VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Urteil vom 28.04.2006 - 23 K 5887/04.A - asyl.net: M8347
https://www.asyl.net/rsdb/M8347
Leitsatz:
Schlagwörter: Togo, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Änderung der Sachlage, Oppositionelle, Mitglieder, Parteien, politische Entwicklung, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Anerkennung als Asylberechtigter und die Feststellung, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen, unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen.

Gemessen an diesen strengen Maßstäben ist ein Widerruf der Asylanerkennung und der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG angesichts der differenziert zu beurteilenden innenpolitischen Lage in Togo nicht gerechtfertigt.

Allerdings sieht die nunmehrige Rechtsprechung gestützt auf die mittlerweile längerfristige Auskunftslage namentlich des Auswärtigen Amtes (vgl. erneut Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 23. Februar 2006, (Stand: Januar 2006) - 508-516.80/3 TGO -, 11) Asylbewerber aus Togo, die als Asylgrund lediglich eine einfache Mitgliedschaft in einer Oppositionspartei vortragen, gegenwärtig nicht als politisch verfolgt an, da dem Auswärtigen Amt hierzu keine Erkenntnisse über Fälle einer gezielten Repression vorliegen.

Ein Wechsel des politischen Systems ist bisher in Togo nicht eingetreten, vielmehr setzte das Militär nach dem Tod des langjährigen Staatspräsidenten Eyadema am 5. Februar 2005, der Togo seit 1967 ununterbrochen regiert hatte, zunächst entgegen den verfassungsrechtlichen Regelungen seinen Sohn Faure Gnassingbe als Nachfolger ein; dessen Präsidentschaft stellt sich somit als Fortführung des bisherigen Regimes dar. Auf massive Proteste der Opposition und internationalen Druck ließ Faure Gnassingbe sodann am 24. April 2005 eine Präsidentschaftswahl abhalten, nach der er sich nach dem bekanntgegebenen Endergebnis, das jedoch zu anschließenden Unruhen und dem Einsatz der Sicherheitskräfte führte, zum Gewinner erklärte. Nach der Vereidigung des neuen Präsidenten am 4. Mai 2005 beruhigte sich die Lage durch massives Militäraufgebot.

Der von dem Präsidenten ernannten Regierung Kojo gehören neben überwiegend RPT-Angehörigen auch inzwischen angepaßte "Oppositionsparteien" (CPP, PDR, PSR und NDP) sowie "Abtrünnige" der CAR und der UFC an, ohne das deswegen von einer "Regierung der nationalen Einheit" gesprochen werden kann. Jedoch ist festzustellen, daß sich seit Mitte 2005 die Situation wieder verbessert hat.

Charakteristisch für die Lage in Togo ist jedoch immer noch die große Diskrepanz zwischen der formellen Garantie von Rechten und ihrer mangelnden Beachtung im Alltag. Dies findet seinen Niederschlag in den Betätigungsmöglichkeiten für die politische Opposition, die ein differenziertes Bild abgeben, wie auch in der jeweiligen konkreten Beachtung der Versammlungsfreiheit und der Meinungs- und Pressefreiheit. Nach Einschätzung von politischen Beobachtern ist im Rahmen der EU-Konsultationen in Ansätzen erkennbar, dass sich die politische Landschaft kurz- bis mittelfristig verändern kann, wenn die Reformbemühungen engagiert fortgeführt, die neuen Gesetze konsequent umgesetzt werden und die angekündigte Unabhängigkeit der Justiz sowie anderer Verfassungsorgane gewährleistet wird. Immer wieder zu beobachtende Rückschläge lassen jedoch Zweifel über die Bereitwilligkeit der Regierung zur konsequenten Umsetzung der 22 Engagements aufkommen, zu denen sie sich im Rahmen der EU-Konsultationen nach Artikel 96 des Cotonou-Abkommens verpflichtet hat (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes, a.a.O., unter den Abschnitten I und II).

Insgesamt ergibt sich somit unter dem gegenwärtigen Regime ein Bild von der innenpolitischen Lage in Togo, das unabhängig von der Glaubwürdigkeit des jeweiligen Sachvortrags eine genaue Bewertung und Einschätzung der konkreten Situation des jeweiligen Asylantragstellers bedarf. Angesichts der dargestellten Entwicklungstendenzen der Innenpolitik in Togo ist zwar gegenwärtig eine Verbesserung der politischen Betätigungsmöglichkeiten für Angehörige und Sympathisanten von Oppositionspartien gegeben, jedoch läßt sich nicht feststellen, daß bei einer Rückkehr des Klägers in das Land, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigten und der Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG (früher § 51 Abs. 1 AuslG) liegen somit nicht vor.