VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 24.03.2006 - 18 K 6200/05.A - asyl.net: M8277
https://www.asyl.net/rsdb/M8277
Leitsatz:
Schlagwörter: Irak, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Anerkennungsrichtlinie, Genfer Flüchtlingskonvention, Wegfall-der-Umstände-Klausel, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Sicherheitskräfte, Folter, Jesiden, Christen, Mandäer, Turkmenen, religiös motivierte Verfolgung, politische Entwicklung, Sicherheitslage, Frauen, geschlechtsspezifische Verfolgung, Intellektuelle, Journalisten, Friseur, Baath, Mitglieder, Gruppenverfolgung, Ermessen, Zuwanderungsgesetz
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1; RL 2004/83/EG Art. 11 Abs. 1; GFK Art. 1 C 5; AsylVfG § 73 Abs. 2a
Auszüge:

Der Widerruf der Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Ausländergesetz (AuslG 1990) vorliegen, ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).

Gemäß § 73 Abs. 1 S. 1 AsylVfG 2005 sind die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Aufgrund dieser Vorschrift kann auch die Feststellung widerrufen werden, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG 1990 vorliegen, obwohl diese Vorschrift am 01.01.2005 außer Kraft getreten ist.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat nicht mehr besteht, ist ein strenger Prognosemaßstab anzulegen. Grundsätzlich ist daher der Widerrufstatbestand nur erfüllt, wenn eine Wiederholung der Verfolgungsmaßnahmen wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Verfolgerstaat mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Ob etwas anderes gilt, wenn für die Zukunft befürchtete Verfolgungsmaßnahmen keinerlei Verknüpfung mehr mit den früheren aufweisen, die zur Anerkennung geführt haben, ist nicht abschließend geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.11.2005 - 1 C 21.04 -, Juris; BVerwG, Beschluss vom 27.06.1997, a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 24.11.1992 - 9 C 3.92 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1; BVerwG, Urteil vom 24.07.1990 - 9 C 78.89 -, BVerwGE 85, 266; OVG Lüneburg, Urteil vom 29.02.1988 - 11 OVG A 10/87 - ).

Wann eine entscheidungserhebliche Veränderung der politischen Verhältnisse im Herkunftsstaat angenommen werden kann, ist in Übereinstimmung mit der sogenannten Wegfall-der-Umstände-Klausel in Artikel 1 C (5) des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK) zu beurteilen, die nunmehr wörtlich von Art. 11 Abs. 1 Buchst. e) der Qualifikationsrichtlinie übernommen worden ist (vgl. hierzu im Einzelnen Urteil der Kammer vom 10.06.2005 - 18 K 4074/04.A -, NVwZ-RR 2006, 67).

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt in seiner jüngsten Entscheidung ausdrücklich (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.11. 2005, a.a.O.), dass die Regelung des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG im Lichte der Genfer Konvention auszulegen ist und sie ihrem Inhalt nach Art. 1 C (5) GFK entspricht.

Für einen Widerruf nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist danach entsprechend der Wegfall-der-Umstände-Klausel des Art. 1 C (5) GFK erforderlich, dass eine nachträgliche erhebliche und nicht nur vorübergehende Änderung der für die Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist. Unter Schutz im Sinne der Beendigungsklausel ist nach dieser Entscheidung der Schutz vor erneuter Verfolgung wegen asylrelevanter Merkmale zu verstehen. Dieser Schutz ist aber nicht auf den Schutz vor der ursprünglichen Verfolgung beschränkt. Die Beendigungsklausel beruht nämlich auf der Überlegung, dass in Anbetracht von Veränderungen in dem Verfolgerland ein internationaler (Flüchtlings-)Schutz nicht mehr gerechtfertigt ist, da die Gründe, die dazu führten, dass eine Person zum Flüchtling wurde, nicht mehr bestehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.11.2005, a.a.O. unter Bezugnahme auf das Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Nr. 115).

Welche Anforderungen im Einzelnen sich daraus für die Art, die Dauer und die Stabilität der Veränderung der politischen Verhältnisse im Herkunftsland ergeben, bleibt offen. Allerdings muss nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts feststehen, dass dem Flüchtling bei einer Rückkehr nunmehr auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht. Dabei sind im Hinblick auf die seit dem 01.01.2005 geänderte Rechtslage insbesondere auch Gefahren durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG in den Blick zu nehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.11.2005, a.a.O., Rdnr. 23, 26).

Ab welcher Verfolgungsintensität diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, kann hier dahinstehen. Denn gemessen an den oben genannten Kriterien liegen die Voraussetzungen für einen Widerruf im Falle des Irak schon deshalb nicht vor, weil jedenfalls derzeit die Veränderungen im Irak nicht in der Hinsicht tiefgreifend und dauerhaft sind, dass die begründete Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung gegenstandslos geworden ist (vgl. hierzu auch Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. die Qualifikationsrichtlinie - BR-Drucksache 1017/01, Art. 13, (1) e); vgl. nunmehr auch Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, Nr. 35, b).

Die Kammer hält auch nach erneuter Prüfung der politischen Verhältnisse im Irak an ihrer Auffassung (vgl. hierzu im Einzelnen Urteil der Kammer vom 10.06.2005, a.a.O.) fest, dass die Lage im Irak hochgradig instabil und die politische Zukunft des Landes seit dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein ungewisser denn je ist. Trotz des Regimewechsels kann von einer dauerhaften und stabilen Entwicklung im Irak nach wie vor nicht die Rede sein. Im Zuge dieser Entwicklung sind seit dem Sturz des Regimes zahlreiche neue Verfolgungsgründe entstanden.

Zwar sind inzwischen weitere Schritte innerhalb des geplanten formalen Demokratisierungsprozesses erfolgt.

Nach wie vor ist der Fortgang des Demokratisierungsprozesses mit ganz erheblichen Risiken verbunden. Der Machtkampf zwischen den verschiedenen politischen und religiösen Gruppierungen hat sich in den letzten Monaten weiter zugespitzt. Es ist nach wie vor unklar, welche Kräfte künftig effektiv den Irak beherrschen werden und welche konkreten Auswirkungen dies für die irakische Bevölkerung haben wird.

Nicht zuletzt von führenden Politikern der alliierten Streitkräfte wird die Lage übereinstimmend als angespannt und fragil bezeichnet. In erster Linie geht es in der derzeitigen Situation offenbar darum, einen Bürgerkrieg und das Wiedererstarken von Kräften des ehemaligen Saddam-Regimes zu verhindern. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld wird mit den Worten zitiert: "Dem Nachkriegs-Irak den Rücken zuzukehren wäre etwa so, als würde man das Nachkriegsdeutschland den Nazis zurückgeben" (vgl. "Allawi spricht von Bürgerkrieg", KStA vom 20.03.2006; "Teilabzug aus dem Ort der Schande", SZ vom 11./12.03.2006; "Furcht vor Bürgerkrieg im Irak", SZ vom 02.03.2006; "Warten auf ruhigere Zeiten", SZ vom 09.02.2006).

Die blutigen Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen im Irak eskalieren nahezu täglich.

Nach Überzeugung des Gerichts kann daher nach wie vor nicht von einer dauerhaften und stabilen Änderung der politischen Verhältnisse ausgegangen werden. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Irak trotz formaler Selbstständigkeit und Übergabe der Regierungsgewalt an die irakische Übergangsregierung nach wie vor unter Besatzung steht und insbesondere alle Streitkräfte nach wie vor unter US-Oberkommando stehen. Zu einer wirklich selbstständigen unabhängigen Entwicklung im Irak, die eine einigermaßen gesicherte Prognose hinsichtlich der zukünftigen Machtverhältnisse und Strukturen zuließe, ist es bislang nicht gekommen.

In dem allgegenwärtigen Klima der Gewalt haben sich inzwischen auch bereits zahlreiche neue Verfolgungsmechanismen herauskristallisiert, die sowohl von staatlicher irakischer Stelle, von den alliierten Streitkräften sowie von einer Vielzahl unterschiedlichster nichtstaatlicher Akteure ausgehen. Die Menschenrechtslage hat sich nach Einschätzung führender Politiker wie etwa des irakischen Ex-Premier Allawi so verschlechtert, dass es kaum noch Unterschiede zum Regime Saddam Husseins gebe. Allawi wird mit den Worten zitiert: "Die Leute tun dasselbe wie zu Saddams Zeiten und schlimmer" (vgl. "Wie zu Saddams Zeiten", SZ vom 28.11.2005).

Eines der gravierendsten Probleme ist die Unterwanderung der Polizei und Sicherheitskräfte durch Aufständische und einzelne Milizen. Im Südirak kontrollieren Berichten zufolge schiitische Milizen zumindest in Teilen die Sicherheitskräfte. Im Zentralirak soll es den sunnitischen Aufständischen immer wieder gelingen, sicherheitsrelevante Informationen aus den Reihen der Polizei zu erhalten. Diese Informationen erleichtern deren Anschlagsplanung sowie die Bestimmung von Fluchtwegen nach erfolgten Anschlägen. Zuletzt sollen etwa über 400 Al Quaida-Anhänger versucht haben, die für die Bewachung der so genannten Grünen Zone zuständige Einheit der irakischen Sicherheitskräfte zu infiltrieren (vgl. Lagebericht vom 24.11.2005; US State Department, Iraq - Country Reports on Human Rights Practices, 2005 (im Folgenden: US State Department - 2005); "Die Killer von Bagdad", Spiegel online vom 16.03.2006; "Regierung will Terrorkomplott vereitelt haben", Spiegel online vom 14.03.2006; "Die Milizen beherrschen Bagdad", FR vom 09.11.2005).

Die irakische Polizei wendet in allen Landesteilen einschließlich der kurdischen Autonomieregion bei Befragungen systematisch Folter an. Den irakischen Sicherheitskräften und auch den alliierten Truppen werden systematische exzessive Gewaltanwendung und Massenverhaftungen, etwa im Rahmen militärischer Großoffensiven unter Führung der USA wie zuletzt der "Operation Schwärmer" und breit angelegter Razzien gegen (vermeintlich) sunnitische Rebellen, vorgeworfen (vgl. Lagebericht vom 24.11.2005; US State Department - 2005; amnesty international, Beyond Abu Ghraib: detention and torture in Iraq, März 2006 (im Folgenden: ai, Beyond Abu Ghraib); Dutzende Festnahmen bei US-Großoffensive im Irak", Spiegel online vom 17.03.2006).

Innerhalb des Innenministeriums unter der Führung des Schiiten Wajan Bakr Solagh, der zur Schiiten-Partei SCIRI gehört, haben sich Todesschwadronen aus den Reihen der Sicherheitskräfte gebildet, die gezielt Sunniten töten oder spurlos verschwinden lassen. Das irakische Innenministerium hat dahin gehende erstmals von der US-Armee und von sunnitischen Organisationen veröffentlichte Berichte inzwischen bestätigt (vgl. US State Department - 2005; "Todesschwadrone terrorisieren Sunniten", Spiegel online vom 16.02.2006; "Folterfotos erzürnen die Iraker", SZ vom 17.02.2006; "Polizei entdeckt 15 erdrosselte Männer", Spiegel online vom 14.03.2006).

Irakische und kurdische Sicherheitskräfte einschließlich der multinationalen Kräfte halten zehntausende Gefangene, teilweise in geheimen Haftzentren, ohne Gerichtsverfahren und ohne angemessenen Zugang zu Anwälten und Familien zum Teil auf unbegrenzte Zeit fest. Die Zahl der Gefangenen alleine in den von den multinationalen Streitkräften kontrollierten Gefängnissen wird mit 14.500 angegeben, davon derzeit ca. 4.500 in dem durch den Folterskandal bekannt gewordenen Gefängnis Abu Ghraib. Berichte von Folter und Gewalt bis hin zu Todesfällen im Gewahrsam der Sicherheitskräfte und der multinationalen Kräfte häufen sich stetig (vgl. US State Department - 2005; ai, Beyond Abu Ghraib).

Jenseits der Verwicklung irakischer staatlicher Stellen und der multinationalen Kräfte in die geschilderten gravierenden Menschenrechtsverstöße hat jede Partei und Organisation inzwischen ihre eigenen Söldner. Sie sind für gezielte Morde und Vertreibungen, die bereits das Ausmaß ethnischer Säuberungen annehmen, im Irak verantwortlich (vgl. Lagebericht vom 24.11.2005; "Allawi beklagt ethnische Säuberungen", Spiegel online vom 20.03.2006).

Seit dem Anschlag auf die Moschee in Samarra hat sich insbesondere das Konfliktpotenzial zwischen Sunniten und Schiiten dramatisch verschärft.

Zwischen allen Fronten stehen inzwischen religiöse bzw. ethnische Minderheiten wie Yeziden, Christen, Mandäer und Turkmenen (vgl. Lagebericht vom 24.11.2005; UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak, Oktober 2005; US State Department - 2005; siehe auch VG Köln, Urteile vom 01.07.2005 - 18 K 7155/01.A -, Juris und vom 22.08.2005 - 18 K 8648/01.A -, Juris).

Auch Frauen sind zunehmend geschlechtsspezifischer Verfolgung ausgesetzt, die sich in Tötungen, Entführungen, Genitalverstümmelungen, Säureattentaten bis hin zur weitgehenden Einschränkung der Bewegungsfreiheit und dem faktischen Ausschluss von Bildungseinrichtungen manifestiert (vgl. Lagebericht vom 24.11.2005; UNHCR, Anmerkungen zur gegenwärtigen Situation von Frauen im Irak, November 2005; US State Department - 2005).

Neben Ethnie, Religionszugehörigkeit und Geschlechtszugehörigkeit haben sich weitere Gefährdungsprofile entwickelt. Besonders gefährdet sind etwa ehemalige Angehörige der Elite des gestürzten Baath-Regimes, Polizisten, Soldaten, Intellektuelle, Ärzte, Politiker, Journalisten und selbst Berufsgruppen wie Friseure unter dem Aspekt, dass das Stutzen von Bärten gegen das religiöse Empfinden von Radikalen verstößt (vgl. Lagebericht vom 24.11.2005; US State Department - 2005; "Gezielte Gewalt treibt Iraks Intellektuelle aus dem Land", FR vom 30.01.2006; "Tötet bitte keine Ärzte", Die Zeit vom 08.12.2005; VG Köln, Urteile vom 09.01.2006 - 18 K 4241/05.A - und vom 03.03.2006 - 18 K 6635/03.A -).

Hinsichtlich keiner Bevölkerungsgruppe im Irak steht demnach zur Zeit fest, dass ihre Angehörigen nicht Opfer gezielter Verfolgungsmaßnahmen wegen eines asylrelevanten Merkmals werden. Die nach der oben zitierten jüngsten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts für einen Widerruf erforderliche Feststellung, dass dem Flüchtling bei einer Rückkehr nunmehr auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht, insbesondere auch nicht durch nichtstaatliche Akteure, kann mithin derzeit und auf absehbare Zukunft für den Irak nicht getroffen werden.

Für den Kläger des vorliegenden Verfahrens verschärft sich die Lage in besonderer Weise, weil er Christ ist. Die Situation von Angehörigen religiöser Minderheiten hat sich seit dem Sturz des ehemaligen Regimes insgesamt spürbar verschlechtert. Dies gilt im Besonderen für die Lage der Christen, die von Gewalttätern und Islamisten an der Ausübung ihrer Riten gehindert, bedroht und ermordet werden. Effektiven Schutz vor diesen Übergriffen können Christen allenfalls in den kurdischen Gebieten des Nordirak erlangen; auch dort mangels entsprechenden Sicherheitspersonals aber nur unzureichend (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 24.11.2005; UNHCR, Hintergrundinformation zur Gefährdung von Angehörigen religiöser Minderheiten im Irak, April und Oktober 2005 sowie Gutachten an VG Stuttgart vom 06.09.2005; Europäisches Zentrum für kurdische Studien (Siamend Hajo & Eva Savelsberg), Gutachten vom 07.03.2005 an VG Köln; Deutsches Orient-Institut, Gutachten vom 14.02.2005 an VG Köln, einschränkend nunmehr Gutachten vom 06.09.2005 an VG Sigmaringen; amnesty international, Gutachten vom 29.06.2005 an VG Köln).

In der Rechtsprechung wird bislang - soweit ersichtlich - zwar ganz überwiegend eine Gruppenverfolgung der Christen verneint (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 31.05.2005 - 9 A 1738/05.A -; VGH München, Urteil vom 03.03.2005 - 23 B 04.30734 - zitiert nach Juris, und vom 22.11.2004 - 13a ZB 04.30978 - ; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24.01.2005 - 10 A 10001/05.A - zitiert nach Juris; OVG Lüneburg, Beschluss vom 24.11.2004 - 9 IA 323/04 - AuAS 2005, 65-67; VG Köln, Urteil vom 01.07.2005 - 18 K 7155/01.A -, Juris; VG Aachen, Urteil vom 24.02.2005 - 4 K 2206/02.A - zitiert nach Juris; a.A. VG Regensburg, Urteil vom 17.01.2005 - RN 3 K 04.30621).

Es kommt aber im Rahmen des vorliegenden Widerrufsverfahren nicht darauf an, ob bereits derzeit die Annahme einer Gruppenverfolgung der Christen gerechtfertigt ist. Entscheidungserheblich ist hier vielmehr alleine, dass die Lage der religiösen Minderheiten und damit auch der Christen auf der Grundlage der genannten Berichte und Gutachten mit besonderen Risiken und Unwägbarkeiten verbunden ist. Die erforderliche Feststellung, dass dem Flüchtling bei einer Rückkehr nunmehr auch nicht aus anderen Gründen Verfolgung droht, insbesondere auch nicht durch nichtstaatliche Akteure gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG, kann gerade hinsichtlich christlicher Religionszugehöriger aus Bagdad nicht getroffen werden (vgl. VG Köln, Urteil vom 01.07.2005 - 18 K 7155/01.A -, Juris und Urteil vom 14.11.2005 - 18 K 8609/03.A -).