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VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30.03.2006 - 1 G 1139/06 - asyl.net: M8159
https://www.asyl.net/rsdb/M8159
Leitsatz:

Die Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG tritt nicht ein, wenn der Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels oder der Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels erst nach Ablauf des Geltungszeitraums des früheren Aufenthaltstitels gestellt wird.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Verlängerungsantrag, Fiktionswirkung, Fortgeltungsfiktion, Duldungsfiktion, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: VwGO § 123; VwGO § 80 Abs. 5; AufenthG § 81 Abs. 4; AufenthG § 81 Abs. 3
Auszüge:

Die Fortgeltungsfiktion nach § 81 Abs. 4 AufenthG tritt nicht ein, wenn der Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels oder der Antrag auf Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels erst nach Ablauf des Geltungszeitraums des früheren Aufenthaltstitels gestellt wird.

Aamtlicher Leitsatz)

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO ist statthaft. Insbesondere steht der Statthaftigkeit nicht entgegen, dass vorläufiger Rechtsschutz nach Maßgabe des § 80 VwGO erlangt werden kann (§ 123 Abs. 5 VwGO). Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners wäre nämlich nur dann statthaft, wenn durch den Antrag auf Erteilung oder Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis entweder die Fortgeltungsfiktion des § 81 Abs. 4 AufenthG ausgelöst worden wäre oder jedenfalls die gesetzliche Aussetzung der Abschiebung nach § 81 Abs. 3 AufenthG. Beides ist jedoch nicht der Fall. Nach § 81 Abs. 4 AufenthG gilt der bisherige Aufenthaltstitel vom Zeitpunkt seines Ablaufs bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde als fortbestehend, wenn der Ausländer die Verlängerung dieses Aufenthaltstitels oder die Erteilung eines anderen Aufenthaltstitels beantragt. Zwar kann man aus der Wortbedeutung von "Verlängerung" nicht zwingend ableiten, dass der Verlängerungsantrag innerhalb der Geltungsdauer des bisherigen Aufenthaltstitels gestellt worden sein muss. Denn das Aufenthaltsgesetz kennt Regelungen, die ausdrücklich von einem Antrag auf Verlängerung des Aufenthaltstitels nach Ablauf der Geltungsdauer sprechen (§ 58 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AufenthG). Auch der Umstand, dass nicht nur im Falle eines Antrages auf Verlängerung die gesetzliche Fortgeltungsfiktion greift, sondern auch im Falle der Beantragung eines anderen Aufenthaltstitels, spricht dafür, dass allein aus dem Begriff der Verlängerung nicht zwingend auf die Kontinuität der Geltung geschlossen werden kann. Dass das Gesetz gleichwohl diese Kontinuität voraussetzt, folgt hier vielmehr aus dem Wort "bisher". Damit ist klar gestellt, dass die Fiktionswirkung nicht nur einfach einen früheren Aufenthaltstitel voraussetzt, sondern einen solchen der bis hier hin, also bis zum Zeitpunkt des Antrages auf Verlängerung oder Erteilung gegolten haben muss.

In der Literatur wird zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Entstehungsgeschichte der Vorschrift eher für die gegenteilige Auslegung spricht, also dafür, dass die Fiktionswirkung auch dann eintreten sollte, wenn die Geltungsdauer des früheren Aufenthaltstitels bereits abgelaufen ist. Das wird daraus geschlossen, dass die Worte "vor Ablauf der Geltungsdauer", die in dem ursprünglichen Gesetzentwurf enthalten waren, später gestrichen worden sind (Dienelt, Informationsbrief Ausländerrecht 2005, 136). Dieses Ergebnis scheint auch noch dadurch bestätigt zu werden, dass der in dem Entwurf ursprünglich enthaltene Absatz 4 Satz 2 ersatzlos gestrichen worden ist, wonach für später gestellte Anträge ausdrücklich geregelt war, dass die Fiktionswirkung nicht eintreten sollte, sondern stattdessen nur vom Zeitpunkt der Antragstellung an die Abschiebung ausgesetzt sein sollte (Dienelt a. a. O.). Diese Entstehungsgeschichte spricht aber eher für als gegen eine Bestätigung des Wortlautes. Schon die Tatsache, dass für später gestellte Anträge in dem gestrichen Satz 2 eine eigene Regelung aufgenommen worden ist, zeigt, dass dieser Fall von Satz 1 gerade nicht erfasst sein sollte (Renner, Ausländerrecht 8. Auflage 2005 § 81 AufenthG Rdnr. 20).

Sofern es sich um den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, den die Antragstellerin am 25.10.2004 gestellt hat, um einen solchen auf Verlängerung ihrer früheren Aufenthaltserlaubnis gehandelt haben sollte, so wurde dieser jedenfalls lange nach dem Ablauf der Geltungsdauer dieser früheren Aufenthaltserlaubnis gestellt. Dies hat zur Folge, dass die Fiktionswirkung des § 81 Abs. 4 AufenthG nicht eingetreten ist.

Der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis im Oktober 2004 hatte auch nicht zur Folge, dass bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde die Abschiebung der Antragstellerin als ausgesetzt galt, so dass dieser Zustand durch Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 VwGO wiederhergestellt werden könnte. Zwar tritt nach § 81 Abs. 3 Satz 2 AufenthG diese Wirkung gerade dann ein, wenn der Antrag verspätet gestellt worden ist. Indessen gilt dies nur in den Fällen, in denen sich ein Ausländer in der Vergangenheit rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat, ohne einen Aufenthaltstitel besitzen zu müssen. Diese Situation war für die Antragstellerin jedoch zu keinem Zeitpunkt gegeben.