VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 31.01.2006 - AN 18 K 05.30522 - asyl.net: M8133
https://www.asyl.net/rsdb/M8133
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung für Angehörige einer Pfingst-Gemeinde in Eritrea, die während eines Gottesdienstes festgenommen worden war.

 

Schlagwörter: Eritrea, religiös motivierte Verfolgung, Christen, Pfingstgemeinden, Pentecostalgemeinden, Gottesdienst, Festnahme, Zeugen Jehovas, Registrierung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung für Angehörige einer Pfingst-Gemeinde in Eritrea, die während eines Gottesdienstes festgenommen worden war.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Klägerin steht ein Anspruch darauf zu, dass in ihrem Falle das Verbot einer Abschiebung nach Eritrea nach § 60 Abs. 1 AufenthG festgestellt wird.

Im vorliegenden Fall ist der Antrag der Klägerin, in ihrem Falle ein Abschiebeverbot nach § 60 AufenthG festzustellen, anhand dieses herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes zu prüfen, weil die Klägerin nach Überzeugung des Gerichts in ihrem Heimatland Eritrea bereits politische Verfolgung aus religiösen Gründen erlitten hat.

Durch die Vorlage der am 26. Juli 1998 ausgestellten Bescheinigung der Rhema Faith Ministries hat die Klägerin ihren bereits beim Bundesamt gemachten Vortrag glaubhaft gemacht, dass sie, die ursprünglich christlich-orthodox getauft gewesen ist, zu den Pfingstlern übergetreten und dort auch im Jahre 1998 in der Rhema-Kirche in Asmara getauft worden ist. Aus der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Stellungnahme des Instituts für Afrikakunde vom 2. November 2005 an das VG Arnsberg ist zu entnehmen, dass es sich bei der Kirche, die die Taufbescheinigung für die Klägerin ausgestellt hat, nämlich der Rhema Evangelical Church um eine Kirche handelt, die der Pentecostal-Bewegung angehört; insoweit handelt es sich um einen Oberbegriff, der auf mehrere Religionsgemeinschaften in Eritrea angewendet werden kann, die nicht den etablierten christlichen Glaubensgemeinschaften, das heißt der orthodoxen, der katholischen und der lutherisch-evangelischen Kirche angehören und auch als charismatische Kirchen bezeichnet werden, die in Eritrea in den vergangenen Jahren vermehrt Zugänge von Mitgliedern verzeichnet haben. In der oben bezeichneten Stellungnahme des Instituts für Afrikakunde ist sogar der die klägerische Taufbescheinigung ausstellende Pastor ... als Pastor der Rhema-Kirche in Asmara genannt, der laut Institut für Afrikakunde im Mai 2004 verhaftet worden sei.

Die Klägerin hat auch für das Gericht überzeugend glaubhaft gemacht, dass sie bereits aus religiösen Gründen in ihrem Heimatland Verfolgungsmaßnahmen erlitten hat. Bereits beim Bundesamt hat die Klägerin ausgeführt, dass sie im September 2003 in einer Wohnung, wo ein Gottesdienst stattgefunden hat, zusammen mit anderen Gottesdienstteilnehmern festgenommen und 11 Tage lang auf einer Polizeistation in Asmara festgehalten worden ist, weil sie nach Auffassung der Polizei ihren Glauben verbotenerweise ausgeübt habe.

Die von der Klägerin vorgebrachte Schilderung ihrer Vorfluchtgründe deckt sich auch mit der Auskunftslage, wie sie sich nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskünften für das Gericht ergibt: Übereinstimmend berichten sowohl das Auswärtige Amt in seinem Lagebericht vom 11. April 2005 als auch das Institut für Afrikakunde in seinen Stellungnahmen vom 2. und 3. November 2005, dass die eritreische Regierung zwar eine strikte Neutralität gegenüber den Religionsgemeinschaften betont, diese Neutralität in der Praxis nur gegenüber den vier "großen Religionen", der orthodoxen, der katholischen Kirche, der evangelischen Kirche von Eritrea und dem Islam einhält, aber von kleineren Religionsgemeinschaften, wie zum Beispiel den Pfingstlern, den "wiedergeborenen Christen", den Zeugen Jehovas seit Mai 2002 verlangt, dass diese sich zunächst registrieren lassen, um religiöse Aktivitäten weiter ausüben zu dürfen. Nach diesem Erlass der Regierung vom Mai 2002 wurde den Pentecostal- und bestimmten (nicht lutherischen) evangelischen Gemeinden untersagt, Gottesdienste durchzuführen, bis sie sich registriert und ihre Einkommensquellen offen gelegt hätten. Aus der Stellungnahme des Instituts für Afrikakunde vom 2. November 2005 ist weiterhin zu entnehmen, dass zwar einige Gemeinschaften dieser Aufforderung nicht folgen wollten, aber auch andere vergeblich versucht hätten, das Verfahren zu durchlaufen. Das Institut für Afrikakunde schließt daraus, dass es sich gewissermaßen um eine Hinhaltetaktik der Regierung handelt, die offenbar entschlossen sei, Aktivitäten dieser Gemeinschaften zu unterbinden. Das Auswärtige Amt führt hierzu aus, dass bisher diese religiösen Gemeinschaften ihre Gottesdienste auch privat nicht mehr feiern könnten, da das Registrierungsverfahren noch nicht abgeschlossen sei und sich zur Zeit auch nicht vorhersagen lasse, wann mit einem Abschluss des Registrierungsverfahrens zu rechnen sei.

Der klägerische Vortrag, dass auch die Teilnahme an Gottesdiensten im privaten Kreis als Anlass dafür genommen wird, Verhaftungen von Angehörigen von Pentecostal- und anderen Glaubensgemeinschaften vorzunehmen, wird sowohl vom Auswärtigen Amt in seinem Lagebericht vom 11. April 2005 als auch vom Institut für Afrikakunde in seiner Stellungnahme vom 2. November 2005 bestätigt.

Danach dienen solche gewaltsamen Übergriffe gegen Angehörige kleiner Religionsgemeinschaften dazu, um diese für ihre Zugehörigkeit zu diesen Religionsgemeinschaften zu bestrafen (Lagebericht des AA), um dadurch Druck auf Gläubige auszuüben, ihrem neuen Glauben zu entsagen und zur orthodoxen Kirche zurückzukehren (Institut für Afrikakunde, a.a.O.). Übereinstimmend berichten beide Erkenntnisquellen davon, dass dabei Misshandlungen und Folterungen vorgenommen worden sind.