1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a Abs. 1 GG) oder auf Feststellung von Abschiebungsschutz wegen einer ihm in der Türkei etwa drohenden politischen Verfolgung (§ 60 Abs. 1 AufenthaltsG). Eine Verfolgung des Klägers durch die türkische Justiz aus politischen Gründen ist nicht beachtlich wahrscheinlich. Das dem Kläger wegen tatsächlicher oder vermeintlicher Verwicklung in das „X-Massaker" drohende Strafverfahren mit der Möglichkeit einer Verurteilung nach § 146 TStGB zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe dient ausschließlich dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz. Es richtet sich weder offen noch verdeckt gegen eine dem Kläger eigene politischen Überzeugung.
2.2 Die Abschiebung verstößt nicht gegen die Menschenrechtskonvention (§ 60 Abs. 5 AufenthG). Die Türkei ist Mitglied des Europarates und Unterzeichner der EMRK. Der Kläger muss sich darauf verweisen lassen, seine Rechte gegenüber möglichen Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus wahrzunehmen. Ihm drohen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit schwere und irrearable Nachteile, gegen die ein Rechtsschutz von der Türkei aus zu spät käme. Die Haftbedingungen in türkischen Gefängnissen geben keine Anhaltspunkte für menschenunwürdige Zustände. Sollten sie sich entgegen dieser Einschätzung als konventionswidrig erweisen, steht es dem Kläger frei, Rechtsschutz in der Türkei und beim EGMR in Anspruch zu nehmen.
2.3 Dem Kläger droht bei einer Rückkehr in die Türkei keine Folter (§ 60 Abs. 2 AufenthG).
2.3.1 Im Falle der Abschiebung ist die Gefahr einer Misshandlung bei der Rückkehr in die Türkei auf Grund von vor der Ausreise nach Deutschland geschehener wirklicher oder vermeintlicher Straftaten angesichts der durchgeführten Reformen und der Erfahrungen der letzten Jahre äußerst unwahrscheinlich. Seit Jahren ist kein Fall mehr bekannt geworden, in dem ein in die Türkei zurück gekehrter abgelehnter Asylbewerber im Zusammenhang mit früheren Aktivitäten gefoltert oder misshandelt wurde (Auswärtiges Amt, Lagebericht Türkei vom 3. Mai 2005, Stand Februar 2005, 508-516.80/3 TUR; vgl. auch Kaya, Gutachten vom 8. August 2005 an das VG Sigmaringen, Seite 7; Taylan, Gutachten für das VG Sigmaringen vom 21. Juli 2005). Der Kläger wird auf der Grundlage des gegen ihn ergangenen Haftbefehls bei der Rückkehr oder Rückführung unmittelbar in türkische Untersuchungshaft genommen werden. Auch dadurch wird die Gefahr von Misshandlungen unwahrscheinlich. Übergriffe waren und sind in der Türkei möglicherweise immer noch zu befürchten im Vorfeld von Strafverfahren, namentlich in der Polizeihaft. Dagegen sind Foltervorwürfe im Zusammenhang mit richterlichen Vernehmungen einschließlich der entsprechenden Gefängnisaufenthalte in repräsentativer Art und Weise jedenfalls in jüngerer Zeit nicht mehr bekannt geworden. Selbst für die Polizeihaft besteht wegen einer Änderung des § 148 TStPO seit dem 1. Juni 2005 ein deutlich geringeres Risiko von Folterungen, weil Aussagen bei uniformierten Kräften im Strafverfahren nur noch dann verwertet werden dürfen, wenn ein Anwalt bei der Aufnahme der Aussage zugegen war.