Nichtstaatliche Verfolgung setzt ebenso wie staatliche Verfolgung einen "öffentlichen Bezug" voraus; nichtstaatliche Verfolgungsakteure müssen einen gewissen Organisationsgrad aufweisen; nichtstaatliche Verfolgungsakteure können auch staatliche Stellen sein, wenn der Staat keine staatliche Herrschaftsgewalt im asylrechtlichen Sinne ausüben kann; Flüchtlingsanerkennung für afghanischen Staatsangehörigen wegen Konversion zum Christentum; Regierung übt keine staatliche Herrschaftsgewalt im asylrechtlichen Sinne aus.
Nichtstaatliche Verfolgung setzt ebenso wie staatliche Verfolgung einen "öffentlichen Bezug" voraus; nichtstaatliche Verfolgungsakteure müssen einen gewissen Organisationsgrad aufweisen; nichtstaatliche Verfolgungsakteure können auch staatliche Stellen sein, wenn der Staat keine staatliche Herrschaftsgewalt im asylrechtlichen Sinne ausüben kann; Flüchtlingsanerkennung für afghanischen Staatsangehörigen wegen Konversion zum Christentum; Regierung übt keine staatliche Herrschaftsgewalt im asylrechtlichen Sinne aus.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Kläger haben einen Anspruch auf Zuerkennung von Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vom 30.7.2004 (BGBl. I S. 1950).
Auch § 60 Abs. 1 S. 4 AufenthG, der wie § 51 Abs. 1 AuslG an die Merkmale "Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe" bzw. "politische Überzeugung" anknüpft, setzt einen öffentlichen Bezug der Verfolgung voraus; es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Vorschrift im Vergleich zu § 51 Abs. 1 AuslG auf eine Verfolgung aus privaten Interessen ausweiten wollte. Allerdings erweitert die Neuregelung den Kreis der Verfolgungssubjekte gegenüber Art. 16 a Abs. 1 GG insoweit, als als solche neben dem Staat (Buchstabe a) auch Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen (Buchstabe b) oder nichtstaatliche Akteure in Betracht kommen, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten (Buchstabe c). Letzteres gilt unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine inländische Fluchtalternative.
Es kann dahin stehen, ob die Kläger im Zeitpunkt ihrer Ausreise aus Afghanistan einer asylrelevanten Vorverfolgung unterlagen, denn bei einer Rückkehr in ihr Heimatland droht ihnen im Hinblick auf ihren Übertritt zum Christentum politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
Das Gericht hat insgesamt den Eindruck gewonnen, dass das Christentum in der Familie der Kläger gelebt wird und die Konversion zum christlichen Glauben auf einer echten Überzeugung beruht.
Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan wäre es den Klägern nicht möglich, ihren christlichen Glauben weiterhin - und sei es auch nur im internen Bereich - zu bekennen. Das Gericht folgt der Einschätzung des Gutachters Dr. Mostafa Danesch in seiner an das Verwaltungsgericht Braunschweig gerichteten Stellungnahme vom 13.5.2004, wonach es in dem fundamentalistischen, von Stammesmentalität geprägten Afghanistan, in dem Clans bzw. Großfamilien die Einhaltung der in der Gesellschaft herrschenden Werte überwachen, unmöglich ist, den christlichen Glauben auch nur im familiären Bereich ungehindert auszuüben. Der Abfall vom Islam ist nach den Ausführungen Daneschs als denkbar schwerster religiöser Verstoß anzusehen und kann in der Nachbarschaft bzw. in der moslemischen Gemeinde nicht verborgen bleiben. Die Kläger könnten daher in Afghanistan nur unbehelligt leben, wenn sie ihren Glaubenswechsel geheim halten und von jeglicher christlich-religiösen Aktivität Abstand nehmen würden. Sie müssten ihren Glauben verleugnen und ein religiöses Existenzminimum wäre für sie nicht gewährleistet.
Allerdings findet in Afghanistan derzeit keine Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 4 lit. a) oder b) AufenthG durch den afghanischen Staat bzw. durch Parteien oder Organisationen statt, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen.
Machtgebilde, die eine übergreifende Friedensordnung errichtet haben und daher im Gegenzug zu einer derartigen Verfolgung fähig sind, bestehen in Afghanistan derzeit nicht.
Die Kläger unterliegen jedoch bei einer Rückkehr nach Afghanistan im Hinblick auf die zu befürchtenden Einschränkungen ihrer Religionsfreiheit und die aufgrund ihrer Konversion zum christlichen Glauben zu erwartende Gefährdung ihres Lebens mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr einer Verfolgung durch "nichtstaatliche Akteure" im Sinne von § 60 Abs. 1 S. 4 lit. c) AufenthG. Zu diesen zählt das Gericht auch organisatorische Einheiten wie Behörden und Gerichte des im Aufbau befindlichen Afghanistan, die schon einen gewissen Organisationsgrad aufweisen (vgl. zu diesem Erfordernis VG Sigmaringen, Urteil vom 18.7.2005 - A 2 K 11626/03 -, juris m.w.N.), ohne nach obigen Darlegungen jedoch bereits staatliche Verfolgung auszuüben. Den Klägern steht auch in anderen Landesteilen Afghanistans keine inländische Fluchtalternative zur Verfügung; vielmehr sind sie aufgrund ihres Abfalls vom Islam landesweit einer erheblichen Gefährdung ausgesetzt.