OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.11.2005 - 8 A 1020/05.A - asyl.net: M7968
https://www.asyl.net/rsdb/M7968
Leitsatz:
Schlagwörter: Berufungszulassungsantrag, Drittstaatenregelung, Einreise
Normen: GG Art. 16a Abs. 2; AsylVfG § 26a Abs. 1 S. 1
Auszüge:

Die Berufung ist nicht gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache, wenn sie eine für die Entscheidung des Streitfalls im Rechtsmittelverfahren erhebliche klärungsbedürftige Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft. Das ist hier nicht der Fall.

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, "ob der Asylausschlussgrund nach Art. 16 a Abs. 2 GG vom Tatbestand her auch den Fall umfasst, dass die Drittstaatsberührung zeitlich zwar vor dem letztmaligen Verlassen des Heimatstaates lag, diese nach dem Gesamtbild des Ausreiseablaufs aber letztlich zu einem einheitlich zu sehenden Ausreisevorgang zu zählen ist bzw. zur letztmaligen Ausreise aus dem Heimatland in einem derart nahen zeitlichen Zusammenhang steht, dass nicht von einer zuvor dauerhaften Rückkehr in den Heimatstaat bzw. einer wesentlichen Unterbrechung des Versuchs, sein Heimatland dauerhaft zu verlassen, gesprochen werden kann."

Die Frage ist, ohne dass es dazu der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedürfte, zu verneinen.

Gemäß Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG kann sich auf das Asylgrundrecht (Art. 16 a Abs. 1 GG) nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Eine entsprechende einfachgesetzliche Regelung findet sich in § 26 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, wonach die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung ebenfalls die Einreise "aus einem" sicheren Drittstaat voraussetzt. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist geklärt, dass für die Beurteilung der Frage, ob der Ausländer "aus" einem Drittstaat eingereist ist, von dem tatsächlichen Verlauf seiner Reise auszugehen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 (94)).

Kommt es danach für die Anwendbarkeit der Drittstaatenregelung auf die konkrete Reise, die den Ausländer in das Bundesgebiet geführt hat, und deren Verlauf an, ist ein etwaiger Aufenthalt in einem sicheren Drittstaat im Rahmen eines früheren, gescheiterten Ausreiseversuchs unerheblich, wenn der Ausländer danach - sei es freiwillig, sei es zwangsweise - in sein Heimatland zurückkehrt ist. Jedenfalls die Rückkehr in das Heimatland, die das Scheitern des vorangegangenen Fluchtversuchs bedeutet, stellt eine Zäsur und damit zugleich nach deren tatsächlichem Verlauf das Ende der früheren Reise dar.

Auch der Sinn und Zweck der Drittstaatenregelung spricht gegen die vom Kläger vertretene Auslegung. Art. 16 a GG soll eine gesamteuropäische Lastenverteilung ermöglichen; diese setzt die Klärung der Zuständigkeit für die Durchführung von Asylverfahren im Verhältnis der europäischen Staaten voraus (vgl. BVerwG, Urteil vom 2. September 1997 - 9 C 5.97 -, BVerwGE 105, 194).

Derartige Zuständigkeitsregelungen erfordern indessen möglichst klar zu handhabende Abgrenzungskriterien. Die vom Kläger geforderte wertende Beurteilung, ob eine erneute Ausreise angesichts der Gesamtumstände noch in einem nahen zeitlichen Zusammenhang mit einer früheren Ausreise steht, wäre dabei als Abgrenzungskriterium für staatliche Zuständigkeiten wenig geeignet.