VGH Hessen

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Zitieren als:
VGH Hessen, Beschluss vom 02.05.2006 - 11 UZ 795/06.A - asyl.net: M8409
https://www.asyl.net/rsdb/M8409
Leitsatz:

Die Verweigerung einer Eheschließungsgenehmigung durch iranische Behörden stellt dann keine geschlechtsspezifische Verfolgung dar, wenn damit einwanderungspolitische Ziele verfolgt werden (hier: Verhinderung der Aufenthaltsverfestigung des afghanischen Verlobten).

 

Schlagwörter: Iran, Eheschließung, geschlechtsspezifische Verfolgung, Flüchtlingsfrauen, Frauen, Eheschließungsgenehmigung, soziale Gruppe, Verfolgungsbegriff
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1; AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 1; iran. ZGB § 1060
Auszüge:

Die Verweigerung einer Eheschließungsgenehmigung durch iranische Behörden stellt dann keine geschlechtsspezifische Verfolgung dar, wenn damit einwanderungspolitische Ziele verfolgt werden (hier: Verhinderung der Aufenthaltsverfestigung des afghanischen Verlobten).

(Leitsatz der Redaktion)

 

Auch bezüglich der Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach § 60 AufenthG kann dem Zulassungsantrag kein Erfolg beschieden sein.

Insoweit begehrt die Klägerin die Zulassung der Berufung unter Berufung auf die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG zur Klärung der Rechtsfrage, "... ob die iranische Regelung des § 1060 ZGB, wonach ausschließlich iranische Frauen, nicht aber Männer für die Heirat mit einem Ausländer eine behördliche Eheschließungsgenehmigung benötigen, bei Verweigerung der Eheschließungsgenehmigung eine geschlechtsspezifische Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 und 3 AufenthG darstellt."

Diese Fragestellung und die hierzu in der Antragsschrift gegeben Erläuterungen rechtfertigen eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung nicht.

Allerdings ist die Klägerin von der im Zulassungsantrag benannten Regelung des iranischen Zivilgesetzbuches betroffen, denn sie konnte nach eigenen Angaben ihren Ehemann, einen afghanischen Staatsangehörigen, im Iran nur nach religiösem Ritus heiraten, mit ihm aber wegen der Verweigerung der nach § 1060 des iranischen ZGB erforderlichen Sondergenehmigung keine staatlich anerkannte Ehe schließen. Die der Klägerin gegenüber ausgesprochene Versagung der staatlichen Anerkennung einer Heirat stellt, ebenso wie die Verhängung eines ausdrücklichen Eheschließungsverbotes oder die Sanktionierung einer im Ausland geschlossenen Ehe, eine staatliche Maßnahme dar, die über eine bloße Diskriminierung hinaus wegen der Schwere der hiermit einhergehenden Beeinträchtigung elementarer Menschenrechte die Schwelle des Verfolgungseingriffs überschreitet (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 1992 - BVerwG 9 C 143.90 -, BVerwGE 90, 127 [132,133]).

Unter den von der Klägerin geschilderten Umständen dürfte eine Verfolgung wegen Geschlechtszugehörigkeit im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 und 3 AufenthG, anders als das Verwaltungsgericht meint, nicht schon mit Blick auf die im Iran allgemein herrschende Ungleichbehandlung von Frauen verneint werden können. Das potentielle Verbot einer zivilen Eheschließung betrifft nicht die Gesamtheit der weiblichen Bevölkerung im Iran, sondern nur diejenigen Frauen, die einen Ausländer heiraten wollen. Hierdurch sind die Frauen, denen nach § 1060 iranisches ZGB die zivile Eheschließung untersagt wird, als soziale Gruppe im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG hinreichend bestimmt (vgl. Marx, ZAR 2005, 177 [185].

Es fehlt indessen im vorliegenden Fall an der politischen Ausrichtung der staatlichen Maßnahme.

Die Tatsache, dass die Klägerin von der Weigerung der iranischen Behörden, ihr eine Sondergenehmigung für die Eheschließung mit einem Ausländer zu erteilen, deshalb - tatsächlich - in ihren unverfügbaren Menschenrechten verletzt und zudem als Frau benachteiligt wird, weil dieses Genehmigungserfordernis nur für Frauen, nicht aber für Männer gilt, reicht als solche für die Annahme einer politischen Verfolgung im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 und 3 AufenthG nicht. Hierfür wäre erforderlich, dass die staatliche Maßnahme gerade darauf ausgerichtet wäre, die Klägerin in ihrer Geschlechtszugehörigkeit oder in einem sonstigen asylrechtlich bedeutsamen Merkmal zu treffen. Hierfür liegen indessen keine Anhaltspunkte vor.

Die Klägerin hat vorgetragen, ihr und ihrem Ehemann sei die Eheschließungsgenehmigung durch die iranischen Behörden mit dem Argument verweigert worden, ihr Ehemann könne nicht im Iran leben und müsse bald nach Afghanistan zurückkehren. Dies rechtfertigt die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, von der Regelung in § 1060 des iranischen ZGB werde in Fällen einer beabsichtigten Eheschließung mit afghanischen Staatsangehörigen durch Versagung der Sondergenehmigung aus einwanderungspolitischen Gründen Gebrauch gemacht, um eine baldige Rückkehr der als unliebsam empfundenen afghanischen Flüchtlinge in ihre Heimat zu gewährleisten.

Zielt aber der beeinträchtigende Eingriff nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 6. April 1992, a.a.O., Seite 133) ungeachtet einer mit dieser Maßnahme verbundenen faktischen Menschenrechtsverletzung und Diskriminierung nicht auf eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten unveräußerlichen persönlichen Eigenschaften und Merkmale ab, sondern erfolgt diese Maßnahme aus anderen Gründen, kommt die Zuerkennung von Abschiebungsschutz nach der vorgenannten aufenthaltsrechtlichen Bestimmung nicht in Betracht.