Gegenüber vorliegenden Ausweisungsgründen sind in den Fällen des Familiennachzugs die familiären Bindungen des Nachzugswilligen im Bundesgebiet und die Wertentscheidung des Art. 6 GG nicht auf der Ebene des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Einordnung als Regel- oder Ausnahmefall, sondern allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen.
(Amtlicher Leitzsatz)
Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung durch die Beklagte.
In Ermangelung einer abweichenden Übergangsregelung ist für die Entscheidung über das Begehren des Klägers die Rechtslage nach dem In-Kraft-Treten des Aufenthaltsgesetzes maßgeblich. Heranzuziehen sind deshalb auch die Vorschriften des § 10 Abs. 3 Sätze 1 und 3 AufenthG (vgl. Discher, in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2006, Bd. 1, RdNr. 193 zu II-§ 10). Hiernach darf einem Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, vor der Ausreise ein Aufenthaltstitel nur nach Maßgabe des Abschnitts 5 [des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes] erteilt werden. Keine Anwendung soll diese Regelung jedoch im Falle eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels finden. Der Kläger ist ein unanfechtbar abgelehnter Asylbewerber. Die seinerseits in erster Linie begehrte Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG (Familiennachzug als Ehegatte einer Deutschen) ist nicht in Abschnitt 5, sondern Abschnitt 6 des Kapitels 2 des Aufenthaltsgesetzes normiert. Vor seiner Ausreise kann daher der Kläger eine solche Aufenthaltserlaubnis nur erhalten, wenn der Fall eines Anspruchs auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels gegeben ist. Insoweit reicht keine abstrakte Betrachtung in dem Sinne, dass nur zu prüfen wäre, ob diejenigen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, die in der Anspruchsnorm im engeren Sinne (hier: § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG) genannt werden (so im Ergebnis auch: Discher, a. a. O., RdNr. 171 zu II-§ 10 i. V. m. RdNr. 68 zu II-§ 10). Denn das Recht, von der Behörde die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu verlangen, (Anspruch) hängt in seinem Bestand nicht nur von diesen Tatbestandsvoraussetzungen, sondern auch von denjenigen ab, die als allgemeine Erteilungsvoraussetzungen in § 5 AufenthG geregelt sind. Es ist daher - zumindest grundsätzlich - der Fall eines Anspruchs auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht gegeben, wenn infolge des Vorliegens von Versagungsgründen oder des Fehlens von allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen (§ 5 AufenthG) nur nach Ermessen ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann (Discher, a. a. O., RdNr. 171 zu II-§ 10 i. V. m. RdNr. 69 zu II-§ 10). Dann besteht nämlich kein unmittelbarer Anspruch auf die Erteilung des Aufenthaltstitels, sondern lediglich auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung. Im Hinblick auf die unterschiedliche Formulierung in § 10 Abs. 1 AufenthG ("in den Fällen eines gesetzlichen Anspruchs") und § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ("im Falle eines Anspruchs") lässt sich allerdings erwägen, ob in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (z. B. Urt. v. 3.6 1997 - BVerwG 1 C 18.96 -, NVwZ 1998, 189 [191] m. w. N.) zu verschiedenen Vorschriften des Ausländergesetzes (§§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 11 Abs. 1 und 28 Abs. 3 Satz 2 AuslG) als Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG auch ein Rechtsanspruch genügt, der dadurch entsteht, dass die Behörde infolge einer Ermessensreduzierung auf Null zur Erteilung des Aufenthaltstitels verpflichtet ist (so: Dienelt, Der besondere Versagungsgrund des § 10 111 2 AufenthG bei als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylanträgen, ZAR 2005, 120 [122 f.], Hailbronner, AuslR, Stand: Februar 2006, Ordner 1, RdNr. 16 zu § 10 AufenthG, und Nr. 10.3.2 der Vorl. Nds. W-AufenthG; a. A.: Discher, a. a. O., RdNr. 174 zu II-§ 10; Renner, AuslR, 8. Aufl. 2005, RdNr. 10 zu § 10 AufenthG sowie Nr. 10.3.1 der Vorl. Anwendungshinweise des BMI v. 22. 12. 2004 - zitiert nach Renner, a. a. O, Vor Rdnr. 1 zu § 10 AufenthG). Diese Streitfrage bedarf jedoch im vorliegenden Falle keine Entscheidung, weil dem Kläger weder unmittelbar aus dem Gesetz noch im Hinblick auf eine hinzutretende Ermessensreduktion ein Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG zukommt.
Unmittelbar aus dem Gesetz ergibt sich ein Anspruch nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht, weil der Kläger der Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht genügt, wonach die Erteilung eines Aufenthaltstitels in der Regel voraussetzt, dass kein Ausweisungsgrund vorliegt. Gegen den Kläger liegen mehrere Ausweisungsgründe im Sinne des § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG vor, wobei es auf deren genaue Anzahl nicht entscheidungserheblich ankommt, weil der Strafregisterauszug vom 3. Mai 2005 ersichtlich in Unkenntnis des Umstandes erstellt wurde, dass der Kläger unter seinem Alias-Namen mit Strafe belegt worden ist.
Der Kläger, der somit den Regeltatbestand der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht erfüllt, besitzt einen unmittelbaren gesetzlichen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG auch nicht deshalb, weil in seinem Falle eine Ausnahme von der Regel anzunehmen wäre.
Die seitens der Vorinstanz zur Begründung eines Ausnahmefalls herangezogenen familiären Bindungen des Klägers im Bundesgebiet und die Wertentscheidung des Art. 6 GG sind nämlich in den Fällen des Familiennachzugs nicht auf der Ebene des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Einordnung als Regel- oder Ausnahmefall, sondern allein im Rahmen der Ermessensausübung nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu berücksichtigen (möglicherweise a. A.: Nds. OVG, Beschl. v. 12. B. 2005 - 13 ME 196/05 -). Die letztgenannte Vorschrift verdrängt insoweit kraft Spezialität die erstgenannte. Auszugehen ist allerdings davon, dass der Anwendungsbereich des § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG nicht eindeutig ist (Hailbronner, a. a. O., Ordner 1, RdNr. 74 zu § 27 AufenthG). Seine systematische Stellung im Anschluss an § 27 Abs. 3 Satz 1 AufenthG deutet an sich darauf hin, dass mit dem Verweis auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausschließlich der Ausweisungsgrund der Angewiesenheit auf Sozialhilfe erfasst werden soll. Gegen diese Auslegung spricht jedoch entscheidend, dass damit der Familiennachzug von Ausländern, gegen die ein Ausweisungsgrund vorliegt, erheblich gegenüber § 17 Abs. 5 AuslG (ggf. i. V. m. § 23 Abs. 3 AusIG) eingeschränkt würde, sofern man nicht - wie die Vorinstanz - die Problematik durch die Annahme einer Abweichung von der Regel des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG zu lösen sucht. Diese Lösung hätte wiederum zur Folge, dass nach der neuen Rechtslage eine gebundene Entscheidungskomponente (Regel- oder Ausnahmefall im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG) an die Stelle der bisherigen Ermessensausübung träte. Das würde die Entscheidungsstruktur gegenüber dem bisherigen Recht verändern und den Spielraum der Ausländerbehörde verringern. Nach der Begründung des Regierungsentwurfs soll aber mit § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG lediglich die schon bisher (§ 17 Abs. 5 AusIG) bestehende Befugnis, nach Ermessen eine Aufenthaltserlaubnis auch bei Vorliegen von Ausweisungsgründen zu erteilen, aufgenommen werden. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Vorschrift auch auf den Ausweisungsgrund nach § 55 Abs. 2 Nr. 2 AuslG bezieht (Hailbronner, a. a. O., Ordner 1, RdNr. 74 zu § 27 AufenthG). Dabei steht § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG zu der generellen Norm des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG in einem Verhältnis der Spezialität (Marx, in: GK-AufenthG, Stand: Februar 2006, Bd. 1, RdNr. 160 zu II-§ 27), das bei der Anwendung der Nachzugsregelungen den Rückgriff auf die generelle Norm (zur Begründung einer Ausnahme von der Regel) ausschließt. Ein Nebeneinander beider Vorschriften würde nämlich die Rechtsanwendung nutzlos verkomplizieren. In allen Nachzugsfällen ist also bei Vorliegen eines Ausweisungsgrundes nach behördlichem Ermessen über die Erteilung des Aufenthaltstitels zu entscheiden und hat die notwendige Berücksichtigung der Bedeutung der Art. 6 GG und 8 EMRK im Rahmen der Ausübung dieses Ermessens zu erfolgen (so im Ergebnis auch: Renner, AusIR, 8. Aufl. 2005, RdNr. 33 zu § 27 AufenthG).
Ein sich unmittelbar aus dem Gesetz ergebender Anspruch des Klägers auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG scheidet somit aus.
Selbst wenn man es für einen Anspruch im Sinne des § 10 Abs. 3 Satz 3 AufenthG ausreichen ließe, dass eine dem Kläger günstige Reduktion des nach § 27 Abs. 3 Satz 2 AufenthG eingeräumten Ermessens auf Null eingetreten ist, wäre ein solcher Anspruch hier auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG nicht zu bejahen.