VG Münster

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Zitieren als:
VG Münster, Beschluss vom 08.06.2006 - 5 L 338/06 - asyl.net: M8479
https://www.asyl.net/rsdb/M8479
Leitsatz:
Schlagwörter: Familienzusammenführung, Ehegattennachzug, Scheinehe, Beistandsgemeinschaft
Normen: AufenthG § 27 Abs. 1; GG Art. 6
Auszüge:

Gemäß § 27 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes wird die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet für ausländische Familienangehörige zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert. Diese Voraussetzungen liegen bei der Antragstellerin auf der Grundlage der in diesem Verfahren gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht vor, weil sie mit ihrem Ehemann keine familiäre Lebensgemeinschaft führt.

Eine ausländerrechtlich schützenswerte eheliche Lebensgemeinschaft liegt vor, wenn die Eheleute einen intensiven persönlichen Kontakt pflegen und ihre tatsächliche Verbundenheit in konkreter Weise nach außen in Erscheinung tritt. In der Regel ist eine eheliche Lebensgemeinschaft durch eine gemeinsame Lebensführung in der Form einer die tatsächliche Verbundenheit der Eheleute zum Ausdruck bringenden Beistandsgemeinschaft gekennzeichnet, die sich nicht nur durch objektiv messbare und bestimmbare Mindestkriterien für die Annahme einer aufenthaltsrechtlich schützenswerten Beziehung bestimmen lässt, sondern darüber hinaus durch eine geistige und emotionale Verbundenheit geprägt wird. Kennzeichnend dafür ist ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt, der im Allgemeinen durch eine gemeinsame Wohnung zum Ausdruck kommt (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 1987 - 2 BvR 1226/83, 101, 313/84 -, BVerfGE 76, 1, 42 = NJW 1988, 626 und Beschluss vom 3. Januar 2002 - 2 BvR 231/00 -, Informationsbrief Ausländerrecht 2002, 171; Bundesverwaltungsgericht, Urteile vom 9. Dezember 1997 - 1 C 19.96 -, BVerwGE 106, 13 = NJW 1998, 742 und - 1 C 16.96 -, Informationsbrief Ausländerrecht 1998, 272; OVG NRW, Beschluss vom 1. August 2002 - 18 B 1063/00 -, NWVBl. 2003, 33, 34).

Wenn keine Beistandsgemeinschaft im vorgenannten Sinne vorliegt, führen die Eheleute eine sogenannte Scheinehe. In diesem Fall ist die Ausländerbehörde nicht verpflichtet, eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen bzw. zu verlängern (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, NVwZ 2000, Beilage zu Heft 1, S. 73 = DVBl. 2003, 1260; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 23. März 1982 - 1 C 20.81 -, BVerwGE 65, 174 = NJW 1982, 1956 und Urteil vom 23. Mai 1995 - 1 C 3.94 -, BVerwGE 98, 298 = NVwZ 1995, 1119; Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Juni 1996 - 12 TG 1590/96 -, NVwZ-RR 1997, 192, 193).

Ob zwischen Eheleuten eine durch Artikel 6 des Grundgesetzes geschützte Beistandsgemeinschaft oder nur eine nicht geschützte Scheinehe besteht, ist von der Ausländerbehörde durch das Ermitteln von Anhaltspunkten zu prüfen, die von dem Ausländer wiederlegt bzw. entkräftet werden müssen. Etwaige Unklarheiten gehen zu Lasten des Ausländers, der insoweit materiell beweisbelastet ist (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. Mai 2003 - 2 BvR 2042/02 -, a. a. O. und Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 14. Juni 1996 - 12 TG 1590/96 -, a. a. O.).

Ein gewichtiger Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Scheinehe ist der Zeitpunkt der Eheschließung.

Die Antragstellerin hat mit dem deutschen Staatsangehörigen die Ehe am 29. Juli 2003 erst geschlossen, nachdem das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge ihren Asylantrag durch Bescheid vom 19. Mai 2003 abgelehnt hatte. Der fehlende Wille der Antragstellerin ernsthaft eine Ehe einzugehen, wird dadurch bestätigt, dass sie anlässlich ihres Umverteilungsantrages von O. nach T. ausdrücklich erklärt hat, ihr Asylverfahren weiterführen zu wollen.

Ein weiterer Anhaltspunkt für das Bestehen einer Scheinehe ist der kurze Zeitraum zwischen dem Kennenlernen der Eheleute und der Eheschließung.

Ein besonders gewichtiger Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Scheinehe sind vor allem die unzureichenden Sprachkenntnisse der Antragstellerin in deutscher Sprache, wie sie sich sowohl aus dem Antrag auf Umverteilung von O. nach T. als auch aus der Anhörung am 1. August 2005 ergeben.

Ein gewichtiger Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Scheinehe ist es schließlich auch, dass die Antragstellerin sich aus Anlass der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht bei ihrem Ehemann versichert hat, sondern eigenständig der Allgemeinen Ortskrankenkasse beigetreten ist. Es entspricht der Lebenswirklichkeit, dass Eheleute, wenn nicht besondere hier nicht ersichtliche Umstände vorliegen, grundsätzlich bei einer Krankenversicherung versichert sind.