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Zitieren als:
BVerwG, Urteil vom 29.09.2005 - 1 C 33.04 - asyl.net: M7855
https://www.asyl.net/rsdb/M7855
Leitsatz:
Schlagwörter: vereinfachtes Berufungsverfahren, Anhörung, Verfahrensmangel, absoluter Revisionsgrund, Revision, Staatsangehörigkeit, Sachaufklärungspflicht, Staatenlose
Normen: VwGO § 130a S. 2; VwGO § 125 Abs. 2; VwGO § 138 Nr. 3; GG Art. 16a; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Der angefochtene Beschluss, der im sog. vereinfachten Berufungsverfahren ohne mündliche Verhandlung nach § 130 a VwGO ergangen ist, ist bereits deshalb aufzuheben, weil - wie die Revision zu Recht geltend macht und das Berufungsgericht in seiner Abhilfeentscheidung selbst eingeräumt hat - die für eine solche Verfahrensweise notwendige Anhörung der Kläger entgegen § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO versehentlich unterblieben ist. Das Unterlassen der zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gesetzlich vorgesehenen Anhörung nach § 130 a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 2 VwGO stellt einen Verfahrensmangel und absoluten Revisionsgrund gemäß § 138 Nr. 3 VwGO dar. Die angefochtene Berufungsentscheidung muss deshalb aufgehoben und die Sache an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen werden (vgl. § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 137 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 § 138 Nr. 3 VwGO).

Zur Förderung des weiteren Verfahrens und zu der Rüge in der Revisionsbegründung (unter II., S. 3) bemerkt der Senat, dass der Verwaltungsgerichtshof dem Vortrag der Kläger dazu, dass sie nicht syrische Staatsangehörige, sondern staatenlose Kurden oder türkische Staatsangehörige seien, nachgehen muss (vgl. insbesondere Urteil vom 8. Februar 2005 - BVerwG 1 C 29.03 - InfAuslR 2005, 339, 341; Urteil vom 22. Februar 2005 - BVerwG 1 C 17.03 - (juris, dort Rn. 11); beide zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung BVerwGE vorgesehen und Urteil vom 12. April 2005 - BVerwG 1 C 3.04 - (juris)). Entgegen den Ausführungen in der Berufungsentscheidung haben die Kläger bereits bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 6. Oktober 2000 Angaben gemacht, aus denen sich ergibt, dass sie in Syrien jedenfalls wohl nicht als syrische Staatsangehörige betrachtet wurden (Akte des Bundesamts S. 29 ff., 30 und 37 ff.). Wie der Senat in dem zitierten Urteil vom 8. Februar 2005 a.a.O. hervorgehoben hat, kann Asyl und Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG regelmäßig nur zuerkannt werden, wenn die Staatsangehörigkeit des Betroffenen geklärt ist. Offen bleiben kann diese nur, wenn hinsichtlich sämtlicher als Staat der Staatsangehörigkeit in Betracht kommender Staaten die Gefahr politischer Verfolgung entweder bejaht oder verneint werden kann. Daraus folgt in verfahrensrechtlicher Hinsicht, dass der asylrechtliche Abschiebungsschutz - anders als der subsidiäre ausländerrechtliche Abschiebungsschutz - nicht isoliert bezogen auf einen einzelnen Abschiebezielstaat geprüft und abgeschichtet werden kann. Vielmehr sind alle Staaten in die Prüfung einzubeziehen, deren Staatsangehörigkeit der Betroffene möglicherweise besitzt oder in denen er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.