VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Urteil vom 29.11.2005 - 5 UE 367/03.A - asyl.net: M8362
https://www.asyl.net/rsdb/M8362
Leitsatz:
Schlagwörter: Sri Lanka, Krankheit, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, psychische Erkrankung, hebephrene Psychose, alleinstehende Personen, medizinische Versorgung, soziale Bindungen
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Nach der im Zeitpunkt der Berufungsentscheidung gegebenen Sach- und Rechtslage (§ 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. Asylverfahrensgesetz - AsylVfG -) hat der Kläger einen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 7 AufenthG, der mit dem Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 gemäß Art. 15 Abs. 3 dieses Gesetzes am 1. Januar 2005 an die Stelle des § 53 Abs. 6 AuslG getreten ist.

Ausweislich der ärztlichen Stellungnahmen und Atteste des Zentrums für Soziale Psychiatrie Rheinblick - Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie - (letztmalig vom 6. April 2004) leidet der Kläger unter einer chronischen hebephrenen Psychose mit im Vordergrund stehenden Affekt- und Kontaktstörungen, die einer regelmäßigen neuroleptischen Medikation bedarf und ohne die sich der Gesundheitszustand sofort deutlich verschlechtert. Infolge dieser Erkrankung ist der Kläger nicht in der Lage, seinen Alltag zu organisieren, selbst einfache Abläufe gelingen ihm nicht mehr. Dementsprechend ist er wegen fehlender Einsichtsfähigkeit in die Notwendigkeit der Behandlung - worauf das Verwaltungsgericht zutreffend hinweist - zwingend auf den Beistand einer Person angewiesen, die insbesondere auch für die Behandlung der Erkrankung sorgt und die erforderliche Medikamenteneinnahme überwacht.

Eine diesen Anforderungen genügende Bezugsperson oder Betreuungseinrichtung steht für den Kläger in seinem Heimatland Sri Lanka nicht zur Verfügung. Zwar führt das Auswärtige Amt in seiner Auskunft vom 31. März 2000 an das Verwaltungsgericht Wiesbaden aus, körperlich und geistig Behinderten stehe - vor allem in der Hauptstadt Colombo und Umgebung - regelmäßig eine ihrer Behinderung entsprechenden Betreuung durch karitative Einrichtungen bzw. auf staatliche Kosten offen, wenn eine Unterstützung durch Unterhaltsverpflichtete, die nach den srilankischen traditionellen gesellschaftlichen Gepflogenheiten regelmäßig die Fürsorge Kranker, Alter und Behinderter Angehöriger übernähmen, nicht möglich sei. Diese Aussagen werden indes relativiert durch aktuellere Feststellungen der schweizerischen Flüchtlingshilfe. In ihrem Gutachten "Psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten in Sri Lanka" vom 14. Januar 2004 wird ausgeführt, dass Sri Lanka nur sehr begrenzt über Pflegemöglichkeiten für psychisch Kranke ohne familiäre Unterstützung verfüge. Auch die Deutsche Botschaft in Colombo ist trotz Einschaltung eines Vertrauensarztes erfolglos geblieben. Das Auskunftsersuchen vom 11. März 2005, dessen Eingang per Telefax vom 22. März 2005 bestätigt wurde, blieb trotz der Erinnerungen des Gerichts vom 11. Juli, 15. August und 1. September 2005 unbeantwortet, was zur Überzeugung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass eine derartige aufnahmefähige und aufnahmewillige Einrichtung nicht vorhanden ist.