OLG Hamm

Merkliste
Zitieren als:
OLG Hamm, Beschluss vom 27.10.2005 - 15 W 375/05 - asyl.net: M7986
https://www.asyl.net/rsdb/M7986
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Türkei, Generalkonsulat, Rechtsmittel, Haftverlängerung, Abschiebungshindernis, Ursächlichkeit, Passlosigkeit, Passausstellung
Normen: AufenthG § 62 Abs. 3 S. 2
Auszüge:

Ohne Rechtsfehler hat das Landgericht den Haftgrund des § 62 Abs.2 S.1 Nr.5 AufenthG bejaht.

Das Landgericht ist weiter davon ausgegangen, dass § 62 Abs.3 S.2 AufenthG einer Verlängerung der Haft über 6 Monate hinaus nicht entgegen steht, da der Betroffene seine Abschiebung verhindere. Dies hat das Landgericht im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Betroffene habe seine Abschiebung verhindert, indem er auf das Verfahren zur Erteilung eines Passersatzpapieres durch das türkische Generalkonsulat in unlauterer Weise Einfluss genommen habe. Dem Betroffenen sei zwar zuzugeben, dass er berechtigt sei, rechtliche Schritte zu ergreifen, um seine Abschiebung mit Hilfe von Anträgen bei Behörden und Gerichten zu verhindern. Dies gelte jedoch nicht, soweit er Einfluss nehme auf die Ausstellung von Passersatzpapieren. Die in jüngster Zeit von dem türkischen Generalkonsulat geübte Praxis, Ersatzpapiere nicht auszustellen, wenn noch "Rechtsverfahren" laufen, sei völkerrechtlich zu beanstanden. Der Betroffene mache sich in Kenntnis der rechtswidrigen Verfahrensweise diese Praxis zunutze. Seine Telefonate mit dem Konsulat und seine schriftlichen Eingaben dienten ersichtlich nur dem Zweck, die Erteilung von Passersatzpapieren zu verhindern.

Dies hält der rechtlichen Prüfung nicht stand. Ein Verhindern im Sinne des § 62 Abs.3 S.2 AufenthG ist, wie vom Landgericht nicht verkannt, anzunehmen, wenn ein von dem Ausländer zu vertretendes Handeln oder (pflichtwidriges) Unterlassen vorliegt, das ursächlich für die Nichtdurchführbarkeit der Abschiebung ist. Insoweit ist jedoch weitestgehend anerkannt, dass ein Verhindern im Sinne des Gesetzes grundsätzlich nicht in der Wahrnehmung förmlicher Rechtspositionen gesehen werden kann, also in der Stellung von Anträgen, Klageerhebungen o.ä. (vgl. OLG Frankfurt/M. OLGZ 1994, 509, 511 m.w.N.). Die Kontaktaufnahme zur eigenen Auslandsvertretung und die Kommunikation mit ihr ist ein derartiges Recht, da sie in Art.36 Abs.1 lit.a) WienKoÜbk ausdrücklich gewährleistet ist. Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann ein Verhindern daher nicht schon darin gesehen werden, dass der Betroffene sich mit dem Generalkonsulat in Verbindung gesetzt und hiermit möglicherweise eine der Ursachen für dessen Verfahrensweise gesetzt hat. Dies gilt auch dann, wen die Verfahrensweise des Generalkonsulats fragwürdig sein mag.

Auch bei der Wahrnehmung von Rechten kann ein zurechenbares Verhindern gleichwohl anzunehmen sein, wenn durch ein manipulatives Vorgehen, insbesondere durch eine Täuschung, die Behörde, das Gericht oder die Auslandsvertretung zur Verhinderung der Abschiebung instrumentalisiert werden. Eine derartige Annahme klingt in der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung zwar an, zumal auch der Antrag des Beteiligten zu 2) von einer Täuschung seitens des Betroffenen ausging, jedoch hat das Landgericht zu einer solchen Täuschung keine konkreten tatsächlichen Feststellungen getroffen.