OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 01.03.2006 - 11 ME 48/06 - asyl.net: M7947
https://www.asyl.net/rsdb/M7947
Leitsatz:
Schlagwörter: Ausweisung, örtliche Zuständigkeit, Haft, Unbeachtlichkeit, Verfahrensmangel, offener Vollzug, gewöhnlicher Aufenthalt
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2; Nds. SOG § 100; VwVfG § 46; AufenthG § 53
Auszüge:

Die Beschwerde des Antragstellers, mit der er im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erreichen will, dass seine für den 6. März 2006 beabsichtigte Abschiebung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG ausgesetzt wird, bleibt ohne Erfolg.

Er macht einmal geltend, dass der Antragsgegner für den Erlass der Verfügung vom 10. Januar 2006 örtlich nicht zuständig gewesen sei. Abzustellen sei grundsätzlich auf den gewöhnlichen Aufenthalt. Er halte sich im Rahmen des offenen Strafvollzuges in der JVA B. und damit im Zuständigkeitsbereich des Landkreis C. auf. Hilfsweise komme eine Zuständigkeit der Ausländerbehörden in D., da dort seine Kinder wohnten, oder in E., wo er am 30. April 2002 auf dem Flughafen festgenommen worden sei, in Betracht. Der Senat vermag jedoch insofern keinen beachtlichen Verfahrensfehler zu erkennen.

Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz enthält ebenso wenig wie zuvor das Ausländergesetz 1990 eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Ausländerbehörde. Vielmehr wird die Bestimmung der örtlich zuständigen Ausländerbehörde dem jeweiligen Landesgesetzgeber überlassen. In Niedersachsen bestehen jedoch keine gesetzlichen Vorschriften, mit denen ausdrücklich die örtliche Zuständigkeit der Behörden zur Ausführung des Aufenthaltsgesetzes bestimmt ist. Zurückzugreifen ist deshalb gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 Nds. VwVfG auf § 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG), es sei denn, dass Rechtsvorschriften des Landes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Da es im vorliegenden Fall um die Ausweisung eines in Strafhaft befindlichen Ausländers und damit um eine Aufgabe der Gefahrenabwehr geht, hat die spezielle Regelung des § 100 Nds. SOG Vorrang (so bereits zur Rechtslage nach dem AuslG 1990 Senatsurt. v. 24. 8. 1995 - 11 L 1047/95 -, Nds.VBl. 1996, 40). Das sieht auch Nr. 71.1.2.1. i.V.m. 71.1.9. der Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (Vorl. Nds. VVAufenthG) vom 31. März 2005 in der Fassung vom 30. November 2005 vor. Dies bedeutet, dass für die Ausweisung des Antragstellers, der seit seiner Abschiebung in die Türkei am 22. Juni 1999 keinen gewöhnlichen Aufenthaltsort in Deutschland mehr besaß, gemäß § 100 Abs. 1 Satz 3 Nds. SOG vorrangig die Ausländerbehörde des Haftortes örtlich zuständig sein dürfte (vgl. Senatsbeschl. v. 17. 2. 2000 - 11 L 234/00 -). Der Antragsteller befindet sich seit Mai 2002 in der JVA F. Allerdings wurde er am 21. Oktober 2005 in deren Außenstelle nach B. verlegt. Ihm wurde von dort Vollzugsausgang im Umfang von 36 Stunden im Monat gewährt. Diese Zeit verbringt er nach seinen eigenen Angaben überwiegend mit seinen Kindern. Gegenwärtiger Haftort ist damit B., das im Zuständigkeitsbereich des Landkreises C. liegt. Dies bedeutet aber nicht, dass der Landkreis C. zwangsläufig auch die für den Antragsteller örtlich zuständige Ausländerbehörde ist. Zum einen stellt eine bloß vorübergehende Unterbringung im offenen Vollzug in B. keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG dar (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 9. Aufl., § 3 Rdnr. 27 a und 31). Zum anderen handelt es sich bei der Außenstelle B. um einen unselbständigen Teil der JVA F. Es ist davon auszugehen, dass - wie allgemein üblich - die Entlassung in der Hauptanstalt in F. vorgenommen wird. Für Wolfenbüttel ist jedoch der Antragsgegner örtlich zuständig (vgl. zu einem derartigen Fall auch Senatsbeschl. v. 20. 7. 1993 - 11 M 2846/93 - , OVGE 44, 328).

Aber selbst wenn man der Auffassung wäre, dass hier der Landkreis Helmstedt die für den Antragsteller zuständige örtliche Ausländerbehörde wäre, käme gemäß § 46 VwVfG i. V. m. § 1 Nds. VwVfG eine Aufhebung der angefochtenen Verfügung nicht in Betracht. Da es sich um eine zwingende Ausweisung nach § 53 Nr. 1 und 3 AufenthG handelt und der Antragsteller weder einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AufenthG noch auf Duldung nach § 60 a Abs. 2 AufenthG hat, hätte auch von dem Landkreis G. keine andere Entscheidung in der Sache getroffen werden können.