VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2006 - 18 K 5085/05.A - asyl.net: M8113
https://www.asyl.net/rsdb/M8113
Leitsatz:

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG gilt auch für vor dem 1.1.2005 in Deutschland geborene Kinder.

 

Schlagwörter: Asylantrag, Antragsfiktion, Kinder, in Deutschland geborene Kinder, Zuwanderungsgesetz, Übergangsregelung, Rückwirkung, Altfälle
Normen: AsylVfG § 14a Abs. 2
Auszüge:

§ 14 a Abs. 2 AsylVfG gilt auch für vor dem 1.1.2005 in Deutschland geborene Kinder.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Insbesondere ein Einwand, der Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil es an einem rechtswirksamen Asylantrag fehle, greift nicht durch. Zwar hat der Kläger ausweislich der Verwaltungsvorgänge der Beklagten zu keiner Zeit einen Asylantrag im Sinne des § 13 AsylVfG gestellt. Allerdings gilt ein solcher Antrag gemäß § 14a Abs. 2 Satz 3 AsylVfG aufgrund der mit Schreiben der Stadt F vom 7. Oktober 2005 erfolgten Anzeige der Geburt des Klägers am 31. Dezember 1998 an das Bundesamt als gestellt. Nach dieser Vorschrift gilt nämlich ein Asylantrag mit Zugang der Anzeige gemäß § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG beim Bundesamt als gestellt.

Zwar ist § 14a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG nach vielfach vertretener Auffassung (vgl. VG Göttingen; Beschluss vom 17.03.2005 - 3 B 272/05 -; VG Braunschweig, Urteil vom 8. Juli 2005 - 6 A 151/05 -; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 13.07.2005 und 26.07.2005 - 15 L 1308/05.A und 15 L 1422/05.A - sowie Urteil vom 20.09.2005 - 15 K 2993/05.A -; VG Düsseldorf, Beschluss vom 14.07.2005 - 24 L 1241/05.A -; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 8. August 2005 - 1a L 991/05.A -; OVG NW, Beschluss vom 13.06.2005 - 18 B 901/05 -) nicht auf solche Kinder anwendbar, die - wie der Kläger - vor Inkrafttreten der Norm am 01.01.2005 geboren wurden. Danach soll § 14 a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG wegen seines zukunftsgewandten, im Präsens formulierten Tatbestandes nicht auf sogenannte "Altfälle", also auf vor dem 01.01.2005 geborene Kinder, anwendbar sein. Diese Auffassung überzeugt nicht.

Die Fassung des § 14 a Abs. 2 Satz 1 ist eindeutig. Sie bezieht sich ohne jeden Hinweis auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens am 01.01.2005 eindeutig auf alle Kinder, die nach der Antragstellung der Eltern oder eines Elternteils einreisen oder geboren werden. Sprachlicher Anknüpfungspunkt ist die Antragstellung des Ausländers und die danach stattfindende Einreise oder Geburt des Kindes, nicht aber, ob dies vor oder nach dem 01.01.2005 geschieht (vgl. VG Minden, Urteil vom 28.09.2005 - 11 K 1146/05.A -; VG Gießen, Beschluss vom 17. August 2005 - 8 G 1802/05.A -).

Beide Fälle werden durch die sprachliche Fassung des § 14 a Abs. 2 S. 1 AsylVfG abgedeckt. Folgt auf einen in der Vergangenheit liegenden Vorgang (Antragstellung) ein neu eintretendes Ereignis (Einreise oder Geburt), so ist dieses im Präsens zu formulieren, ohne dass darauf das Inkrafttreten der Norm irgendeinen Einfluss ausübt (so offensichtlich VG Minden, Urteil vom 28.09.2005 - 11 K 1146/05.A - und VG Düsseldorf, Beschluss vom 22.06.2005 - 14 L 1121/05.A -).

Die hier vertretende Auslegung entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 15/420, S. 108), durch die Fiktion der Asylanstragstellung für ledige Kinder bis zum vollendeten 16. Lebensjahr zu verhindern, dass durch eine sukzessive Antragstellung überlange Aufenthaltszeiten in Deutschland ohne aufenthaltsrechtliche Perspektiven für die Betroffenen entstehen. Sie wird bestätigt durch das Fehlen jeder, insbesondere einer die Anwendbarkeit der Vorschrift für vor dem 01.01.2005 geborene Kinder ausschließenden, Übergangsregelung. In Kenntnis des vorliegenden Problems hat der Gesetzgeber (vgl. VG Göttingen a.a.O.) eine Regelung zur Verfahrensbeschleunigung getroffen, die für alle Kinder gilt, gleichgültig ob sie vor oder nach dem 01.01.2005 geboren sind.

Die sich nach der hier vertretenen Auffassung erst jetzt stellende Frage nach der Vereinbarkeit des § 14 a Abs. 2 AsylVfG mit höherrangigem Recht ist zu bejahen.

Eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.05.1986 - 2 BvL 2/83 -, BVerfGE 72/200 (242)) liegt ersichtlich nicht vor, weil § 14 a Abs. 2 AsylVfG keine Rechtsfolgen für einen in der Vergangenheit abgeschlossenen Sachverhalt anordnet. Vielmehr soll der asylrechtliche Status der Kläger für die Zukunft durch die Fiktion einer Antragstellung geklärt werden.

Allerdings enthält die Vorschrift im Sinne einer unechten Rückwirkung eine tatbestandliche Rückanknüpfung an ein Ereignis, das vor dem 01.01.2005 (hier: Geburt des Klägers im Jahr 1998) stattgefunden hat. Dies ist indes verfassungsrechtlich unbedenklich, weil hierdurch keine Grundrechte des Klägers verletzt werden (vgl. VG Minden, Beschluss vom 14. Juni 2005 - 11 L 359/05.A -; VG Düsseldorf, Urteil vom 24. Oktober 2005, 14 K 3358/05.A -).

Zudem besteht für den Kläger auch kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der vor dem 01.01.2005 bestehenden Rechtslage im Hinblick auf die Regelungen über den Beginn eines erst nach diesem Zeitpunkt durchzuführenden Asylverfahrens.