VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 14.11.2005 - 1 G 4109/05 - asyl.net: M7944
https://www.asyl.net/rsdb/M7944
Leitsatz:
Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, nachträgliche Befristung, Sofortvollzug, öffentliches Interesse, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 7 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

Zwar erweist sich die nachträgliche zeitliche Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis bei summarischer Prüfung als nach § 7 Abs. 2 S. 2 AufenthG als rechtmäßig, da eine für die Erteilung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung, die Existenz einer ehelichen Lebensgemeinschaft mit einem deutschen Staatsangehörigen, entfallen ist und die Frist ermessensgerecht nachträglich verkürzt worden ist, dennoch ist dem Rechtschutzantrag der Antragstellerin zu 1) zu entsprechen, weil ein überwiegendes öffentliches Interesse im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO nicht durchgreift.

Die sofortige Vollziehung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes darf nur dann angeordnet werden, wenn für den Sofortvollzug des Verwaltungsaktes ein besonderes, gerade im Einzelfall bestehendes öffentliches Interesse besteht, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (BVerfG, Beschl. d. 3. Kammer des 2. Senats, Auers 1996, S. 62; Hess. VGH, Beschl. v. 12.03.1997, Az.: 13 TG 1591/96, EZAR 622, Nr. 29; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 13.03.1997, Az.: 13 S 1132/96, Informationsbrief AuslR 1997, S. 358).

In den genannten Entscheidungen ist eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass der Umstand, dass die nachträgliche Befristung offensichtlich rechtmäßig ist, als solcher noch kein besonderes Vollzugsinteresse im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO ergibt. Wie der Hess. VGH zu Recht ausführt, kann ein solches dem Verwaltungsakt immanentes Vollzugsinteresse im Falle der zeitlichen Beschränkung der Aufenthaltserlaubnis nicht daraus hergeleitet werden, dass mit dieser Entscheidung alsbald konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter abgewehrt werden müssten. Die zeitliche Beschränkung der einem Ausländer erteilten Aufenthaltserlaubnis dient nicht dazu, Gefahren, die mit dem weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet verbunden sein könnten, auszuräumen, sondern dazu, den durch die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung legitimierten Aufenthalt des Ausländers vorzeitig beenden zu können. Ferner, so der Hess. VGH, ist die Vollziehung auch nicht deshalb notwendig eilbedürftig, weil grundsätzlich ein besonderes öffentliches Interesse daran bestünde, Ausländer, die offensichtlich die Voraussetzungen eines Aufenthaltstitels nicht mehr erfüllen, alsbald zur Ausreise zu verpflichten. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsauffassung, die das erkennende Gericht teilt, kann ein besonderes Vollzugsinteresse auch nicht etwa auf generalpräventive Erwägungen gestützt werden. Solche Gesichtspunkte sind der zugrundezulegenden Ermächtigungsnorm nicht immanent und sind deshalb nicht geeignet die Anordnung der sofortigen Vollziehung generell zu legitimieren. Derartige Gesichtspunkte können allenfalls im Einzelfall existieren (etwa wegen Verübung von Straftaten oder des Vorliegens sonstiger Ausweisungsgründe, z.B. bei einer Scheinehe), wofür vorliegend aber weder etwas vorgetragen noch ersichtlich ist.

Ferner ergibt sich nach der Entscheidung des Hess. VGH, dass die Befürchtung der Antragsgegnerin, die nachträgliche Befristung könne sich vor dem Hintergrund des Widerspruchs- und eines sich anschließenden Klageverfahrens aufgrund der zu erwartenden Verfahrensdauer erledigen und die Maßnahme deshalb leer laufen, ein besonderes öffentliches Interesse nicht zu begründen vermag. Diese Bewertung gilt um so mehr als zwischenzeitlich die Hauptsacheverfahren einen deutlich kürzeren Zeitraum in Anspruch nehmen als noch vor wenigen Jahren.

Aus der Entscheidung des VGH Baden-Württemberg ergibt sich ferner, dass sich ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung nicht daraus ergibt, dass der Aufenthalt des Ausländers nach Ablauf der zeitlich beschränkten Aufenthaltserlaubnis unrechtmäßig ist. Zwar beeinträchtigt die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts nach Ablauf der verkürzten Aufenthaltserlaubnis das öffentliche Interesse an der Einhaltung aufenthaltsrechtlicher Vorschriften, diese Beeinträchtigung ist jedoch nicht von solchem Gewicht, dass sie für sich genommen die unverzügliche Entfernung der Antragstellerin aus dem Bundesgebiet rechtfertigt. Das ergibt sich aus der in § 58 Abs. 2, § 84 Abs. 1 AufenthG zum Ausdruck kommenden Entscheidung des Gesetzgebers, die sofortige Beendigung eines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet generell nur in den in diesen Vorschriften bezeichneten Fallgestaltungen zu verlangen. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass in allen anderen Fällen die bloße Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts ohne Hinzutreten weiterer Umstände ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung des die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts begründenden Verwaltungsaktes im Sinne von § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO regelmäßig nicht begründet.