VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 09.02.2006 - 7 G 391/06.AF(V) - asyl.net: M7949
https://www.asyl.net/rsdb/M7949
Leitsatz:

Stellt ein abgelehnter Asylbewerber bei der erneuten Einreise am Flughafen einen Folgeantrag, hat er erst dann ein Einreiserecht, wenn das Bundesamt ein weiteres Asylverfahren durchführt; bis zur Entscheidung des Bundesamtes über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens darf der Ausländer nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden; lehnt das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab, richtet sich das weitere Verfahren nach § 15 AufenthG, nicht nach dem Flughafenverfahren nach § 18 a AsylVfG.

 

Schlagwörter: Folgeantrag, Flughafenverfahren, Einreise, Bundespolizei, Bundesamt, Zurückweisung, Zurückschiebung, Aufenthaltsgestattung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Rechtsschutzgarantie
Normen: AufenthG § 15 Abs. 1; AsylVfG § 18 Abs. 2; AufenthG § 57; AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2; AsylVfG § 18a Abs. 1 S. 3; AsylVfG § 18a Abs. 4; AsylVfG § 71 Abs. 1 S. 1; AsylVfG § 18a Abs. 6 Nr. 3
Auszüge:

Stellt ein abgelehnter Asylbewerber bei der erneuten Einreise am Flughafen einen Folgeantrag, hat er erst dann ein Einreiserecht, wenn das Bundesamt ein weiteres Asylverfahren durchführt; bis zur Entscheidung des Bundesamtes über die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens darf der Ausländer nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben werden; lehnt das Bundesamt die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab, richtet sich das weitere Verfahren nach § 15 AufenthG, nicht nach dem Flughafenverfahren nach § 18 a AsylVfG.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Das Bundespolizeiamt hat zu Recht dem Antragsteller die Einreise in das Bundesgebiet verweigert und seine Zurückweisung angeordnet, nachdem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 25.1.2006 es abgelehnt hatte, auf den Asylfolgeantrag des Antragstellers vom 23.1.2006 hin ein weiteres Asylverfahren durchzuführen sowie die mit Bescheid vom 16.3.2004 getroffene Feststellung abzuändern, dass Abschiebungshindernisse i.S. des § 53 Abs. 1 - 6 AuslG nicht vorliegen.

Gemäß § 15 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer an der Grenze zurückgewiesen, wenn dieser unerlaubt einreisen will. Nach der Legaldefinition des § 14 Abs. 1 AufenthG ist die Einreise eines Ausländers in das Bundesgebiet unerlaubt, wenn er einen erforderlichen Pass oder Passersatz i.S. des § 3 Abs. 1 AufenthG nicht besitzt (Nr. 1) oder den nach § 4 AufenthG erforderlichen Aufenthaltstitel nicht besitzt (Nr. 2) oder nach § 11 Abs. 1 AufenthG nicht einreisen darf, es sei denn, er besitzt eine Betretenserlaubnis nach § 11 Abs. 2 AufenthG (Nr. 3). Ausweislich der dem Gericht vorliegenden Behördenakte war der Antragsteller bei seiner Einreisekontrolle weder im Besitz eines gültigen Passes noch besaß er einen zur Einreise berechtigenden Aufenthaltstitel oder eine Betretenserlaubnis.

Das vom Antragsteller bei der Antragsgegnerin am 22.1.2006 vorgebrachte Asylersuchen und auch das anschließende förmliche Beantragen von Asyl gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtling, Außenstelle Frankfurt/Main-Flughafen, am 23.1.2006 haben dem Antragsteller kein von Verfassungswegen (Art. 16 a Abs. 1 GG) vorgegebenes oder einfachgesetzlich verbürgtes Recht vermittelt, in das Bundesgebiet einzureisen und sich hier rechtmäßig aufzuhalten. Zwar bestimmt § 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, dass einem Ausländer, der um Asyl nachsucht, zur Durchführung des Asylverfahrens der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet ist. Dieses Aufenthaltsrecht, das vorbehaltlich der Gründe für eine Verweigerung der Einreise nach § 18 Abs. 2 AsylVfG, unmittelbar kraft Gesetzes und ohne weiteres behördliches Zutun entsteht, setzt jedoch zwingend voraus, dass ein Asylverfahren durchgeführt wird. Dies ist bei einem Erstantrag grundsätzlich der Fall. Stellt hingegen wie im vorliegenden Falle ein Ausländer nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrages erneut einen Asylantrag (Folgeantrag), so ist ein weiteres Verfahren nur dann durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG vorliegen (§ 71 Abs. 1 S. 1 AsylVfG). In aufenthaltsrechtlicher Hinsicht hat dies zur Folge, dass ein Folgeantragsteller die gesetzliche Aufenthaltsgestattung des § 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG und gegebenenfalls als Vorwirkung auch ein Recht auf Gestattung der Einreise erst dann erwirbt, wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Rahmen seiner Zulässigkeitsprüfung zu dem Ergebnis gelangt ist, dass ein weiteres Asylverfahren durchzuführen ist.

Da jedoch auch ein Folgeantrag ein Asylantrag i.S. des § 13 Abs. 1 AsylVfG ist, hat jedenfalls bis zur Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG eine Abschiebung des Folgeantragstellers zu unterbleiben. Dementsprechend ist auch die Grenzbehörde - vorbehaltlich der Ausnahmen, die in § 18 Abs. 2 AsylVfG geregelt sind - gehindert, solange eine Zurückweisung gemäß § 15 AufenthG oder eine Zurückschiebung gemäß § 57 AufenthG zu vollziehen. Dies ist nicht nur im Hinblick auf Art. 16a Abs. 1 GG verfassungsrechtlich (vgl. in diesem Zusammenhang auch BVerfG, Beschl. v. 30.6.1991 - 1 BvR 561/81 u.a., NJW 1981, S. 1896 zur damaligen Prüfung eines Folgeantrags auf seine Beachtlichkeit hin durch die Ausländerbehörde), sondern auch in Anbetracht des Refoulement-Verbots des Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention völkerrechtlich geboten. Hiervon geht auch das Asylverfahrensgesetz aus, indem es in § 71 Abs. 5 S. 2 bestimmt, dass die Abschiebung eines Folgeantragstellers erst nach einer Mitteilung des Bundesamtes, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG nicht vorliegen, vollzogen werden kann. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Folgeantrag offensichtlich unschlüssig ist oder der Antragsteller in einen sicheren Drittstaat abgeschoben werden soll. Dementsprechend verpflichtet § 18 Abs. 1 AsylVfG die Grenzbehörde, einen Ausländer, derum Asyl nachsucht, unverzüglich an die zuständige oder nächstgelegene Aufnahmeeinrichtung weiterzuleiten, um dort den Asylantrag zu stellen. Diese Verpflichtung gilt gleichermaßen für Erst- und Folgeanträge.

Allerdings ist der Antragsteller von dem Bundespolizeiamt Flughafen Frankfurt/Main nicht an eine Aufnahmeeinrichtung i.S. des § 44 AsylVfG weitergeleitet worden. Vielmehr wurde sein Asylersuchen an die Außenstelle Frankfurt/Main-Flughafen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zum Zwecke der förmlichen Antragstellung gemäß § 18a Abs. 1 S. 3 AsylVfG abgegeben. Insoweit hatte das Bundespolizeiamt jedoch frei von Rechtsfehlern gehandelt, da der Antragsteller nicht im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes war und daher die formalen Voraussetzungen erfüllt waren, um über seinen Asylantrag noch vor der Einreise im so genannten Flughafenverfahren zu entscheiden.

Dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge schließlich den Folgeantrag des Antragstellers nicht als offensichtlich unbegründet i.S. des § 18a Abs. 2 und 3 i.V. mit § 30 AsylVfG abgelehnt hat, sondern bereits im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu dem Ergebnis gekommen ist, das Vorliegen von Wiederaufgreifensgründen i.S. des § 51 Abs. 1 - 3 VwVfG zu verneinen und dementsprechend die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abzulehnen, ist gleichfalls rechtlich nicht zu beanstanden.

Allerdings hat der Umstand, dass das Bundesamt wie im vorliegenden Fall die Entscheidung über einen Folgeantrag nicht als offensichtlich unbegründet tenoriert, sondern die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ablehnt, zur Folge, dass die besonderen verfahrensrechtlichen Garantien des § 18a Abs. 4 AsylVfG, insbesondere auch das Verbot, vor Abschluss eines gerichtlichen Eilverfahrens eine Einreiseverweigerung zu vollziehen, nicht eingreifen. Jedoch ergibt sich ein solches Verbot in aller Regel unmittelbar aus der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG. Auch kann ein Folgeantragsteller den in § 18a Abs. 6 Nr. 3 AsylVfG verbürgten Anspruch auf Gestattung der Einreise, wenn das Verwaltungsgericht nicht innerhalb von vierzehn Tagen über einen Eilantrag nach § 18a Abs. 4 AsylVfG entschieden hat, nicht mit Erfolg für sich geltend machen. Folgerichtig bestimmt sich daher das weitere Vorgehen der Grenzbehörde bei einer solchen Fallkonstellation nach § 15 AufenthG (vgl. in diesem Zusammenhang auch Westphal/Stoppa, Ausländerrecht für die Polizei, 2. Aufl. 2001, S. 348 f.). Einer analogen Anwendung der Regelungen des § 18a AsylVfG auf einen Sachverhalt wie dem vorliegenden bedarf es daher nicht (so aber z.B. VG Frankfurt a.M., Beschl. v. 5.4.2004 - 7 G 1461/04.AF[1]; Beschl. v. 13.5.2005 - 3 G 1526/05.AF[V]); Beschl. v. 14.1.2003 - 3 G 68/03.AF[1]).