VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 23.03.2006 - 8 K 2311/05.A - asyl.net: M8279
https://www.asyl.net/rsdb/M8279
Leitsatz:
Schlagwörter: Demokratische Republik Kongo, Rücknahme, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Umdeutung, Darlegungslast, Beweislast, Mobutu, politische Entwicklung
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 2; AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

Zwar hat das Bundesamt die Aufhebung zu Unrecht auf die Rücknahmevorschrift des § 73 Abs. 2 AsylVfG gestützt, wobei insoweit nicht auf das Asylverfahrensgesetz in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung, sondern auf die bis zum 31. Dezember 2004 geltende Fassung abzustellen ist. § 73 Abs. 2 AsylVfG 2005 findet nur Anwendung auf Rücknahmeentscheidungen des Bundesamtes, die nach dem ab 1. Januar 2005 geltenden Recht zu treffen sind (vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 14. April 2005 - 13 A 654/05.A -, Nichtzulassungsbeschwerde abgelehnt durch BVerwG, Beschluss vom 4. November 2005 - 1 B 58/05 -, zu letzterem vgl. Juris).

Die Rücknahmevoraussetzungen liegen hier allerdings auch unter Zugrundelegung der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung des § 73 Abs. 2 AsylVfG nicht vor.

Gem. § 73 Abs. 2 AsylVfG (a.F.) ist eine Anerkennung als Asylberechtigter zurückzunehmen, wenn sie auf Grund unrichtiger Angaben oder infolge Verschweigens wesentlicher Tatsachen erteilt worden ist und der Ausländer auch aus anderen Gründen nicht anerkannt werden könnte. Unter den gleichen Voraussetzungen wird die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (a.F.) zurückgenommen. Der Kläger war vorliegend mit Bescheid des Bundesamtes vom 18. Oktober 1994 "aufgrund des von ihm geschilderten Sachverhalts" und damit wegen der von ihm geltend gemachten Gegnerschaft zum Regime Mobuto und der geltend gemachten Inhaftierung in Kinshasa (1993/94) als Asylberechtigter anerkannt worden. Ob die von ihm angegebenen Tatsachen, die zu seiner Asylanerkennung geführt haben, im Hinblick auf die Mitteilung der belgischen Behörden unrichtig sind, ist tatsächlich nicht erwiesen. Das Bundesamt, das die vollständige Darlegungs- und Beweislast für die Rücknahmevoraussetzungen trifft (vgl. Marx, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 6. Aufl. 2005, § 73 Rn 188 f.), kann sich hierzu nur auf Indizien stützen.

Die im angefochtenen Aufhebungsbescheid vom 2. Mai 2005 getroffene Regelung erweist sich aber aus anderen Rechtsgründen, als sie das Bundesamt in dem angegriffenen Bescheid angegeben hat, im Sinne des § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO als rechtmäßig. Der Aufhebungsbescheid kann - ohne dass es insoweit einer Umdeutung bedarf - als Widerrufsbescheid aufrechterhalten werden, weil die Rechtsfolge der Rücknahme der Asylanerkennung und des Widerrufs der Asylanerkennung einschließlich der hier zusätzlich getroffenenen Aufhebung der Feststellung zu § 51 Abs. 1 AuslG dieselbe ist, es sich bei beiden Maßnahmen um gebundende Verwaltungsentscheidungen handelt und weil die Widerrufsvoraussetzungen des § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorliegen (vgl. zur Möglichkeit der Aufrechterhaltung eines Aufhebungsbescheides aus anderen Gründen: BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 9 C 53/97 -, BverwGE 108, 30; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof München, Urteil vom 9. Oktober 1997 - 25 BA 95.35047 -, AuAS 1997, 273).

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG sind die Anerkennung des Asylberechtigten und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG (entspricht § 60 Abs. 1 AufenthG) vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Das ist hier der Fall.

Es kann mit hinreichender Sicherheit, und zwar mit sehr großer, ernstliche Zweifel insoweit ausschließlichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger aufgrund der von ihm ursprünglich geltend gemachten Verfolgungsgefahr bei Rückkehr in die Demokratische Republik Kongo gegenwärtig und auf absehbare Zeit keiner erneuten individuellen politischen Verfolgung unterworfen sein wird (vgl. zum Prognosemaßstab beim Widerruf: BVerwG, Urteil vom 24. November 1992 - 9 C 3/92 -, Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG 1992 Nr. 1 (Widerruf der Asylanerkennung eines ugandischen Staatsangehörigen nach dem Sturz Idi Amins)).

Eine Verfolgungsbetroffenheit des Klägers wegen der von ihm geltend gemachten Opposition zum Regime Mobuto, seiner in diesem Zusammenhang stehenden Befehlsverweigerung sowie die geltend gemachte anschließende Inhaftierung ist infolge einer zwischenzeitlich eingetretenen grundlegenden Änderung der Machtverhältnisse in der Demokratischen Republik Kongo weggefallen.