LSG Berlin-Brandenburg

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Zitieren als:
LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.12.2005 - L 25 B 1281/05 AS ER - asyl.net: M8511
https://www.asyl.net/rsdb/M8511
Leitsatz:

Keine Leistungen für Arbeitssuchende gemäß § 8 Abs. 2 SGB II, wenn im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Zustimmung der Bundesagentur nach § 39 Abs. 2 AufenthG nicht gegeben sind.

 

Schlagwörter: D (A), Grundsicherung für Arbeitssuchende, Erwerbstätigkeit, Aufenthaltsgestattung, Nebenbestimmungen, Arbeitsmarktprüfung, Ermessen
Normen: SGB II § 7 Abs. 1; AsylbLG § 1 Abs. 3 Nr. 2 1. Alt.; SGB II § 8 Abs. 2; AsylVfG § 61 Abs. 2; AufenthG § 39 Abs. 2
Auszüge:

Keine Leistungen für Arbeitssuchende gemäß § 8 Abs. 2 SGB II, wenn im konkreten Fall die Voraussetzungen für die Zustimmung der Bundesagentur nach § 39 Abs. 2 AufenthG nicht gegeben sind.

(Leitsatz der Redaktion)

Nach § 7 Abs. 1 erhalten Leistungen nach dem SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, erwerbsfähig sind, hilfsbedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Ausländer - wie die Ast. - haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der BRD und erhalten Leistungen nach dem SGB II, wenn die Voraussetzungen nach § 8 Abs. 2 SGB II vorliegen. Dies gilt nicht für Leistungsberechtigte nach dem § 1 des Asylbewerberleistungsgesetz - AsylbLG -.

Zutreffend gehen die Ast. - von dem Agg. nicht in Frage gestellt - davon aus, dass diese nach dem AsylbLG nicht leistungsberechtigt sind, denn die Leistungsberechtigung nach diesem Gesetz endet mit Ablauf des Monats, in dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Ausländer als Asylberechtigte anerkannt hat - hier also mit Ablauf des März 2000 -, auch wenn die Entscheidung wie hier noch nicht unanfechtbar ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 2, 1. Alternative AsylbLG).

Nach § 8 Abs. 2 SGB II können Ausländer, welche im Übrigen die sozialmedizinischen Voraussetzungen der Erwerbsfähigkeit des Abs. 1 erfüllen, nur erwerbstätig sein, wenn ihnen (erste Alternative) die Aufnahme einer Beschäftigung tatsächlich erlaubt ist oder (zweite Alternative) erlaubt werden könnte.

Bezüglich der ersten Alternative ist festzustellen, dass nach der Nebenbestimmung der Aufenthaltsgestattung den Antragstellern zu 1 und 2 die Aufnahme einer Beschäftigung konkretindividuell gerade versagt ist. Schon hier könnte in Frage stehen, ob in derartigen Fällen, in denen bisher nach dem Inhalt der Nebenbestimmung ihrer Aufenthaltsgestattung gerade davon auszugehen ist, dass nach den gesetzlichen Maßstäben des Arbeitsmarktzugangsrechts - also nach "interner" Prüfung seitens der BA im Wege des Zustimmungsverfahrens - eine Beschäftigung nicht erlaubt ist, noch eine Berufung auf die Alternative 2 möglich ist. Zwar haben die Ast. zu 1 und 2 diesbezüglich am 31. März 2005 bei der Ausländerbehörde Anträge auf Arbeitsmarktzulassung gestellt, welche offenbar bisher nicht entschieden sind. Diese Anträge dürften wohl auch (noch) nicht entscheidungsreif sein, denn die arbeitsmarktliche Prüfung hat grundsätzlich einzelfallbezogen und konkret unter Bezugnahme auf eine in Aussicht genommene Beschäftigung bei einem bestimmten einstellungsbereiten Arbeitgeber zu erfolgen (Renner a.a.O., § 39 Rz. 8 ff.). Hierfür ist weder etwas vorgetragen, noch sonst ersichtlich.

Der Senat lässt diese Frage dahinstehen, denn selbst wenn der Anspruch nicht bereits an den vorliegenden Versagungen der Arbeitserlaubnis scheiterte, liegen die dann notwendigen Voraussetzungen der Alternative 2 nicht vor.

Danach könnten die Ast. nur Erfolg haben, wenn § 8 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 SGB II dahin zu verstehen wäre, dass die gesetzgeberisch eingeräumte, abstrakt-generelle Möglichkeit der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis - im Außenverhältnis durch die Ausländerbehörde bei ggf. erforderlicher Zustimmung der BA - hinreichte.

Hiergegen spricht schon systematisch, dass eine derartige weite Interpretation es nicht notwendig gemacht hätte, die erste Alternative (faktisches Vorhandensein einer Erlaubnis) überhaupt vorzusehen, denn letztere hätte die erstere umfasst.

Teleologisch spricht gegen diese weite Interpretation ferner, dass der Gesetzgeber dann hätte darauf verzichten wollen, Kriterien der Steuerung der Ausländerbeschäftigung bezüglich des zwar fürsorgerechtlichen, aber strikt arbeitsmarktbezogenen Leistungssystems des SGB II für erheblich zu erklären. Der Senat legt hingegen zugrunde, der Gesetzgeber habe mit der zweiten Alternative im Ausgangspunkt zunächst nur auf das je einschlägige Recht der Arbeitsmarktsteuerung verweisen wollen. Für diese Auslegung gibt auch § 7 Abs. 1 Satz 4 SGB II einen Hinweis.

Das für die Ast. zu 1 und 2 als Asylbewerber einschlägige Recht findet sich insoweit in § 61 Abs. 2 AsylVfG. Danach kann den Ast., die sich gestattet seit weit mehr als dem geforderten einem Jahr im Bundesgebiet aufhalten, die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der BA zulässig ist. Die §§ 39 bis 42 des AufenthG gelten entsprechend. Damit unterliegen die Ast. zu 1 und 2 einem Arbeitsmarktzugang im Sinne einer Ermessensnorm, welche neben der grundsätzlichen Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit auf der Tatbestandseite hinsichtlich der Ermessensvoraussetzungen auf § 39 AufenthG verweist.

Als Ermessensvoraussetzungen ist in § 39 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 a AufenthG bestimmt, dass sich durch die Beschäftigung von Ausländern nachteilige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, insbesondere hinsichtlich der Beschäftigungsstruktur der Regionen und der Wirtschaftszweige, nicht ergeben sowie (Nr. 1 b) für die Beschäftigung deutscher Arbeitnehmer sowie Ausländer, die diesen hinsichtlich der Arbeitsaufnahme rechtlich gleichgestellt sind oder andere Ausländer, die nach dem Recht der Europäischen Union einen Anspruch auf vorrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben, nicht zur Verfügung stehen und der Ausländer nicht zu ungünstigeren Arbeitsbedingungen als vergleichbare deutsche Arbeitnehmer beschäftigt wird.

Diese Grundvoraussetzung einer Ermessensbetätigung seitens der BA bzw. der Ausländerbehörde ist für den Ast. zu 1 schon nicht feststellbar, denn für die - ohne Bezug auf einen bestimmten Arbeitgeber - gewünschte Tätigkeit des allgemeinen Arbeitsmarktes im Beruf einer Bürohilfskraft stehen - wie von der Beklagten vorgetragen und von dem Ast. zu 1 nicht in Abrede gestellt - ausreichend bevorrechtigte Arbeitnehmer zur Verfügung. Für die Ast. zu 2 ist ein Vermittlungsbegehren bezüglich einer bestimmten Berufstätigkeit überhaupt nicht erkennbar.

Jedenfalls für den Fall, indem ein Anspruch auf Ermessensbetätigung wegen offensichtlichens Fehlens der tatbestandlichen Ermessensvoraussetzungen - wie hier - bezüglich der Arbeitsmarktlage scheitert, kann im Sinne des § 8 Abs. 2 zweite Alternative SGB II ein "erlaubt werden können" nicht anzunehmen sein. Der Anspruchsteller steht dann dem rechtlichen Arbeitsmarktzugang (noch) derart fern, dass es nicht gerechtfertigt ist, ihn dem arbeitsmarktbezogenen Existenzsicherungssystem zuzuordnen (ähnlich wie hier: teilweise noch unter Bezug auf § 285 SGB III: Reinhardt in Kruse/Reinhardt/Winkler, SGB II, K., 2005, § 8 Rz. 9; Löns/Herold-Tens, SGB II, 2005, § 8 Rz. 4; enger: Seegmüller in Estelmann (Herausgeber), SGB II, § 8 Rz. 45 ff.: im Ergebnis nur bei "0-Fall"; offenbar Abstellen auf vorliegende Ermessensvoraussetzungen bei für Antragsteller positiver Vorrangprüfung und offenem Ergebnis der Ermessensbetätigung: Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K., § 8 Rz. 20; "Aussicht" auf Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis reiche hin, diese könne in positiver Arbeitsmarktprognose bezüglich der Tatbestandsvoraussetzungen zum Ausdruck kommen - so Blüggel in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2005, § 8 Rz. 61, 62; zu weitgehend Brühl in LPKSGB II, § 8 Rz. 35 unter Hinweis auf Sieveking, ZAR 2004, 283, 286).