OVG Mecklenburg-Vorpommern

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Zitieren als:
OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 01.02.2006 - 2 L 121/02 - asyl.net: M7836
https://www.asyl.net/rsdb/M7836
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für yezidischen Sheikh; Situation von Yeziden außerhalb Nordiraks verschlechtert; Frage der Gruppenverfolgung von Yeziden offen gelassen; keine inländische Fluchtalternative im Nordirak.

 

Schlagwörter: Irak, Jesiden, Sheik, religiös motivierte Verfolgung, nichtstaatliche Verfolgung, Kurden, Gruppenverfolgung, Schutzfähigkeit, religiöse Würdenträger, Sinjar-Gebiet, Nordirak, interne Fluchtalternative
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für yezidischen Sheikh; Situation von Yeziden außerhalb Nordiraks verschlechtert; Frage der Gruppenverfolgung von Yeziden offen gelassen; keine inländische Fluchtalternative im Nordirak.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Die Berufung ist zurückzuweisen, weil der Kläger bei Berücksichtigung der nach § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen (aktuellen) Sach- und Rechtslage einen Anspruch auf den begehrten Abschiebungsschutz - nunmehr statt auf § 51 Abs. 1 AuslG auf § 60 Abs. 1 AufenthG gestützt - hat.

Ob ihm politische Verfolgung schon wegen seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Yeziden droht, kann der Senat allerdings offen lassen, maßgeblich ist hier darauf abzustellen, dass die Verfolgungswahrscheinlichkeit im Falle des Klägers deshalb erhöht ist, weil es sich bei ihm um einen religiösen Würdenträger aus dem Sinjar-Gebiet handelt.

Zunächst ist davon auszugehen, dass sich die Lage für Yeziden außerhalb des kurdisch kontrollierten Teils des Irak - wozu auch das Sinjar-Gebiet (westlich von Mosul) gehört - nach dem Sturz des Baath-Regimes erheblich verschlechtert hat. Dies liegt auch daran, dass Yeziden Kurden sind und auch allgemein für Kurden gehalten werden. Sie gelten daher in islamischen Kreisen nicht nur als "Ungläubige", sondern zudem als Verbündete der Amerikaner. Besonders gefährdet sind yezidische Funktionsträger. Die Gefahren gehen nicht unmittelbar von staatlichen Stellen, sondern von Personen, die immer stärker radikal-islamische Haltungen einnehmen, aus. Die noch im Aufbau befindlichen staatlichen Stellen sind jedenfalls in der genannten Region nicht in der Lage, dagegen Schutz zu gewähren; die Täter müssen auch nicht mit Strafe rechnen (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak vom 24.11.2005; Deutsches Orient-Institut, Stellungnahme vom 14.02.2005 gegenüber dem VG Köln zum Az. 18 K 8648/01.A; Europäisches Zentrum für kurdische Studien, Stellungnahme vom 03.11.2004, a.a.O.; VG Köln, Urt. v. 22.08.2005 - 18 K 8648/01.A -).

Der Kläger ist auch landesweit gefährdet. Insbesondere kann er nicht auf den Nordirak als innerstaatliche Fluchtalternative verwiesen werden (vgl. VG Köln, a.a.O.; UNHCR, Stellungnahme vom 06.09.2005 gegenüber dem VG Stuttgart zum Az. A 2 K 13918/03).