VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 24.01.2006 - 11 S 693/05 - asyl.net: M8128
https://www.asyl.net/rsdb/M8128
Leitsatz:
Schlagwörter: Prozesskostenhilfe, Erfolgsaussichten, Aufenthaltserlaubnis, Ausreisehindernis, Syrien, Kurden, Staatenlose, Mitwirkungspflichten, Gutachten
Normen: VwGO § 166; ZPO § 114; ZPO § 117; AufenthG § 25 Abs. 5
Auszüge:

Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthaften Beschwerden der Kläger gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten im Beschluss des Verwaltungsgerichts. Freiburg vom 02.03.2005 sind zulässig und begründet.

Die Erfolgsaussichten der Klage sind nach dem maßgeblichen gegenwärtigen Erkenntnisstand zumindest als offen zu bezeichnen. Für die Gewährung von Prozesskostenhilfe ist es nicht erforderlich, dass der Prozesserfolg (annähernd) gewiss ist. Vielmehr besteht eine hinreichende Erfolgsaussicht schon dann, wenn ein Obsiegen ebenso wahrscheinlich erscheint wie ein Unterliegen, der Prozessausgang also offen ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschlüsse vom 20.07.2005 - 11 S 1807/04 -, vom 23.11.2004 - 7 S 2219/04 -, VBlBW 2005, 196 und vom 23.08.1989 - A 13 S 958/88 VBlBW 1989. 96; vgl. dazu auch BVerfG, Beschluss vom 05.02.2003 - 1 BvR 1526102 -, NVwZ 2003, 1251).

Die von den Klägern erstrebte Aufenthaltsbefugnis nach § 30 Abs. 3 AuslG, die nunmehr nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes zum 01.01.2005 als Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG zu erteilen wäre, wurde vom Landratsamt Waldshut mit Bescheid vom 27.10.2003 im wesentlichen deshalb abgelehnt, weil die Kläger zum einen nicht glaubhaft gemacht hätten, dass sie staatenlose Kurden seien und daher keine dauerhaften Hindernisse der Abschiebung entgegen stünden; außerdem bestehe zum anderen ein Regelversagungsgrund nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG, weil die Kläger ihren Lebensunterhalt nicht aus eigener Erwerbstätigkeit oder eigenen Mitteln bestreiten könnten. Diese Begründung machte sich auch das Regierungspräsidium Freiburg im Widerspruchsbescheid vom 28.09.2004 zu eigen. Ebenso lehnte das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 02.03.2005 die Gewährung von Prozesskostenhilfe deshalb ab, weil die Kläger falsche Angaben über ihre Staatsangehörigkeit bzw. die bestehende Staatenlosigkeit gemacht hätten. Die bereits im rechtskräftigen Urteil des Gerichts vom 29.07.2003 (im Asylverfahren) geäußerten nachhaltigen Zweifel an der behaupteten Staatenlosigkeit seien durch das im Widerspruchsverfahren eingeholte Gutachten des Deutschen Orientinstituts vom 16.08.2004 zu den von den Klägern vorgelegten Dokumenten bestätigt worden. Auch die neu vorgelegten weiteren Unterlagen rechtfertigten angesichts des bisherigen Verhaltens der Kläger keine andere Beurteilung. Im übrigen stehe der Erteilung der Aufenthaltserlaubnis § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (= § 7 Abs. 2 Nr. 2 AuslG) entgegen. Von dieser Erteilungsvoraussetzung sei auch in rechtlich nicht zu beanstandender Weise nicht abgesehen worden.

Das Ergebnis des vom Regierungspräsidium Freiburg eingeholten Gutachtens des Europäischen Zentrums für Kurdische Studien vom 27.12.2005 rechtfertigt nunmehr eine andere Einschätzung der Erfolgsaussichten. Die Staatenlosigkeit der Kläger zu 1., 3. und 4. steht danach auch zur Überzeugung des Regierungspräsidiums fest. Damit ist aber die Frage, ob die Kläger unverschuldet an der Ausreise gehindert sind, neu zu beurteilen. Auch hinsichtlich der Regelerteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts kommt bei Vorliegen eines in seiner Dauer nicht absehbaren Abschiebungshindernisses eine Ausnahme in Betracht.