OLG Köln

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Zitieren als:
OLG Köln, Beschluss vom 10.02.2006 - 16 Wx 238/05 - asyl.net: M8513
https://www.asyl.net/rsdb/M8513
Leitsatz:

1. Ein Ausländer ist nicht verpflichtet, eine vom Konsulat seines Heimatlandes (hier: Iran) geforderte mündliche oder schriftliche Erklärung abzugeben, dass er freiwillig zurückkehrt.

2. Ist eine Abschiebung in das Heimatland nur dann möglich, wenn der Betroffene dem Verlangen nachkommt, ist spätestens bei der Anhörung vor dem Haftrichter zu klären, ob eine entsprechende Bereitschaft besteht.

3. Abschiebungshaft, die angeordnet wird, obwohl der Betroffene nicht bereit ist, die von seinem Heimatland geforderte "Freiwilligkeitserklärung" abzugeben, ist unabhängig davon rechtswidrig, ob der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten bei der Passersatzbeschaffung aus § 82 AufenthG nachkommt oder nicht.

 

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Iran, freiwillige Ausreise, Freiwilligkeitserklärung, Verhältnismäßigkeit, Sachaufklärungspflicht, Mitwirkungspflichten, Passersatzbeschaffung
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2; AufenthG § 62 Abs. 2 S. 4; AufenthG § 82
Auszüge:

1. Ein Ausländer ist nicht verpflichtet, eine vom Konsulat seines Heimatlandes (hier: Iran) geforderte mündliche oder schriftliche Erklärung abzugeben, dass er freiwillig zurückkehrt.

2. Ist eine Abschiebung in das Heimatland nur dann möglich, wenn der Betroffene dem Verlangen nachkommt, ist spätestens bei der Anhörung vor dem Haftrichter zu klären, ob eine entsprechende Bereitschaft besteht.

3. Abschiebungshaft, die angeordnet wird, obwohl der Betroffene nicht bereit ist, die von seinem Heimatland geforderte "Freiwilligkeitserklärung" abzugeben, ist unabhängig davon rechtswidrig, ob der Ausländer seinen Mitwirkungspflichten bei der Passersatzbeschaffung aus § 82 AufenthG nachkommt oder nicht.

(Amtliche Leitsätze)

 

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG lagen von Anfang an nicht vor.

Der freiheitsentziehenden Maßnahme stand der verfassungsrechtliche Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen. Gem. § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG ist die Sicherungshaft unzulässig, wenn feststeht, dass aus Gründen, die der Ausländer nicht zu vertreten hat, die Abschiebung nicht innerhalb der nächsten 3 Monate durchgeführt werden kann. Der Ausländerbehörde wie auch dem Gericht obliegt demnach die Pflicht, schon bei Antragstellung zu prüfen, welche Zeit zur Durchführung der Abschiebung voraussichtlich benötigt wird, das heißt, wann mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit mit dem Ausstellen der ersichtlich von Anfang an notwendigen Passersatzpapiere und der Abschiebung des Betroffenen gerechnet werden kann. Dies wurde vorliegend weder von der Ausländerbehörde bei Antragstellung noch vom Amtsgericht bei der Haftanordnung beachtet. Zwar sind Abschiebungen in den Iran nicht grundsätzlich undurchführbar; denn auch für den Iran können Passersatzpapiere beschafft werden. Für eine Passersatzausstellung durch das iranische Generalkonsulat ist jedoch - auch nach dem eigenen Vortrag der antragstellenden Behörde - erforderlich, dass die Betroffenen bei der Vorführung schriftlich oder mündlich erklären, freiwillig in den Iran zurückkehren zu wollen. Dass der Betroffene eine solche freiwillige Rückkehrerklärung nicht abgeben würde, war bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bekannt. Dies ergibt sich schon aus der Begründung des Haftantrages. Im Übrigen wäre auch bereits im Rahmen der Anhörung des Betroffenen vor dem Amtsgericht durch Befragen zu klären gewesen, ob er bereit war, eine freiwillige Rückkehrerklärung zu unterschreiben. Zur Abgabe einer solchen Erklärung war der Betroffene, der nicht ausreisen wollte, nicht verpflichtet; sie gehört nicht zu den einem Ausländer obliegenden Mitwirkungspflichten (vgl. OLG Celle vom 16.10.2003 bei Melchior, Abschiebungshaft, Anhang m.w.N.). Dass der Betroffene im Übrigen bei der Passersatzpapierbeschaffung nicht mitgewirkt und deshalb gegen seine Pflichten aus § 82 AufenthG verstoßen hat, ist vorliegend ohne Belang, weil die Beschaffung von Passersatzpapieren auch im Falle seiner Mitwirkung an der erforderlichen Freiwilligkeitserklärung gescheitert wäre.