1. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung insbesondere zu widerrufen, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Diese Vorschrift entspricht ihrem Inhalt nach Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK.
2. § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG enthält eine einzelfallbezogene Ausnahme von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft, die unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen von Satz 1 der Vorschrift gilt.
3. Ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunftsstaat eine Rückkehr unzumutbar ist, ist beim Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht zu prüfen, sondern im Rahmen der allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu berücksichtigen.
4. § 73 Abs. 2 a AsylVfG findet auf vor dem 1. Januar 2005 ergangene Widerrufsentscheidungen keine Anwendung.
1. Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung insbesondere zu widerrufen, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Diese Vorschrift entspricht ihrem Inhalt nach Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK.
2. § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG enthält eine einzelfallbezogene Ausnahme von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft, die unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen von Satz 1 der Vorschrift gilt.
3. Ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunftsstaat eine Rückkehr unzumutbar ist, ist beim Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht zu prüfen, sondern im Rahmen der allgemeinen ausländerrechtlichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes zu berücksichtigen.
4. § 73 Abs. 2 a AsylVfG findet auf vor dem 1. Januar 2005 ergangene Widerrufsentscheidungen keine Anwendung.
(Amtliche Leitsätze)
Die Revision des Klägers ist begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist allein das Anfechtungsbegehren des Klägers, gerichtet auf die Aufhebung des Widerrufsbescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - (Bundesamt).
2. Der angefochtene Bescheid findet seine Grundlage in § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
Die Vorschrift ist verfassungsgemäß (vgl. Urteil vom 24. November 1992 - BVerwG 9 C 3.92 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 1).
3. Das Oberverwaltungsgericht hätte den Widerrufsbescheid nach § 73 Abs. 1 AsylVfG allerdings nicht mit der von ihm gegebenen Begründung als rechtmäßig bestätigen dürfen.
a) Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung insbesondere zu widerrufen, wenn sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich erheblich und nicht nur vorübergehend so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist und nicht aus anderen Gründen erneut Verfolgung droht. Der Senat lässt offen, welcher Wahrscheinlichkeitsmaßstab gilt, wenn für die Zukunft befürchtete Verfolgungsmaßnahmen keinerlei Verknüpfung mehr mit den früheren aufweisen, die zur Anerkennung geführt haben (vgl. Urteil vom 24. November 1992 - BVerwG 9 C 3.92 - a.a.O.). Ändert sich im Nachhinein lediglich die Beurteilung der Verfolgungslage, so rechtfertigt dies den Widerruf nicht, selbst wenn die andere Beurteilung auf erst nachträglich bekannt gewordenen oder neuen Erkenntnismitteln beruht (vgl. Urteile vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 und vom 8. Mai 2003 - BVerwG 1 C 15.02 - BVerwGE 118, 174 <177>).
Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung des § 16 Abs. 1 AsylVfG 1982, der insoweit im Wesentlichen gleich lautenden Vorgängervorschrift des heutigen § 73 Abs. 1 AsylVfG, vor allem als Widerrufsgrund vor Augen, dass "in dem Verfolgungsland ein Wechsel des politischen Systems eingetreten ist, so dass eine weitere Verfolgung nicht mehr zu befürchten ist" (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und FDP, BTDrucks 9/875, S. 18). Sowohl Art. 16 a GG als auch § 51 Abs. 1 AuslG setzen dabei nach der bisherigen Rechtslage in Anlehnung an die Entstehungsgeschichte des Asylrechts eine staatliche oder quasistaatliche Verfolgung voraus (vgl. Urteil vom 15. April 1997 - BVerwG 9 C 15.96 - BVerwGE 104, 254 <255 ff.> m.w.N.). Was das Abschiebungsverbot nach dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 60 Abs. 1 AufenthG angeht, kann dagegen nach Satz 4 dieser Vorschrift eine Verfolgung nunmehr auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat, wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten, unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative.
§ 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG entspricht seinem Inhalt nach der "Beendigungs-" oder "Wegfall-der-Umstände-Klausel" in Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK, die sich ebenfalls ausschließlich auf den Schutz vor erneuter Verfolgung bezieht. Nach dieser Bestimmung fällt eine Person nicht mehr unter die Genfer Flüchtlingskonvention, wenn sie nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt (vgl. entsprechend Art. 1 C Nr. 6 Satz 1 GFK für eine staatenlose Person, falls sie nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat).
Nicht gefolgt werden kann zunächst der in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise vertretenen Auffassung, Art. 1 C Nr. 5 GFK sei bei der Frage des Widerrufs nicht zu berücksichtigen (vgl. etwa VGH Mannheim, AuAS 2004, 142). Zwar trifft es zu, dass die Genfer Flüchtlingskonvention, die nicht vorschreibt, Flüchtlingen einen bestimmten Status zu verleihen, keine allgemeinen Regelungen über den Widerruf eines derartigen Status trifft (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 73 AsylVfG Rn. 4). Daraus folgt aber nicht, dass Art. 1 C Nr. 5 GFK in Widerrufsfällen nicht zu berücksichtigen ist. Diese Ansicht kann auch nicht auf Nr. 117 des Handbuchs des UNHCR über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genf 1979 - Handbuch UNHCR -) gestützt werden. In der maßgeblichen englischen Fassung wird dort ausgeführt: "Article 1 C does not deal with the cancellation of refugee status." Nicht von Art. 1 C Nr. 5 GFK erfasst werden sollen danach Fälle, in denen eine Person nie hätte als Flüchtling anerkannt werden dürfen (z.B. Erlangung des Flüchtlingsstatus auf Grund unrichtiger Angaben) und die Anerkennung deshalb aufgehoben wird (engl.: "cancelled", missverständlich deshalb die deutsche Übersetzung von "cancellation" mit "Widerruf" im Handbuch UNHCR, a.a.O.). Hier bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine derartige Fallkonstellation gegeben ist (vgl. zu den Begriffen "cancellation", "revocation" und "cessation" UNHCR, Note on the Cancellation of Refugee status, 22. November 2004; vgl. ferner Salomons/Hruschka, ZAR 2005, 1 <5>). Was in solchen Fällen einer von Anfang an rechtswidrigen Anerkennung zu gelten hat, ist hier nicht zu entscheiden.
Vielmehr ging der Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung davon aus, dass die Regelung des Widerrufs in § 73 Abs. 1 AsylVfG weitgehend derjenigen in Art. 1 C Nr. 5 und 6 GFK entspricht (vgl. BTDrucks 9/875, S. 18 zu dem bereits erwähnten, im Wesentlichen gleichlautenden § 16 Abs. 1 AsylVfG 1982). Mit der Schaffung dieser Widerrufsbestimmung wollte der Gesetzgeber ersichtlich die materiellen Anforderungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention übernehmen und als Widerrufsgründe ausgestalten. Den engen Zusammenhang belegt auch die Gesetzessystematik. Während § 73 AsylVfG die Beendigungsgründe nach Art. 1 C Nr. 5 und 6 GFK als Widerrufstatbestand fasst, orientieren sich die Erlöschensgründe in § 72 AsylVfG an den Beendigungsklauseln des Art. 1 C Nr. 1 bis 4 GFK.
Soweit Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK heranzuziehen ist, sind bei der Auslegung der Genfer Flüchtlingskonvention die Art. 31 ff. des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl II 1985 S. 926/II 1987 S. 757 - WVRK -) zwar nicht unmittelbar, aber als Ausdruck allgemeiner Regeln des Völkerrechts anwendbar (vgl. Art. 4 WVRK). Nach Art. 31 Abs. 1 WVRK ist ein Vertrag nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Ziels und Zwecks auszulegen (vgl. Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 1.03 - BVerwGE 120, 206 <209>).
"Wegfall der Umstände" im Sinne von Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK, auf Grund derer die Anerkennung erfolgte, meint danach - ebenso wie im Rahmen von § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG - eine nachträgliche erhebliche und nicht nur vorübergehende Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse. Unter "Schutz" ist nach Wortlaut und Zusammenhang der erwähnten "Beendigungsklausel" ausschließlich der Schutz vor erneuter Verfolgung zu verstehen. Der Begriff "Schutz des Landes" in dieser Bestimmung hat nämlich keine andere Bedeutung als "Schutz dieses Landes" in Art. 1 A Nr. 2 GFK, der die Flüchtlingseigenschaft definiert. Schutz ist dabei bezogen auf die Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen der politischen Überzeugung. Da Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK die Beendigung des Flüchtlingsrechts im Anschluss an Art. 1 A Nr. 2 GFK regelt, kann mit "Schutz" nur der Schutz vor Verfolgung gemeint sein (vgl. VGH München, InfAuslR 2005, 43 <44>, VG Dresden, AuAS 2005, 207 <209>; a.M. Salomons/Hruschka, ZAR 2004, 386 <390 f.>). Diese "Beendigungsklausel" beruht nämlich auf der Überlegung, dass in Anbetracht von Veränderungen in dem Verfolgerland ein internationaler (Flüchtlings-)Schutz nicht mehr gerechtfertigt ist, da die Gründe, die dazu führten, dass eine Person zum Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (vgl. Handbuch UNHCR Nr. 115) und damit die Gründe für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und für den internationalen Schutz nachträglich weggefallen sind. Nach allem kann ein Ausländer nach Wegfall der Umstände, auf Grund deren er als Flüchtling anerkannt worden ist, es im Sinne von Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK nicht mehr ablehnen, den Schutz des Staates seiner Staatsangehörigkeit (wieder) in Anspruch zu nehmen. Dazu muss allerdings feststehen, dass ihm bei einer Rückkehr nunmehr auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht.
Dagegen werden allgemeine Gefahren (z.B. auf Grund von Kriegen, Naturkatastrophen oder einer schlechten Wirtschaftslage) von dem Schutz des Art. 1 A Nr. 2 GFK nach Wortlaut und Zweck dieser Bestimmung ebenso wenig umfasst wie von Art. 1 C Nr. 5 Satz 1 GFK (anders offenbar die UNHCR-Richtlinien zum internationalen Schutz: Beendigung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des Art. 1 C (5) und (6) des Abk. von 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 10. Februar 2003, NVwZ Beilage Nr. I 8/2003, S. 57 <59>, wo u.a. eine "angemessene Infrastruktur" verlangt wird, "innerhalb derer die Einwohner ihre Rechte ausüben können, einschließlich ihres Rechtes auf eine Existenzgrundlage"). Ob dem Ausländer wegen allgemeiner Gefahren im Herkunftsstaat eine Rückkehr unzumutbar ist, ist beim Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung mithin nach § 73 Abs. 1 AsylVfG nicht zu prüfen. Schutz kann insoweit nach den allgemeinen Bestimmungen des deutschen Ausländerrechts gewährt werden (vgl. namentlich § 60 Abs. 7 Satz 2 und § 60 a Abs. 1 Satz 1 AufenthG). Im Übrigen führt der Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nicht ohne weiteres zum Verlust des Aufenthaltstitels. Dieser kann vielmehr nach § 52 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG von der Ausländerbehörde nur auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung widerrufen werden (vgl. auch Urteil vom 20. Februar 2003 - BVerwG 1 C 13.02 - BVerwGE 117, 380 zu der Vorgängerbestimmung des § 43 Abs. 1 Nr. 4 AuslG), bei der die öffentlichen Belange hinsichtlich einer etwaigen Beendigung des Aufenthalts im Einzelfall mit dem privaten Interesse des Ausländers an seinem Verbleib in Deutschland abzuwägen sind.
b) Nach diesen Grundsätzen tragen die bisher getroffenen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung des Klägers.
Das Berufungsurteil ist hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG bereits deshalb aufzuheben und die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses - nach der Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zutreffend - keine Feststellungen zu der Frage getroffen hat, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine von nichtstaatlichen Akteuren nach Maßgabe des § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG ausgehende Verfolgung droht. Diese Prüfung wird nunmehr nachzuholen sein.
Unabhängig hiervon kann das Berufungsurteil auch keinen Bestand haben, soweit es den Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung für gerechtfertigt hält, weil dem Kläger bei einer Rückkehr in Afghanistan keine staatliche oder quasistaatliche Verfolgung drohe. Diese Frage hat das Oberverwaltungsgericht nämlich auf zu schmaler Tatsachengrundlage geprüft.
Namentlich sind die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht hinreichend, mit denen es das Bestehen einer effektiven staatlichen oder staatsähnlichen Gewalt in Afghanistan verneint hat, obwohl die Islamische Republik Afghanistan - wie allgemeinkundig ist und in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde - von zahlreichen Staaten de jure als Staat anerkannt ist und von der Regierung des im Oktober 2004 vom Volk gewählten Präsidenten Karzai in den Vereinten Nationen vertreten wird. Eher dürfte - auch unter Berücksichtigung der vom Oberverwaltungsgericht herangezogenen Erkenntnisquellen - davon auszugehen sein, dass die Übergangsregierung zumindest im Großraum Kabul de facto die Gebietsgewalt im Sinne einer übergreifenden prinzipiell schutz- und verfolgungsmächtigen Ordnung ausübt (vgl. zu den Voraussetzungen Urteil vom 20. Februar 2001 - BVerwG 9 C 20.00 - BVerwGE 114, 16 <21 ff.>). Dem steht nicht entgegen, dass sich die Regierungsgewalt (auch) auf die von den Vereinten Nationen mandatierte International Security Assistance Force (ISAF) stützt, deren Aufgabe es dem im Berufungsurteil zitierten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 22. April 2004 zufolge ist, die Sicherheit in Kabul und Umgebung bzw. anderen gegebenenfalls zu bestimmenden Regionen zu gewährleisten.
Im Übrigen enthält das Berufungsurteil auch keine ausreichenden Feststellungen dazu, dass mit einem (Wieder-)Entstehen staatlicher oder staatsähnlicher Gewalt in Afghanistan - sofern sie denn derzeit zu verneinen sein sollte - auch auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist. Denn nur in diesem - besonders begründungsbedürftigen - Fall könnte von einem dauerhaften Wegfall jeglicher staatlicher Verfolgungsgefahr ausgegangen und könnten zumindest die Voraussetzungen für den Widerruf der Asylanerkennung nach Art. 16 a GG, der nach wie vor eine staatliche oder quasistaatliche Verfolgung erfordert, als erfüllt angesehen werden.
c) Unabhängig hiervon ist die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auch dann zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung deshalb nicht mehr vorliegen, weil der Ausländer nach der Anerkennung den Tatbestand des § 60 Abs. 8 AufenthG, dessen Satz 1 hier allein in Betracht kommt, verwirklicht hat. Nach § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG findet Abs. 1 dieser Vorschrift keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Diese Bestimmung schließt nicht nur den Anspruch auf ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 AufenthG, sondern auch denjenigen auf Asyl nach Art. 16 a Abs. 1 GG aus (vgl. zu der Vorgängervorschrift § 51 Abs. 3 AuslG, Urteil vom 30. März 1999 - BVerwG 9 C 31.98 - BVerwGE 109, 1 <3>).
Die Ermächtigung zum Widerruf in derartigen Fällen ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, demzufolge die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG unverzüglich zu widerrufen sind, "wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen". Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn dem Ausländer infolge der Änderung der maßgeblichen Verhältnisse im Herkunftsstaat keine Verfolgung mehr droht, sondern auch wenn inzwischen von ihm nach Maßgabe von § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder für die Allgemeinheit ausgeht.
Die Entstehungsgeschichte bestätigt diese Auslegung. Der Gesetzgeber hatte nämlich - wie bereits erwähnt - bei Schaffung der Vorgängervorschrift "insbesondere" den Wegfall der Verfolgungsgefahr auf Grund eines Wechsels des politischen Systems vor Augen (vgl. oben a). Die Widerrufsvoraussetzungen sollten mithin nicht auf diesen praktisch häufigsten Anwendungsfall der Vorschrift beschränkt werden (vgl. OVG Münster, EZAR 214 Nr. 16).
Diese Auslegung steht im Einklang mit der Genfer Flüchtlingskonvention, deren Art. 1 C keine abschließende Regelung des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung enthält (vgl. auch oben a). Vielmehr ist Art. 33 Abs. 2 GFK zu berücksichtigen, der vorsieht, dass sich auf die Vergünstigung des Refoulement-Verbots des Art. 33 Abs. 1 GFK nicht ein Flüchtling berufen kann, der aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit des Landes anzusehen ist, in dem er sich befindet, oder der eine Gefahr für die Allgemeinheit dieses Staates bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder eines besonders schweren Vergehens rechtskräftig verurteilt wurde. Die Anwendung von Art. 33 Abs. 2 GFK, an den § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG angelehnt ist, ist - anders als der Ausschlussgrund des Art. 1 F Buchst. b) - nicht davon abhängig, ob sein Tatbestand vor oder nach der Anerkennungsentscheidung erfüllt wird. Vielmehr entfällt der Schutz des Flüchtlingsrechts nach Art. 33 Abs. 2 GFK - ohne Beschränkung auf den (grundsätzlich kurzen) Zeitraum bis zur Flüchtlingsanerkennung - auch bei Straftaten, die nach der Einreise in das Zufluchtsland verübt werden (vgl. OVG Münster, a.a.O.; Hailbronner, Ausländerrecht (Stand Mai 1998) § 51 AuslG Rn. 37; vgl. auch - allerdings nicht im Sinne einer Vorwirkung - künftig Art. 14 Abs. 4 der bereits in Kraft getretenen, aber bisher nicht umgesetzten Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004, ABl L 304 vom 30. September 2004, S. 12).
Auch insoweit tragen die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht den angegriffenen Widerrufsbescheid. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar bezogen auf die allein in Betracht kommende zweite Alternative des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG festgestellt, dass der Kläger wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt worden ist. Diese rechtskräftige Verurteilung führt aber nur dann zum Widerruf der Asyl- und Flüchtlingsanerkennung, wenn eine konkrete Wiederholungsgefahr besteht (vgl. hierzu näher Urteil vom 16. November 2000 - BVerwG 9 C 6.00 - BVerwGE 112, 185 <188 ff.>). Eine solche Gefahr liegt vor, wenn in Zukunft neue vergleichbare Straftaten des Ausländers ernsthaft drohen. Dazu hat das Oberverwaltungsgericht bisher keine hinreichenden Feststellungen getroffen. Die Aussetzung des Strafrests zur Bewährung, auf die es verweist, stellt zwar ein wichtiges Indiz gegen das Bestehen einer Wiederholungsgefahr dar, rechtfertigt aber allein noch nicht deren Verneinung.
4. Aus § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten, wie das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat. Nach dieser Bestimmung ist von einem Widerruf abzusehen, wenn sich der Ausländer auf zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Rückkehr in den Staat abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Diese Regelung ist offenbar Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 und Nr. 6 Satz 2 GFK nachgebildet, der dem UNHCR (NVwZ, Beilage Nr. I 2003, S. 57 <59> m.w.N.) zufolge in der Staatenpraxis als Ausdruck eines humanitären Grundsatzes des Flüchtlingsrechts über seinen Wortlaut hinaus nicht nur auf sog. statutäre Flüchtlinge nach Art. 1 A Nr. 1 GFK, sondern auch auf Flüchtlinge im Sinne des Art. 1 A Nr. 2 GFK angewendet wird (vgl. auch Köfner/Nicolaus, Grundlagen des Asylrechts in der Bundesrepublik Deutschland, 1986, Band 2, S. 605).
§ 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG enthält danach eine einzelfallbezogene Ausnahme von der Beendigung der Flüchtlingseigenschaft, die unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen von Satz 1 der Vorschrift gilt. Von einem Widerruf ist dann abzusehen, wenn sich aus dem konkreten Flüchtlingsschicksal besondere Gründe ergeben, die eine Rückkehr unzumutbar erscheinen lassen. Maßgeblich sind somit Nachwirkungen früherer Verfolgungsmaßnahmen, ungeachtet dessen, dass diese abgeschlossen sind und sich aus ihnen für die Zukunft keine Verfolgungsgefahr mehr ergibt. Der Rückkehr in den Heimatstaat müssen (gegenwärtige) zwingende Gründe entgegenstehen (d.h. eine Rückkehr muss unzumutbar sein). Diese Gründe müssen außerdem auf einer früheren Verfolgung beruhen. Zwischen der früheren Verfolgung und der Unzumutbarkeit der Rückkehr muss daher bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung ein kausaler Zusammenhang bestehen.
Dagegen schützt auch diese Vorschrift nicht gegen allgemeine Gefahren. Ebenso wenig können aus ihr allgemeine, von den gesetzlichen Voraussetzungen losgelöste Zumutbarkeitskriterien hergeleitet werden, die einem Widerruf der Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung entgegenstehen. § 73 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG trägt vielmehr der psychischen Sondersituation solcher Personen Rechnung, die ein besonders schweres, nachhaltig wirkendes Verfolgungsschicksal erlitten haben und denen es deshalb selbst lange Zeit danach - auch ungeachtet veränderter Verhältnisse - nicht zumutbar ist, in den früheren Verfolgerstaat zurückzukehren (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 73 AsylVfG Rn. 29 m.w.N.). Die Signatarstaaten hatten bei der Schaffung des zugrunde liegenden Art. 1 C Nr. 5 Satz 2 GFK das Schicksal jüdischer Flüchtlinge aus dem nationalsozialistischen Deutschland vor Augen (vgl. Takkenberg/Tahbaz, The collected Travaux preparatoires of the 1951 Geneva Convention Relating to the Status of Refugees, Band III S. 481 ff.).
5. b) Auch aus dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 73 Abs. 2 a AsylVfG kann der Kläger nichts zu seinen Gunsten herleiten, da diese Vorschrift auf den angefochtenen Widerrufsbescheid noch nicht anwendbar ist. Danach hat die Prüfung, ob die Voraussetzungen für einen Widerruf nach Abs. 1 vorliegen, spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen (Satz 1). Das Ergebnis ist der Ausländerbehörde mitzuteilen (Satz 2). Ist nach der Prüfung ein Widerruf nicht erfolgt, so steht eine spätere Entscheidung nach Abs. 1 im Ermessen des Bundesamts (Satz 3).
§ 73 Abs. 2 a AsylVfG findet auf vor dem 1. Januar 2005 ergangene Widerrufsentscheidungen keine Anwendung (vgl. OVG Münster, AuAS 2005, 175; VGH Kassel, AuAS 2005, 152 und Beschluss vom 1. August 2005 - 7 UE 1364/05.A - <juris>; VGH München, Beschluss vom 25. April 2005 - Az.: 21 ZB 05.30260 - <juris>). Der amtlichen Begründung zufolge sollte mit der Einführung einer obligatorischen Prüfungspflicht erreicht werden, dass die Vorschriften über den Widerruf und die Rücknahme, die in der Praxis bisher weitgehend leergelaufen sind, an Bedeutung gewinnen (BTDrucks 15/420, S. 112). Keiner Entscheidung bedarf hier, ob die Dreijahresfrist ausschließlich öffentlichen Interessen dient. Jedenfalls stellt das neu eingeführte mehrstufige Verfahren eine zukunftsbezogene Regelung dar. § 73 Abs. 2 a Satz 1 AsylVfG erteilt mit der Formulierung "die Prüfung ... hat spätestens nach Ablauf von drei Jahren nach Unanfechtbarkeit der Entscheidung zu erfolgen" einen bindenden Auftrag an die Behörde, der sich lediglich auf Fälle bezieht, in denen bei Inkrafttreten der Vorschrift weder ein Widerruf noch eine Rücknahme der Anerkennung erfolgt ist. Der erkennbare Zusammenhang mit dem ebenfalls am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen § 26 AufenthG verdeutlicht, dass es sich bei der Prüfungs- und Mitteilungspflicht des § 73 Abs. 2 a Satz 1 und 2 AsylVfG, an die die nach Satz 3 zu treffende Ermessensentscheidung anknüpft, um einen in die Zukunft gerichteten Auftrag an das Bundesamt handelt (vgl. OVG Münster, a.a.O.; VGH Kassel, a.a.O.). Hätte der Gesetzgeber eine rückwirkende Geltung der in Rede stehenden Vorschrift beabsichtigt, so hätte es einer entsprechenden Übergangsvorschrift bedurft. Diese fehlt indessen. Offen bleiben kann, ob § 73 Abs. 2 a AsylVfG darüber hinausgehend nur für den Widerruf von Anerkennungsbescheiden gilt, die nach dem 1. Januar 2005 ergangen sind (vgl. hierzu VG Göttingen, Urteil vom 6. September 2005 - 2 A 91/05).