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VG Karlsruhe

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Zitieren als:
VG Karlsruhe, Urteil vom 01.02.2006 - A 10 K 11558/04 - asyl.net: M8250
https://www.asyl.net/rsdb/M8250
Leitsatz:
Schlagwörter: Afghanistan, Christen, Konversion, Apostasie, Religionsfreiheit, religiöses Existenzminimum, Todesstrafe, nichtstaatliche Verfolgung, mittelbare Verfolgung
Normen: GG Art 16a; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Klage ist nur zum Teil begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung (Art. 16 a GG) nicht zu, er hat aber Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter. Dafür kann dahinstehen, ob seine Behandlung durch die Taliban Vorverfolgung darstellt. Denn selbst wenn das der Fall sein sollte, ist er vor Wiederholung gleichartiger Verfolgung seit den seit Herbst 2001 erfolgten Umwälzungen hinreichend sicher.

Folglich kommt es darauf an, ob dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan politische Verfolgung im Sinn von Art. 16 a GG mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Das ist nicht der Fall.

Darüber, dass die Zentralregierung Personen oder Personengruppen politisch verfolgt, liegen keine Erkenntnisse vor (vgl. den Inhalt des jüngsten Lageberichts des Auswärtigen Amtes). Schon deshalb kann landesweite Verfolgung nicht angenommen werden, sofern es in anderen Regionen politische Verfolgung durch (quasi-)staatliche Akteure geben sollte.

Eine Anknüpfung politischer Verfolgung nach Art. 16 a GG an die Konversion des Klägers scheidet schon deshalb aus, weil es sich dabei um einen selbstgeschaffenen Nachfluchtgrund handelt, der aus dem Anwendungsbereich dieses Grundrechts ausgenommen ist. In Afghanistan hatte der Kläger erklärtermaßen keinen Kontakt zum christlichen Glauben.

Der Kläger hat aber einen Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs.1 AufenthG.

Die Kläger hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, maßgeblich seine Konversion zum christlichen Glauben sei heute der Grund dafür, nicht nach Afghanistan zurückkehren zu können. Dies ist auch glaubhaft.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre der Kläger, wenn sein Abfall vom islamischen Glauben und der Übertritt zum christlichen Glauben bekannt würden, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit asylerheblichen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt, die der Regierung zuzurechnen wären oder gegen die er jedenfalls keinen Schutz durch diese erhalten würde (so bereits rkr. Urt. einer weiteren Einzelrichterin der Kammer v. 11.01.2006 - A 10 K 10553/04 -; VG Minden, Urt. vom 13.01.2005 - 9 K 5560/03.A - und vom 08.09.2005 - 9 K 1090/05.A -; VG Lüneburg, Urt. vom 10.05.2005 - 1 A 872/03 -; VG Oldenburg, Urt. vom 03.08.2005 -7 A 4142/03-, mit Ausn. d. Urt. v. 11.01.2006 alle juris). Eine Praktizierung seines Glaubens in einer das religiöse Existenzminimum wahrenden Weise ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht gewährleistet.