OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 27.04.2006 - 4 Bs 103/06 - asyl.net: M8264
https://www.asyl.net/rsdb/M8264
Leitsatz:
Schlagwörter: Ausweisung, Regelausweisung, Schutz von Ehe und Familie, Kleinkinder, Kinder, atypischer Ausnahmefall, Ermessen, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren)
Normen: AufenthG § 53 Nr. 2; AufenthG § 56 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 1
Auszüge:

Das Verwaltungsgericht hat es abgelehnt, dem Antragsteller vorläufigen Rechtsschutz gegen die angefochtene Verfügung vom 14. November 2005 zu gewähren, mit der die Antragsgegnerin den Antragsteller nach dessen rechtskräftiger Verurteilung zu einem Jahr und drei Monaten Freiheitsstrafe wegen einer Straftat nach dem Betäubungsmittelgesetz ausgewiesen, seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt und ihm die Abschiebung in sein Heimatland Türkei angedroht hat. Die auf §§ 53 Nr. 2, 56 Abs. 1 AufenthG gestützte Ausweisung werde sich im Widerspruchsverfahren als rechtmäßig erweisen.

Sollte der Antragsteller die geschilderten Betreuungs- und Beistandsleistungen tatsächlich erbracht haben, erscheint es gut möglich, dass zwischen ihm und seinem Kind eine nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Lebensgemeinschaft besteht, deren Unterbrechung mit dem Risiko schwerwiegender Beeinträchtigungen und einer Gefährdung des Kindeswohls verbunden wäre (vgl. hierzu BVerfG, Beschl. v. 31.8.1999, NVwZ 2000, 59; Beschl. v. 30.1.2002, DVBl. 2002, 693 f.; Beschl. v. 8.12.2005, FamRZ 2006, 187; OVG Hamburg, Beschl. v. 4.5.2001, 4 Bs 324/00, NordÖR 2001, 419 [LS]; Beschl. v. 19.10.2004, 3 Bs 413/04). Bei einem so kleinen Kind kann schon eine Trennungszeit von nur wenigen Monaten zu unzumutbaren Entbehrungen führen. Diese Umstände hätte die Antragsgegnerin bei der Überprüfung ihrer Ausweisungsverfügung im Widerspruchsverfahren zu berücksichtigen. Dabei müsste sie auch bedenken, dass briefliche Kontakte, auf die sie in der Ausweisungsverfügung verweist, bei einem so kleinen Kind noch nicht möglich sind und Besuchsreisen aus Kostengründen ausscheiden dürften. Diese Konsequenzen könnten dazu führen, dass die Ausweisung hier nicht mehr als Regelfall, sondern wegen Unvereinbarkeit mit verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen als Ausnahmefall zu behandeln wäre (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.1.1997 u. 27.6.1997, Buchholz 402.240 § 47 Nr. 12 u. Nr. 15) mit der Folge, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihres Ermessens die negativen Folgen der Ausweisung für den Antragsteller und das Kindeswohl besonders zu würdigen hätte.