Die Ausweisung eines Ausländers, der in familiärer Lebensgemeinschaft mit deutschen Staatsangehörigen lebt, darf nicht allein auf ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder eine Anklageerhebung gestützt werden; der Schutz von Ehe und Familie steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Zielstaat der Abschiebung (hier: Guinea) es lediglich für möglich hält, dass der Ausländer seine Staatsangehörigkeit besitzt.
Die Ausweisung eines Ausländers, der in familiärer Lebensgemeinschaft mit deutschen Staatsangehörigen lebt, darf nicht allein auf ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren oder eine Anklageerhebung gestützt werden; der Schutz von Ehe und Familie steht einer Abschiebung entgegen, wenn der Zielstaat der Abschiebung (hier: Guinea) es lediglich für möglich hält, dass der Ausländer seine Staatsangehörigkeit besitzt.
(Leitsatz der Redaktion)
Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts kann aus den mit der Beschwerde dargelegten Gründen (§ 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) keinen Bestand haben. Sie ist auf den Antrag des Antragstellers abzuändern, und ihm ist der begehrte einstweilige Abschiebungsschutz jedenfalls für die Dauer des Widerspruchsverfahrens betreffend die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis vom gewähren (a.).
a. Der Antragsteller hat mit seiner Beschwerdebegründung die Annahme des Verwaltungsgerichts ausreichend widerlegt, dass seine Abschiebung trotz bestehender familiärer Lebensgemeinschaft mit seinem deutschen Kleinkind deshalb nicht nach § 60 a Abs. 2 AufenthG auszusetzen sei, weil eine erhebliche Gefahr bestehe, dass er bei einem Verbleib im Bundesgebiet schwere Straftaten aus dem Bereich der Gewalt- und Drogenkriminalität begehen werde. Dabei kann dahinstehen, ob dem rechtlichen Ansatz des Verwaltungsgerichts zu folgen ist, wonach ein aus Art. 6 GG folgender Abschiebungsschutz - nur - in Betracht komme, wenn aus Gründen des Familienschutzes eine Ausweisung des ausländischen Elternteils eines deutschen Kindes keinen Bestand haben könne. Das könnte insbesondere dann nicht ausreichend sein, wenn das Verwaltungsgericht eine - wie hier - nach § 54 Nr. 1, § 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, Satz 5 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde stehende Ausweisungsverfügung einer bloßen fiktiven Überprüfung auf etwaige Ermessensfehler unterzieht. Denn im vorliegenden Fall liegt die Entscheidung der maßgeblichen Frage, ob die Abschiebung des Antragstellers aus rechtlichen Gründen im Sinne von § 60 a Abs. 2 AufenthG unmöglich ist - und deshalb die Abschiebung für die Dauer des Vorliegens dieses Abschiebungshindernisses auszusetzen ist - nicht im Ermessen der Ausländerbehörde. Vielmehr ist die Versagung der Duldung durch die Antragsgegnerin einer vollen gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen. Im Übrigen würde die (fiktive) Annahme einer fehlerfrei möglichen Ausweisung nicht in jedem Fall und zwangsläufig zu der Feststellung führen, dass deshalb zugleich die Abschiebung nicht nach § 60 a Abs. 2 AufenthG aus rechtlichen Gründen, insbesondere wegen eines nach Art. 6 GG gebotenen Familienschutzes vorläufig auszusetzen ist. Das könnte etwa dann anzunehmen sein, wenn nach Verwirkung eines Ausweisungstatbestandes nach § 53 AufenthG dem öffentlichen Interesse an der Ausweisung des ausländischen Elternteils gegenüber familiären Gründen der Vorrang einzuräumen ist, gleichwohl aber auf Grund besonderer Umstände (wie etwa bei einem vorübergehenden krankheitsbedingten Ausfall eines Elternteils) das deutsche Kind in ganz besonderem Maße und für einen überschaubaren Zeitraum die Lebenshilfe des ausgewiesenen Elternteils benötigt (vgl. zur Rechtmäßigkeit der Ausweisung bei einem tatsächlichen Abschiebungshindernis OVG Hamburg, Beschl. v. 6.3.2002, AuAS 2002, 139 = EzAR 033 Nr. 14).
Bei der danach gebotenen vollen Überprüfung der Frage, ob die Antragsgegnerin die Abschiebung des Antragstellers wegen des ggf. vorrangigen Schutzes der familiären Lebensgemeinschaft mit einem deutschen (Klein-)Kind nach § 60 a Abs. 2 AufenthG aus rechtlichen Gründen aussetzen muss, geht das Beschwerdegericht von den Grundsätzen aus, die das Bundesverfassungsgericht in den Entscheidungen vom 8. Dezember 2005 (FamRZ 2006, 187 ff.) und vom 23. Januar 2006 (2 BvR 1935/05, Juris) zu vergleichbaren Fallgestaltungen entwickelt hat.
In die Abwägung sind zunächst wie ausgeführt (neben der von den Beteiligten nicht bestrittenen Tatsache des Bestehens einer familiären Lebensgemeinschaft als solcher) der tatsächliche Umfang der Unterstützung und der Betreuungsleistungen des Antragstellers sowie die sich daraus ergebende konkrete Intensität der Vater-Kind-Bindung einzustellen.
Auf der Grundlage der danach gegenwärtig anzunehmenden intensiven Vater-Kind-Bindung und entsprechender Lebenshilfe durch den Antragsteller sind sodann die Folgen seiner Abschiebung in den vorgesehenen Zielstaat Guinea für die Familie und insbesondere für sein Kind zu prognostizieren. Diese Folgen hängen ihrerseits (neben dem Alter des Kindes) vorrangig von dem voraussichtlichen Trennungszeitraum ab und können - etwa bei gänzlich ungewisser Rückkehrperspektive - in der endgültigen und irreparablen Auflösung der Familieneinheit für den Fall der Abschiebung des Antragstellers bestehen. Hiervon ist nach derzeitigen Kenntnisstand auszugehen.
Zunächst ist schon ungewiss, welches Schicksal den Antragsteller erwartet, sofern die Antragsgegnerin ihn tatsächlich nach Guinea abschieben sollte. Sie hat dazu vorgetragen, dass Angehörige der Botschaft dieses Staates (nach Durchführung eines Sammelinterviews) es für möglich gehalten hätten, dass der Antragsteller aus Guinea stamme und dass dieser Staat ihm zunächst die Einreise mit einem von der Botschaft ausgestellten Passersatz erlaube. Der Antragsteller hat jedoch stets an seiner Behauptung festgehalten, nicht Angehöriger des Staates Guinea zu sein. Dazu hat er nunmehr (in Ablichtung) einen Ausweis und eine Geburtsurkunde aus Burkina Faso eingereicht. Das lässt es zumindest als möglich erscheinen, dass die Behörden Guineas nach Einreise des Antragsteller dessen Staatsangehörigkeit verneinen und ihm den weiteren Verbleib in ihrem Land nicht erlauben werden. Zu der Frage, wie Guinea in diesen Fall mit der Antragsteller verfahren wird, insbesondere ob und in welchen Staat er sodann abgeschoben werden wird, hat sich die Antragsgegnerin bisher nicht geäußert. Darüber hinaus ist eine Rückkehr des Antragstellers in das Bundesgebiet auch deshalb gänzlich ungewiss, weil er vor einer Wiedereinreise zunächst das Verfahren zur Befristung der Wirkungen der Ausweisung sowie vom Ausland aus das Sichtvermerksverfahren durchführen müsste. Die dafür anzusetzende Zeitspanne ist bei einer Abschiebung nach Guinea zum einen schon deshalb ungewiss, weil (wie oben dargelegt) ein Verbleib des Antragstellers in diesem Staat nicht gesichert ist. Zum anderen hat die Antragsgegnerin selbst keinen Zeitraum angegeben, innerhalb dessen die o.g. Verfahren abgeschlossen und dem Antragsteller ein Sichtvermerk für eine Wiedereinreise erteilt werden könnte.
Die damit für den Antragsteller und sein Kind verbundenen schwerwiegenden Folgen sind von diesen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch nicht deshalb hinzunehmen, weil ihr Interesse an der Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft hinter einem etwaigen öffentlichen Interesse an einer sofortigen Beendigung des Aufenthalts des Antragstellers zurücktreten muss. Das könnte zwar nach den oben genannten Grundsätzen dann in Betracht kommen, wenn ausreichende Anhaltspunkte eine erhebliche Gefahr dafür begründeten, dass der Antragsteller bei einem Verbleib im Bundesgebiet schwere Straftaten begehen wird. Für eine entsprechende Prognose liegen derzeit ausreichende Erkenntnisse nicht vor.
Der Verurteilung des Antragstellers durch das Landgericht Hamburg vom 24. September 2001 zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten lagen im Wesentlichen Straftaten zugrunde, die der Antragsteller im Januar und März 2000 (unerlaubter Handel mit Betäubungsmitteln) und im Januar 2001 (schwerer Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung) noch als Heranwachsender begangen hat.
Die vom Verwaltungsgericht weiter aufgeführte Verurteilung durch das Amtsgericht Hamburg vom 20. März 2006 (sieben Monate Freiheitsstrafe wegen gefährlicher Körperverletzung) betraf eine Tat, die der Antragsteller am 5. August 2005 in einem Hamburger Lokal in erheblich alkoholisiertem Zustand begangen hat.
Die Beschwerde macht zudem geltend, dass sich das Verwaltungsgericht nicht über die günstige Sozialprognose des Amtsgerichts habe hinweg setzen dürfen, ohne seinerseits nachvollziehbare Gründe bzw. ausreichende Erkenntnisse für die von ihm angenommene Wiederholungsgefahr zu anzugeben. Dieser Einwand ist zutreffend. Im Übrigen ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass bei der Entscheidung der Frage, ob die mit der Abschiebung des Antragstellers verbundenen schwerwiegenden Folgen für die Familie ausnahmsweise deshalb hinzunehmen sind, weil die Gefahr erheblicher Straffälligkeit besteht, grundsätzlich nur auf gesicherte (strafrechtliche) Erkenntnisse gestützt werden darf und dabei vorrangig auf Feststellungen in strafrechtlichen Verurteilungen abzustellen ist. Insoweit schließt es der oben näher dargelegte Grundrechtsschutz nach Art. 6 GG aus, dass die Ausländerbehörde die Familieneinheit durch Abschiebung des ausländischen Elternteils bereits auf der Grundlage (noch) nicht abgesicherter polizeilicher Mitteilungen, staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren oder einer (bloßen) Anklageerhebung dauerhaft beendet. Der aus derartigen Vorgängen ggf. folgende Anfangsverdacht betreffend die Begehung bestimmter Straftaten rechtfertigt es regelmäßig noch nicht, insbesondere auch den grundrechtlich geschützten Anspruch des deutschen Kindes auf Beibehaltung der Unterstützung und Betreuung durch seinen ausländischen Elternteil durch Abschiebung zu vereiteln.