schaffen noch keine subjektiv-öffentlichen Rechte (Vgl. Schmidt/Aßmann in Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 19 Abs. 4 Rdnrn. 116 ff.). Der Gesetzgeber des Aufenthaltsgesetzes hat mit der Regelung des § 23 a Abs. 1 AufenthG solche Rechte nicht geschaffen, sie vielmehr ausdrücklich in Satz 4 der Vorschrift ausgeschlossen, und zwar nicht nur, was die Tätigkeit und Befugnisse der Härtefallkommission angeht, sondern auch bezüglich der Entscheidung der Ausländerbehörde über ein Härtefallersuchen der Kommission. Dem ist der Verordnungsgeber mit der inhaltsgleichen Regelung in § 1 Abs. 2 HFKVO gefolgt. Der Ausschluss subjektiv-öffentlicher Rechte zur Gänze folgt eindeutig aus der Formulierung in § 23 a Abs. 1 Satz 4 AufenthG und § 1 Abs. 2 HFKVO ("Die Befugnis zur Aufenthaltsgewährung ..."), denn der Aufenthalt wird nicht durch die Kommission, sondern durch die Ausländerbehörde gewährt (oder nicht gewährt).

Das alles hat - anders als die Antragsteller meinen - mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG nichts zu tun. Die fehlende Vermittlung eines subjektiv-öffentlichen Rechts durch § 23 a AufenthG kann deshalb auch nicht unter dem Blickwinkel des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verfassungswidrig sein. Denn Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG enthält eine Rechtsweggarantie nur, wenn "jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt" wird, begründet mithin keine subjektiv-öffentlichen Rechte, sondern setzt sie - was hier nicht gegeben ist - voraus (Vgl. Schmidt/Aßmann a. a. O., Rdnr. 119).