VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 19.10.2005 - AN 3 K 05.31052 - asyl.net: M8130
https://www.asyl.net/rsdb/M8130
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Umverteilung, Schutz von Ehe und Familie, Kinder, deutsche Kinder, Zumutbarkeit, nichteheliche Kinder, nichteheliche Lebensgemeinschaft, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Straftaten, Bewährung, Wiederholungsgefahr
Normen: DVAsyl § 8 Abs. 1; DVAsyl § 8 Abs. 6
Auszüge:

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Umverteilung vom Landkreis Rhön-Grabfeld in die Stadt Nürnberg.

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist das mit der Klage geltend gemachte Begehren des Klägers, von einer Gemeinschaftsunterkunft im Landkreis Rhön-Grabfeld in eine Gemeinschaftsunterkunft im Bereich der Stadt Nürnberg umverteilt zu werden.

Die Voraussetzungen für einen landesinternen Umverteilungsanspruch nach § 8 Abs. 1 DVAsyl sind vorliegend gegeben. Nach dieser Vorschrift kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder auf Antrag des Leistungsberechtigten aus den in Abs. 6 genannten Gründen landesintern eine Umverteilung in einen anderen Landkreis oder eine andere kreisfreie Gemeinde im selben oder in einem anderen Regierungsbezirk erfolgen, wobei gem. Abs. 6 der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstigen humanitären Gründen von gleichem Gewicht Rechnung getragen werden soll. Dabei sind die Beteiligten übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Kläger tatsächlich zu den Leistungsberechtigten nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes gehört und somit auch das Gesetz über die Aufnahme und Unterbringung der Leistungsberechtigten nach dem Asylbewerberaufnahmegesetz (Aufnahmegesetz) vom 24. Mai 2002 auf den Kläger Anwendung findet. Die Beteiligten stimmen ersichtlich auch darin überein, dass der Kläger gem. Art. 4 AufnG zur Unterbringung in einer Gemeinschaftsunterkunft verpflichtet ist, eine Gestattung des Auszugs aus der Gemeinschaftsunterkunft gem. Art. 4 Abs. 4 dieses Gesetzes hat der Kläger auch ersichtlich nicht begehrt.

Der Kläger hat hier seinen Antrag gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 6 DVAsyl darauf gestützt, dass seine Lebensgefährtin, ... und beider gemeinsame Tochter in Nürnberg wohnen, dass ein hinreichender Kontakt des Vaters zu seinem minderjährigen Kind und dessen Mutter vom Landkreis Rhön-Grabfeld aus nicht möglich, aber geboten sei und dass Frau ... und dem Kind ein Umzug in den Landkreis Rhön-Grabfeld nicht zumutbar sei. Dabei gehen die Beteiligten übereinstimmend davon aus, dass es sich bei der am ... 2005 geborenen Tochter der tatsächlich um das Kind des Klägers handelt. Das Gericht hat, insbesondere nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung, auch keinen Anlass, an den Angaben des Klägers zu zweifeln, dass er tatsächlich einen häufigeren Kontakt zu seinem Kind und dessen Mutter sucht, zumal nach der übereinstimmenden Angabe des Klägers und der ... diese die baldige Eheschließung planen, eine Eheschließung bisher an der ablehnenden Haltung der Behörden gescheitert ist und bei Überwindung dieser Probleme demnächst erfolgen soll und dass der Kläger ein ernsthaftes Interesse an der Herstellung einer Familiengemeinschaft mit seiner Tochter und deren Mutter besitzt. Das Gericht hat auch keine Zweifel an der Richtigkeit der Angabe der ..., dass ihr ein Umzug in den Landkreis Rhön-Grabfeld wegen des dann drohenden Verlustes ihrer Wohnung und ihrer Erwerbstätigkeit nicht zumutbar sei.

Damit liegen nach Auffassung der Kammer die Tatbestandsvoraussetzungen für die Entscheidung über die landesinterne Umverteilung nach § 8 Abs. 1 Satz 1 DVAsyl vor. Weiter ist die Kammer der Überzeugung, dass das im Rahmen dieser Vorschrift der für die Entscheidung nach § 8 Abs. 2 Satz 2 DVAsyl zuständigen Regierung von Mittelfranken eröffnete Ermessen hier ausschließlich in der Weise rechtmäßig ausgeübt werden kann, als dem Umverteilungsantrag des Klägers stattgegeben wird.

Dies ergibt sich nach Überzeugung der Kammer daraus, dass dem hier festzustellenden berechtigten Interesse des Klägers sowie seiner Tochter an einer Ermöglichung eines engeren Kontakts und einer - auf Grund der Verpflichtung des Klägers, in einer Gemeinschaftsunterkunft zu wohnen - nur bedingt herstellbaren Familiengemeinschaft kein hinreichend gewichtiges öffentliches Interesse an einem Verbleib des Klägers im Landkreis Rhön-Grabfeld gegenüber steht. Dabei geht die Kammer davon aus, dass über den Wortlaut des § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 DVAsyl hinaus die in Abs. 5 genannten Gründe für eine Umverteilung bei entsprechender Sachlage ebenso gegen eine Umverteilung sprechen können, wenn z.B. die in § 9 genannten Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gerade für ein Verbleiben am bisherigen Ort und nicht für eine Umverteilung sprechen. Allerdings liegen nach Auffassung der Kammer solche hinreichend gewichtigen Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung hier nicht vor.

Soweit der Beklagte sich darauf beruft, dass dem Kläger durch den legalen Aufenthalt in Nürnberg die Möglichkeit, Straftaten zu begehen, erleichtert würde und dies im Hinblick auf das bisherige Verhalten des Klägers zu einer relevanten Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung führen würde, so vermag das Gericht dem nur in sehr beschränktem Umfang zu folgen. Zwar wurde der Kläger tatsächlich wegen banden- und gewerbsmäßiger Schleusertätigkeit vom Landgericht Flensburg zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 9 Monaten verurteilt, wobei sich nach dem Inhalt der in den Akten befindlichen Anklageschrift sowie des Strafurteils ein erheblicher Teil der Tätigkeiten des Klägers in diesem Zusammenhang in Nürnberg abspielte. Allerdings sieht die Kammer im Hinblick auf die Möglichkeiten der modernen Kommunikation, also z.B. per e-Mail, Handy oder Internet, kein nennenswertes Hindernis dafür, eine gewollte Schleusertätigkeit auch von einem Ort im Landkreis Rhön-Grabfeld aus zu organisieren bzw. sich an solchen Tätigkeiten zu beteiligen, wenn dies gewünscht wäre. Des Weiteren hat der Kläger auch nach der Verurteilung allein dadurch, dass ihm ein Bewährungshelfer in Nürnberg zugeteilt wurde, schon von der Strafvollstreckungskammer die Möglichkeit eröffnet erhalten, sich in regelmäßigen Abständen immer wieder in Nürnberg aufhalten zu dürfen, was bei einer nennenswerten Gefahr der Begehung von Straftaten auf Grund des Aufenthalts in Nürnberg geradezu widersinnig wäre und mit dem Zweck der Unterstützung durch einen Bewährungshelfer nicht vereinbar erschiene. Daraus lässt sich nur der Schluss ziehen, dass jedenfalls das Strafgericht keine relevante Erhöhung der Rückfallgefahr für den Kläger dadurch erblickte, dass dieser sich zeitweilig legal in Nürnberg aufhält.

Dabei kann auch nicht völlig außer Acht bleiben, dass zum einen die Reststrafe des Klägers zur Bewährung ausgesetzt wurde, was eine positive Zukunftsprognose voraussetzt und andererseits sich der Kläger in der Zwischenzeit nach dem Akteninhalt ernsthaft um die Aufnahme einer bezahlten Arbeit bemüht hat, wobei möglicherweise gerade die Verpflichtung zum Aufenthalt im Landkreis Rhön-Grabfeld den Erfolg dieser Bemühungen verhindert hat. Auch dürfte der engere Kontakt des Klägers zu seiner Lebensgefährtin und zu seiner Tochter ebenso wie die noch laufende Bewährungszeit eher zu einer Erhöhung der Hemmschwelle für die Begehung neuer Straftaten beim Kläger führen, welche durch die im Bereich einer Großstadt sicherlich größeren Möglichkeiten hierzu nicht ohne weiteres überwunden werden dürfte.